Leonhardifahrt in Bad Tölz:Der Stolz des Jaudnbauern

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Nikolaus Seidl ist seit 53 Jahren bei der Leonhardifahrt dabei - wie sein Vater und sein Großvater vor ihm. Nun übernimmt sein Sohn.

Von Dorothée Nowotny

Die Pferde recken ihre Nüstern in die Luft und schnauben. Dunkle, braune Augen blicken auf Nikolaus Seidl herunter. Stolz führt er die beiden süddeutschen Kaltblüter Passita und Max über den Hof. Max und Passita sind zwei der drei Leonhardipferde des Jaudnhofs. Frisch beschlagen klappern ihre Hufe auf dem Teer. Der Jaudnbauer, Nikolaus Seidl, streichelt die dunklen Mähnen. Noch sind die Rösser dreckig, nach einem langen Tag auf der Weide. Doch mit Pferdeshampoo wird die Mähne weich wie Seide.

Für Nikolaus Seidl, dessen Hof an der Lehenstraße in Wackersberg seit 1926 besteht, ist die Pferdewallfahrt neben der Fronleichnamsprozession der wichtigste Feiertag des Jahres. Mit elf Jahren war er zum ersten Mal richtig dabei: Als Musikant der Stadtkapelle von Tölz. Das ist jetzt 53 Jahre her, und inzwischen stellt Seidl eines der Fuhrwerke. Sein Sohn, Nikolaus Seidl junior, darf es dieses Jahr zum ersten Mal bei der Wallfahrt lenken. Damit bleibt eine wichtige Tradition der Seidls erhalten: Schon der Großvater von Nikolaus Seidl war Fuhrmann bei der Leonhardifahrt. Der derzeitige Jaudnbauer selbst kutschierte 18 Mal.

Die Vorbereitungen für die Leonhardifahrt sind aufwendig. Mehrere Tage arbeiten die Bauern und auch die Mädchen, die bei der Fahrt im Wagen sitzen, um sich auf die Wallfahrt vorzubereiten. Am Tag der Leonhardifahrt steht Seidl um halb vier Uhr morgens auf, um die Pferde zu füttern. Aus Hafer, Heu und Wasser besteht das Power-Frühstück der Pferde für den anstrengenden Tag. Danach flechten die Mädchen ihnen die Mähnen und verzieren sie mit Röschen. Um sieben Uhr geht es mit dem geschmückten Tafelwagen nach Tölz. Für Seidl ist das recht stressig, manchmal habe er sogar die Schnauze voll. "Doch am Ende ist es immer ein extrem schöner Tag und ich bin unglaublich stolz mitzufahren."

Wallach Max wird unruhig. Irgendetwas hat ihn erschreckt. Er bricht aus, bäumt sich auf. "Max was ist denn los? Beruhig dich!", ruft Seidl. Auch Passita ist verunsichert. 2014 gab es einen Unfall bei der Leonhardifahrt. Das Gespann eines Wagens aus Dietramszell scheute, ging durch, der Truhenwagen mit zwölf Frauen stürzte um. Zwei Frauen wurden schwer verletzt. Nikolaus Seidl sagt, Pferde erschreckten sich eben schnell, oft könne man den Grund nicht genau sagen. Doch Unfälle seien eine Seltenheit. Die Pferde auf dem Jaudnhof seien das Ziehen von Wägen oder Kutschen und viele Menschen gewöhnt. Im Winter bietet der Hof Schlittenfahrten an - die Pferde bekommen so Bewegung und Routine. "Das Schlimmste für's Pferd ist, wenn es keine Bewegung hat", sagt Seidl. Das diesjährige Gespann, bestehend aus Passita, Max, Paula und Pia, zwischen vier und vierzehn Jahre alt, ist erprobt. Schon zweimal wurden die Rösser zur Übung miteinander eingespannt.

Für Seidls Sohn wird die erste Leonhardifahrt eine Herausforderung. Der Vater ist nur als "Brettlhupfer" dabei, muss also bremsen oder die Pferde durch enge Kurven lenken. Fast jedes Jahr blieben Wägen am steilen Maierbräugasteig hängen. "Das ist für die Pferdebesitzer interessant zu sehen, wer das schafft und wer nicht", schmunzelt Seidl. Man müsse in der Lage sein, Pferde zu führen. Seidl junior hat vor zwei Jahren einen Pferdeführerschein gemacht. Der Vater hat mit dem Sohn geübt und vollstes Vertrauen.

Die Kaltblüter haben sich wieder beruhigt und schnauben in einem regelmäßigen Takt. Der Landwirt führt die beiden zurück in den Stall. Mit erhobenen Haupt stolzieren die Pferde vom Hof. Sie hinterlassen einen Haufen aromatisch duftender Pferdeäpfel.

Seidl senior hat erst eine Leonhardifahrt verpasst. Damals lag er im Krankenhaus, das Bein in einem dicken Gips. "Ich musste im Bett liegen und habe die Glocken und die Musik gehört", sagt er. "Das war nicht schön."

© SZ vom 04.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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