Tutzing:Außergewöhnliches Experiment

Die Akademie für Politische Bildung macht mit dem "Parlament der Generationen" den demografischen Wandel erlebbar

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Werden sich Politiker in ein paar Jahren nur noch mit Rentenfragen beschäftigen und alles rund um Kinderbetreuung für vernachlässigbar halten? Was bedeutet die zunehmende Überalterung der deutschen Gesellschaft für die Politik? Das will die Tutzinger Akademie für Politische Bildung (APB) in einem außergewöhnlichen Experiment untersuchen. Am 2. und 3. Juni treffen sich 150 freiwillige Akteure - ein Querschnitt der aktuellen Bevölkerung - im Bayerischen Landtag. Sie simulieren im "Parlament der Generationen", wie der demografische Wandel die politische Meinungsbildung und das Entscheidungsverhalten beeinflusst.

Etwa ein Fünftel aller Bundesbürger sind derzeit über 67 Jahre alt - im Jahr 2050 wird ihr Anteil nahezu verdoppelt haben - auf mehr als ein Drittel der Bevölkerung. "Die Deutschen werden aber nicht nur älter, sondern auch weniger. Und die Vielfalt von Kulturen und Lebensformen nimmt spürbar zu", beobachtet Akademie-Direktorin Ursula Münch. Die großen Fragen seien dann: Nehmen die Interessenkonflikte zwischen den Generationen zwangsläufig zu oder werden die gemeinsamen Interessen und die Solidarität zwischen den Altersgruppen überwiegen?

Maximilianeum - Bayerischer Landtag

Das "Parlament der Generationen" debattiert im Bayerischen Landtag.

(Foto: Marc Müller/dpa)

Um sich diesen Fragen zu nähern, laden der Bayerische Landtag und die Akademie für Politische Bildung gemeinsam zum Parlament der Generationen ein. Diese wissenschaftlich begleitete, zweitägige Politiksimulation ist ein innovatives Forum, bei dem die Teilnehmer in die Rolle von Parlamentariern schlüpfen. Sie diskutieren über Fragen der Bildungs- und Sozialpolitik, ringen gemeinsam um Lösungen und müssen auch Entscheidungen treffen.

Für die von der Akademie für Politische Bildung konzipierte Veranstaltung haben sich 250 Interessenten aus ganz Bayern beworben. Die 150 verfügbaren Abgeordnetensitze wurden nach Auskunft der Veranstalter anhand demografischer Merkmale der Bewerber besetzt: mit jungen und alten Menschen, mit Frauen und Männern, mit Bewohnern von Städten und des ländlichen Raumes, mit und ohne Migrationshintergrund.

Die Präsidentin des Bayerischen Landtags Barbara Stamm wird das "Parlament der Generationen" am Donnerstag, 2. Juni, eröffnen. Mitglieder des Landesparlaments stehen den Mitwirkenden zum Erfahrungsaustausch zur Verfügung. Ursula Münch verweist auf das Besondere der Simulation: "Während die eine Hälfte der Teilnehmer die gegenwärtige Bevölkerungsstruktur Deutschlands widerspiegelt, repräsentiert die andere Hälfte hinsichtlich Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund die Gesellschaft des Jahres 2050." Beide Gruppen bildeten jeweils ein eigenständiges Parlament und berieten unabhängig voneinander. So lasse sich am Ende die Frage beantworten, ob und inwiefern die veränderten demografischen Bedingungen das jeweilige Diskussions- und Entscheidungsverhalten beeinflussen.

So werde für die Teilnehmer der demografische Wandel zu einer konkret erlebbaren Größe. Sie könnten erfahren, wie er sich auf das tägliche Miteinander am Wohnort, an ihrer Arbeitsstätte oder in anderen Lebensbereichen auswirke und wie die Politik darauf reagieren könne. "Das Parlament der Generationen ist ein einzigartiges Experiment, das Einblicke in unsere Zukunft gewährt", ist Münch überzeugt. Politik und Wissenschaft könnten die Erfahrungen und Ergebnisse aus den Diskussionen im Parlament der Generationen beim künftigen Umgang mit dem demografischen Wandel nutzen.

Das "Parlament der Generationen" in München ist nicht das erste seiner Art. Das fand im Jahr 2013 erstmals im ehemaligen Sitz des Deutschen Bundestags in Bonn statt. Was das Rollenspiel - auch damals von der Politischen Akademie initiiert - zeigte, lässt hoffen: Sowohl das Parlament 2013 als auch das Parlament 2050 setzten sich im Bildungsbereich für mehr Investitionen für die vorschulische und schulische Bildung von Kindern ein. Auch im Ausschuss Regionen sahen alle den Ausbau der Kinderbetreuung neben dem Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und der Versorgung pflegebedürftiger Menschen als zentrales Handlungsfeld für schrumpfende Regionen. Vor dem Hintergrund der alternden Gesellschaft, den belasteten sozialen Sicherungssystemen und dem Druck auf junge Familien warben beide Parlamente - 2013 und 2050 - für bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Die Veranstaltung kommende Woche in München stößt auf breites Interesse. So kommen auch Vertreter von Firmen und aus dem Landtag von Thüringen. Letztere liebäugeln mit einer Kopie im eigenen Haus.

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