Unterwasser-Rugby:Rangeln in der nassen Tiefe

Unterwasserrugby Geretsried Tauchclub Oberland

Luft anhhalten im dreidimensionalen Spielfeld: Beim Unterwasser-Rugy kann der Ball von überall kommen.

(Foto: oh)

Beim Unterwasser-Rugby brauchen die Sportler gute Kondition und einen langen Atem. Der Tauchklub Oberland praktiziert das Spiel seit mehr als 20 Jahren.

Von Lisa Kuner

Rund um den Ball herrscht unter Wasser im Geretsrieder Hallenbad ein scheinbar zielloses Chaos aus aneinander reißenden Armen, paddelnden Beinen und verdrehten Körpern. Schon den Spielverlauf zu verfolgen ist beim Unterwasser-Rugby eine Herausforderung. Den Mannschaften zuordnen kann man die Spieler im Wasser eigentlich nur anhand der Farbe ihrer Kopfhauben: Blau und Weiß gibt es, mit einem Schutz für die Ohren, wie beim Wasserball. Die 26-jährigen Zwillinge Sarah und Leonie Brand, beide mit weißer Haube, scheinen damit keine Probleme zu haben. Elegant ziehen sie durchs Wasser, eine der beiden ist fast immer am Ball.

Ziel des Spiels ist es, den Ball in den gegnerischen Korb zu bringen, der an der Seite des Beckens steht. Der Ball ist mit Salzwasser gefüllt, schwerer als das Wasser und geht deshalb unter. Er darf nur unter der Wasseroberfläche transportiert werden, ob per Pass oder von den Spielern geführt, ist egal. Wie beim normalen Rugby ist Körpereinsatz gefragt, außer an der Ausrüstung zu reißen ist fast alles erlaubt. Gespielt wird zweimal 20 Minuten.

"Und los!" Rechts und links am Beckenrand tauchen ein halbes Dutzend Schwimmer ab. Blitzschnell knicken die Oberkörper im Wasser nach unten ab. Ein paar Augenblicke lang ragen die Tauchflossen in neongelb oder blau aus dem Wasser. Dann sind sie verschwunden und schwimmen unter Wasser auf ihr Ziel in der Mitte des Beckens zu: den Ball, genauso knallgelb wie die Flossen. Wer ihn zuerst erreicht ist Ballführer beim Unterwasser-Rugby.

Unterwasserrugby Geretsried Tauchclub Oberland

Die Zwillinge Sarah und Leonie betreiben den Sport schon seit mehr als zwölf Jahren.

(Foto: oh)

Marco Szlapka, Vorsitzender des Tauchklubs Oberlands, erklärt wie vor einem Spiel die Ausrüstung kontrolliert wird: Die Flossen dürfen keine Löcher haben, in denen man sich verfangen könnte. Badenanzüge und -hosen müssen reißfest sein. Und die Fingernägel kurz, damit man den Gegner nicht kratzen kann. Die Brille, etwas schmaler als eine gewöhnliche Taucherbrille und mit einem größeren Sichtfeld, und der Schnorchel werden gut festgemacht, damit sie im Gerangel nicht mal aus Versehen verrutschen. Seit mehr als 20 Jahren spielt der Tauchklub Oberland Unterwasser-Rugby. Obwohl das Spiel sehr körperbetont ist, hat es laut Szlapka in den ganzen Jahren noch nie ernsthafte Verletzungen gegeben.

Für den Beobachter sieht der Kampf um den Ball jedoch ziemlich gewalttätig aus. Die Spieler und Spielerinnen reißen aneinander, versuchen sich gegenseitig zu behindern. Sarah Brand nimmt dem Gegner den Ball ab, prescht in Richtung Tor. Flossen schwingen durchs Wasser, aber treffen erstaunlichweise nie andere Spieler. Im Wasser haben Bewegungen längst nicht dieselbe Wucht wie außerhalb, denn es bremst die Geschwindigkeit, federt ab und nimmt die Brutalität.

Szlapka und Trainer Florian Grabsch freuen sich über ihre bunte Mannschaft. Frauen, Männer, Mädchen und Jungs: Alle trainieren hier gemeinsam. "Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht", sagt Grabsch. Es klappe sehr gut, dass Kinder und Erwachsene zusammen spielen, alle nähmen aufeinander Rücksicht. Selbst in der Bundesliga und der Nationalmannschaft gebe es fast immer gemischte Teams. "Es kommt nicht nur auf Kraft an", erklärt Szlapka. "Geschwindigkeit und Kondition spielen auch eine große Rolle, und da sind Frauen nicht von Haus aus schlechter."

Die Zwillinge sind dafür ein gutes Beispiel. Seit zwölf Jahren spielen sie Unterwasser-Rugby. Eine Zeit lang haben sie sogar für die Damenbundesliga gespielt. In Geretsried gehören sie offensichtlich zu den stärksten Spielern.

Für den Sport braucht man ziemlich viel. Das lange Tauchen, Luft holen und wieder Abtauchen zehrt schnell an den Kräften. Wenn der Gegner mit dem Ball aufs Tor zu schwimmt, muss man den Korb auch dann noch ein paar weitere Sekunden verteidigen, wenn die Lungen schon längst wieder frische Luft einfordern. Vor allem den jüngeren Schwimmern sieht man die Anstrengung schnell an, sie betrachten das Treiben immer wieder schnaufend von der Wasseroberfläche.

Unterwasserrugby Geretsried Tauchclub Oberland

Zur Ausrüstung gehören Badeanzug, Schnorchel, Taucherbrille und Flossen.

(Foto: oh)

Leonie Brand gefällt, dass man sich beim Unterwasser-Rugby so richtig auspowern kann. Aber es sei nicht nur anstrengend. "Du kannst schweben", sagt sie. Leonie spielt gerne in der Verteidigung oder im Sturm. "Aber am liebsten spiele ich mit Sarah zusammen. Ich passe ihr dann den Ball und sie macht das Tor." Sarah Brand fasziniert auch vor allem die Dreidimensionalität des Sportes. Denn das Spielfeld ist, anders als bei anderen Sportarten, nicht nur eine zweidimensionale Fläche, sondern ein multidimensionaler Raum. Während dem Spiel versuchen die Spieler nicht nur, sich links, rechts, vorne oder hinten frei zu spielen, sondern bewegen sich auch nach oben und unten. Das macht die Orientierung nicht einfacher. Man muss sich in alle Richtungen nach dem Gegner umsehen und nach einem Mannschaftskameraden Ausschau halten. Der gelbe Ball könnte von überall kommen. Das schafft aber auch Möglichkeiten: Schnell über den Gegner wegschwimmen oder den Ball nach unten fallen lassen.

Der Tauchklub Oberland hat lange Zeit in der Landesliga gespielt, gerade spielt er nur für sich. "Wir haben zwei halbe Mannschaften", sagt Grabsch und meint damit eine halbe aus Kinder und Jugendlichen und eine halbe aus Erwachsenen. Grabsch würde gerne wieder selbst in den aktiven Spielbetrieb einsteigen - sobald ein paar der jüngeren Spieler etwas besser geworden seien. Das Alter spiele bei dem Sport keine Rolle, sagt Grabsch: "Unsere beste Torfrau war 14". Wer beim Unterwasser-Rugby im Tor steht, muss vollen Körpereinsatz zeigen. Meist versucht er sich auf den Torkorb zu legen, um einen möglichst großen Teil davon zu verdecken. Dabei braucht er einen langen Atem: Während rund um das Tor das Gerangel um den Ball tobt, die Spieler auf- und abtauchen, muss er die Luft anhalten und ausharren. Irgendwann wird er von den Gegnern dann trotzdem zur Seite geschoben - und eine der Zwillinge schiebt den neonfarbenen Ball in den Korb.

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