Tracht:Die älteste bayerische Lederhose sieht aus wie neu

Oberhaching, Wagner-Haus, Alexander Wandinger präsentiert eine 206 Jahre alte Lederhose,

Alexander Wandinger vom Trachten-Informationszentrum in Benediktbeuern hat schon lange ein Auge auf die Oberhachinger Lederhose geworfen.

(Foto: Claus Schunk)

Das Meisterstück von Anton Baptist Moser aus dem Jahr 1810 wurde nie getragen. Die Hirschlederne wird nun im Trachten-Informationszentrum Benediktbeuern konserviert.

Von Lenja Hülsmann

Weißgegerbtes Hirschleder, Perlmuttknöpfe, feinster Steppstich - unter einer Glashaube im Wagnerhaus ruht eine ganz besondere Lederhose. Ausnahmsweise. Denn eigentlich muss das "bayerische Nationalheiligtum", wie der Oberhachinger Bürgermeister Stefan Schelle das Traditionskleidungsstück nennt, mit Seidenpapier verpackt in einem Karton aufbewahrt werden. 207 Jahre wurde das ungetragene Unikat nun schon so gepflegt. Und es hat sich gelohnt: Das Meisterstück von Anton Baptist Moser aus Oberhaching blieb bis heute unversehrt.

Begeistert begutachtet Alexander Wandinger, Leiter des Trachten-Informationszentrums des Bezirks Oberbayern in Benediktbeuern, die "überragend handwerkliche Qualität" der Lederhose aus dem Jahr 1810. Er kann es immer noch nicht fassen, dass sie nach Benediktbeuern kommt. Seit 30 Jahren habe er darüber nachgedacht, wo die Hose einmal landen würde. Vor einem Monat kam dann ein Anruf vom Oberhachinger Bürgermeister. "Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die Besitzer einer solchen Hose den hohen Wert erkennen", sagt Wandinger.

Nach dem Tod von Säcklermeister Erich Moser, dem Ururenkel von Anton Baptist, im Frühjahr dieses Jahres gibt es keinen Nachfahren mehr, der den Beruf ausübt. Auch die Leder-Werkstatt in Oberhaching ist seit 2015 geschlossen. "Uns ist es wichtig, dass die Lederhose richtig gelagert wird. Das können wir zuhause nicht leisten", erklärte Mosers Sohn Klaus Fein. Die Entscheidung habe er mit seinen beiden Brüdern getroffen und im Sinne des Vaters gehandelt. Es sei jedoch nur eine Leihgabe. Die Hose bleibe in Familienbesitz und man könne sie sich jederzeit anschauen.

Trachtenexperte Alexander Wandinger weiß das zu schätzen: "10 000 Euro würde so eine Hose heute neu kosten", schätzt er. "Wenn es denn überhaupt jemanden gibt, der den Steppstich noch so fein beherrscht." Hirsche, Gämsen, Füchse und Jäger umrankt von Ornamenten sind heute noch genauso gut zu erkennen wie vor 207 Jahren. Nur die blaue Farbe der Stickerei ist verblichen. Das Stück sei ein echtes Vorbild für heutige Lederhosen-Schneider. "Ich rechne damit, dass sich alle Säckler und viele Liebhaber die Hose der Königsklasse anschauen möchten", sagt der Trachtenexperte. Es handle sich um ein Inkunabelstück, das früheste Zeugnis einer Lederhose, die typisch für die bayerische Tracht ist. Einzigartig ist die Lederhose nicht nur aufgrund ihres Alters, sondern auch wegen ihrer Farbe. Anfang des 19. Jahrhunderts färbte man das Traditionskleidungsstück für gewöhnlich dunkel, ähnlich wie heutige Oktoberfesthosen.

In der Produktion von Lederhosen habe sich seit 1810 auch einiges verändert. Nähmaschinen gibt es zwar seit 1860, Säckler haben jedoch noch bis Ende des 19. Jahrhunderts per Hand genäht. Die Stickerei wird bis heute in kleinen Betrieben händisch erledigt. Auch auf die Qualität des Leders müsse man mittlerweile achten. "Früher war es selbstverständlich, dass nur gutes Leder angeboten wurde. Heute kommt geeignetes Leder aus Bayern, der Schweiz, Österreich und Neuseeland", weiß Experte Alexander Wandinger.

Und auch Bürgermeister Stefan Schelle, selbst Lederhosen-Träger, hat einige Tipps für den Trachtenkauf: "Lieber einmal eine gescheite Lederhose kaufen als fünf Wegwerfhosen", rät er. Ab 700 Euro habe die Hose eine gute Qualität. "Maßgeschneidert muss sie natürlich nicht sein." Wichtig sei außerdem, dass die Hose eng sitze. "Das macht einen schönen Knackpo", sagt Schelle und lacht. Seine neueste Lederhose sei 20 Jahre alt und passe immer noch. "Man kann ruhig ein paar Kilo zunehmen. Die Trachtenhose wächst mit", weiß er aus eigener Erfahrung.

Die 207 Jahre alte Lederhose kann man am kommenden Samstag von 15 Uhr an im Wagnerhaus am Hubertusplatz 3 in Oberhaching bei der 20-Jahr-Feier des Fördervereins im Glaskasten bestaunen. Anschließend wird die Hose wieder in einem dunklen Karton aufbewahrt, der im Trachten-Informationszentrum in Benediktbeuern nur nach Bedarf geöffnet wird. Ohne Knicke und Sonneneinstrahlung soll die Hose so noch einige Oktoberfeste überstehen - ohne getragen zu werden, versteht sich.

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