Urlaub machen, wo andere wohnen:Die Tausch-Abenteurer

Haustausch Familie Burger

Familie Burger vor ihrem Haus in Wackersberg, das sie im Urlaub auch mal tauscht

(Foto: Manfred Neubauer)

Die fünfköpfige Familie Burger aus Wackersberg wohnt im Urlaub gerne in einem Haus mit Garten. Dafür überlässt sie ihr eigenes Domizil fremden Gästen. In Barcelona und London war sie schon

Von Elena Winterhalter, Wackersberg

Bevor Familie Burger in den Urlaub fährt, werden alle fünf Betten im Haus frisch bezogen und Thomas Burger platziert den dicken Ordner mit Wanderkarten und Urlaubstipps gut sichtbar auf dem Küchentisch. Direkt neben der halbseitigen englischen Erklärung des Wackersberger Mülltrennungsverfahrens. Dann kann es los gehen. Die Nachbarn bekommen noch den Haustürschlüssel überreicht - aber nicht, damit sie die Pflanzen der Burgers gießen. Sie werden die Schlüssel schon bald der Tauschfamilie übergeben, die mal aus Spanien, mal aus Frankreich oder England kommt, um im bayerischen Oberland Urlaub zu machen. Und die Burgers? Die sind dann auf dem Weg nach Spanien, Frankreich oder England. Dorthin eben, wo die Tauschfamilie schon die Betten frisch bezogen und einen Zettel hinterlassen hat mit genauen Instruktionen zum Katzenfüttern.

Seit fünf Jahren macht die Familie aus Wackersberg so Urlaub. Über die Plattform Intervac (haustausch.de) findet sie Gleichgesinnte auf der ganzen Welt, die bereit sind, ihr Zuhause für ein paar Tage oder Wochen einzutauschen gegen ein anderes, fremdes und spannendes Heim auf Zeit. Immer wieder bekommen die Burgers Anfragen zum Beispiel aus Spanien, Kanada oder den USA. Vier Mal hat alles gepasst: der Termin, die Unterkunft, das Land. Beim Urlaubsland ist die Familie relativ flexibel, außer dieses Jahr, da sollte es Schweden sein. Dort hatte sich aber kein passender Tauschpartner gefunden. "Es ist auch spannend, nicht so genau zu wissen, wo man den Urlaub verbringt", sagt Basti. Der 17-Jährige war, genau wie seine Schwester Lena, vor allem vom Haus in Barcelona begeistert. "Fünf Minuten zum Strand, fünf Minuten in die Stadt - das war super." Und das alles fast kostenlos.

110 Euro pro Jahr bezahlt man an Intervac für die Nutzung der Plattform, die mit rund 30 000 Mitgliedern weltweit und einem stetigen Wachstum wirbt. Wer tauscht, wohnt kostenlos in der Urlaubsunterkunft und lässt im Gegenzug andere mietfrei bei sich logieren. "Das ist Luxus, wenn man mitten in London ein Haus mit Garten bewohnen kann. Als normale Ferienwohnung wäre das unbezahlbar", sagt Thomas Burger. Ein komisches Gefühl bei dem Gedanken, dass Fremde im eigenen Bett schlafen und die Küche benutzen, habe er nicht. "Manche sperren ein Zimmer ab und verstauen dort alle Papiere und Wertsachen", sagt der Familienvater. "Wir lassen eigentlich alles so, wie es ist." Ihren Schmuck verräumt Heidi Burger aber schon sehr gründlich.

In Deutschland sind rund 300 Mitglieder bei Intervac angemeldet. Neben dieser Plattform gibt es andere Anbieter, bei denen der Tausch ähnlich funktioniert. "Wir in Deutschland denken oft noch ein bisschen verquer", sagt Leoni Günzler, Organisatorin und Ansprechpartnerin für die Haustausch-Community in Deutschland. "Nach dem Motto: In meinem Bett soll kein Fremder schlafen. Dabei haben in einem Hotelbett schon Hunderte vorher geschlafen." Günzler ist überzeugte Tauscherin. In ein Hotel geht sie nie. Das erste Mal Haustausch sei wie ein Sprung ins kalte Wasser, sagt sie. Aber es lohne sich. So wie bei ihrem ersten Haustausch in Finnland. Kleines Häuschen, Bootssteg, See - "ein Traum".

Zusätzlich zur mietfreien Unterkunft und dem kleinen Abenteuer, in das man sich wagt, wenn man ein fremdes Zuhause erkundet, gibt es von vielen Gastgebern wertvolle Tipps und Empfehlungen, die man so nicht im Reiseführer findet. Manchmal bekommt man auch ein Haustier auf Zeit anvertraut. Genau wie die Burgers sieht auch Leoni Günzler neben dem finanziellen Aspekt einen großen Vorteil bei dieser Art zu reisen: "Man kommt in Kontakt mit den Nachbarn und erlebt die Kultur viel unmittelbarer als ein normaler Tourist." Dazu brauche es aber Toleranz.

Gegründet wurde die Plattform 1973 von Lehrern, ein Beruf, der laut Günzler auch heute noch häufig ist unter den Mitgliedern. Bemerkenswert findet die Organisatorin außerdem: Fast die Hälfte der angemeldeten Mitglieder in Deutschland leben in und um Berlin: "Da sind die Leute wohl schon etwas freier in ihrem Denken." Im Süden sei das eher schwierig.

Die Burgers zumindest finden das nicht schwierig. "Wir haben unser Haus bisher immer sauber und aufgeräumt wieder vorgefunden", sagt Heidi Burger. Nicht mal ein Teller sei kaputt gegangen. Nur einmal habe einem Playmobilmann ein Bein gefehlt. Das nimmt der zehnjährige Linus aber sehr gelassen. Schließlich darf er in der Ferienzeit auch mit den Spielsachen anderer Kinder spielen.

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