Unter tosendem Applaus:Atemlose Zeitreise

Das P-Seminar "Bewegungskünste" und junge Akrobaten des Gymnasiums Schäftlarn entführen ihr Publikum von der Steinzeit bis in eine ferne Zukunft

Von Thekla Krausseneck, Schäftlarn

Mutig muss man sein, um als Schüler vor einer großen Menschenmenge aufzutreten. Mutig wie Helene Böck aus der sechsten Klasse: Die Elfjährige dreht sich hoch über dem Boden in eine Schlaufe ein, streckt die Beine aus und biegt den Rücken durch, als wäre sie schwerelos. Und eine ganze Aula voller Menschen sieht zu. Das Praxis-Seminar "Bewegungskünste" und die Akrobatikgruppe des Gymnasiums Schäftlarn haben gemeinsam eine Aufführung konzipiert, die ihrem Publikum den Atem stocken lässt. Am Ende - und dazwischen - gibt es tosenden Applaus.

Von der Organisation über das Catering und die Deko bis hin zur Choreografie, Technik und Pressearbeit haben die Schüler alles allein auf die Beine gestellt. Die Lehrerin Judith Tillmann betreute und unterstützte sie nur dann, wenn es nötig war; den Ton gaben die Schüler an. Das Ergebnis sieht professionell aus: In der Turnhalle hängt ein Himmel aus Lichterketten, eine Bar bietet Limonaden und Wein an, ein Weihnachtsbaum schillert; nebenan bebt die Halle unter Trommelschlägen, Technobeats und Filmmusik, während die Schüler zeigen, was in ihnen steckt.

Eingebettet sind die Kunststücke in eine Rahmenhandlung, die unter dem Titel "Zeitlos" steht. Die Geschwister Johannes und Vici - gespielt von Johannes Lorenz und Victoria Fladner - entdecken auf dem Speicher ihres Großvaters (Lehrer Alwin Sauer) eine Zeitmaschine. Kurzerhand probieren sie das Gerät aus und landen in der Steinzeit, wo gerade das Feuer entdeckt wird. Danach geht es weiter in die Zukunft, ins Jahr 3017, in der kaum noch Menschen zu erkennen sind, weil alles elektronisch glimmt und knistert. Als die beiden versuchen, nach Hause zurückzukehren, erleben sie die knallbunten Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahre mit. Jede Station stellen die Akrobaten mit fantasievollen und gewagten Kunststücken am Boden und in der Luft dar, mit Tanz und Jonglage, Schatten- und Neon-Effekten, Trampolin und Trapez, Aerobic, Diabolos und einem Schwebebalken.

Da ist etwa der weiße Vorhang, der vor der Bühne heruntergelassen wird. Von hinten im warmen Rot eines Sonnenuntergangs angestrahlt, verwandelt er die Körper der Akrobaten in Schatten. Sie stellen sich hintereinander, fächern die Arme auf, lehnen sich zur Seite und werden zu einer mehrköpfigen Gottheit aus einem fernen Land. Als Johannes und Vici unter Blitzlichtgewitter und quellenden Nebelwolken mit der Zeitmaschine in der Zukunft ankommen, ist alles stockfinster: Weiß gekleidete Akrobatinnen stapeln und verbiegen sich zu gewagten Figuren, gestützt, getragen oder hochgehoben von dunklen Gestalten, die im Schwarzlicht komplett unsichtbar werden. Ein surreales Schauspiel. In einer anderen Episode springen Turner in neonorangeroten Strumpfhosen auf die Bühne, von der Hüfte an aufwärts ganz in Schwarz, so dass nur ihre tanzenden Beinpaare zu sehen sind.

Nach der elektrisch glühenden Zukunft kommt die ungezwungene Zeit des Flowerpowers. Die beginnt nicht nur mit einer Aerobic-Einlage, sondern wird auch von der passenden Musik begleitet, wie John Lennons "Power to the People" und "Imagine". Die Jüngsten stürmen die Bühne Saltos schlagend, turnen auf dem Trampolin. Zwei Schülerinnen schweben am Trapez über dem Boden: Eine lässt sich plötzlich fallen und hängt, lang ausgestreckt, nur noch an einem Arm und Fuß ihrer Mitschülerin. Das Publikum feiert die 74 Akrobaten für solch gewagte Figuren, aber auch, wenn mal etwas schiefgeht. Fällt eine Schülerin vom Schwebebalken, gelingt eine Figur nicht, ist eine Kerze nicht ganz gerade, gibt es trotzdem - oder gerade deswegen - einen Applaus, der neuen Mut weckt.

Als die Zeitmaschine wieder in der Gegenwart landet, sind Vici und Johannes ihrem Großvater eine Erklärung schuldig - glauben sie zumindest. Denn wie sich herausstellt, war dieser nur ein paar Minuten lang weg. "Das war der absolute Hammer", sagt Johannes. Und damit hat er recht.

Eine zweite Vorstellung gibt es am Freitag, 17. November, von 19 Uhr an in der Turnhalle des Gymnasiums Kloster Schäftlarn. Der Eintritt ist frei.

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