Tollhub :Runder Geburtstag mit skurrilen Typen

Das Penzberger Kleinkunstfestival jährt sich in diesem Sommer zum 20. Mal. Den Jubiläumsauftakt macht ein altbekannter Gast: Der Kabarettist Andreas Giebel beglückt sein Publikum in der randvollen Tenne von Gut Hub

Von Sabine Näher, Penzberg

Zum Glück hat die Schafskälte in den vergangenen Tagen für Abkühlung gesorgt. Man wagt sich kaum auszumalen, welche Saunatemperaturen die restlos ausverkaufte Tenne auf Gut Hub am Freitagabend sonst entwickelt hätte. Wer aus der angenehmen Abendkühle des Biergartens im Café-Bistro gegenüber kommt, empfindet die Tenne auch so schon als mächtig aufgeheizt. Das liegt sicher auch an der aufgekratzten Stimmung des erwartungsfrohen Publikums. "Seit 1998 sind wir mit der Kleinkunst Penzberg nun schon hier oben auf Gut Hub", erzählt Evi Mummert, die Hauptorganisatorin des Festivals Tollhub. "Dass dieses mittlerweile auch überregional einen Namen hat, ist nicht zuletzt den rund 50 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern zu danken, die auch dieses Jahr wieder unermüdlich im Einsatz sind." Noch während sie ihren Dank ausspricht, entert eine Delegation die Bühne: "Liebe Evi, ohne Dich gäbe es dieses Tollhub nicht!" Ein großer Blumenstrauß, herzliche Umarmungen - und weitere Dankesbekundungen mit noch mehr Blumen von Bürgermeisterin Elke Zehetner folgen. Die dank vieler helfender Hände gut organisierte Kleinkunst gibt es in Penzberg eigentlich schon fünf Jahre länger, nämlich seit 1993. So könnte 2018 sogar das 25-jährige Jubiläum gefeiert werden.

Toll Hub Festival

Martialisch aber nicht zum Fürchten sind die Wikinger, die beim Tollhub ihr Zeltlager auf Gut Hub aufgeschlagen haben.

(Foto: Manfred Neubauer)

Dazu passt bestens, dass der Künstler, der Tollhub dieses Jahr eröffnet, heute zum fünften Mal da ist - und seinerseits gerade auch doppelten Grund zum Feiern hatte: "Ich bin 60 geworden und hatte meinen 20. Hochzeitstag. Des hamma z'ammg'legt, damit i's net vergiss", erklärt Andreas Giebel freimütig und hat damit schon die ersten Lacher auf seiner Seite. Und der Fahrplan für die kommenden zweieinhalb Stunden ist damit auch schon vorgegeben: Giebel macht weder philosophisch überhöhtes Kabarett für Akademiker, noch ist er ein aus politischen Überzeugungen Getriebener mit missionarischen Ambitionen. Er will die Leute einfach nur gut unterhalten und schöpft die Themen für sein Programm aus dem vertrauten Alltag. Dass er die alltäglichen Begegnungen auf der Bühne zuspitzt und karikiert, versteht sich von selbst. Aber zumindest die Ausgangssituationen seiner Stories sind aus dem Leben des Normalbürgers gegriffen, der sich folglich in den Schilderungen Giebels wiederfinden kann.

Toll Hub Festival

Utensilien der Wikinger vom Lechtal.

(Foto: Manfred Neubauer)

Ein ganzes Sammelsurium skurriler Gestalten, zusammengesetzt aus den Bewohnern seines Viertels, fährt der Kabarettist auf - und lässt sie unvergleichlich Gestalt annehmen. Da entsteht ein eigener Kosmos vor dem inneren Augen des Zuhörers, der die fehlenden Bilder im Kopf zu einem Film ergänzt, bei dem Helmut Dietl Regie geführt haben könnte. Wie eine Fortsetzung der "Münchner Geschichten" mutet an, was Giebel im Alleingang auf der Bühne entstehen lässt. Da gibt es den Maler, der immer nur einzelne Punkte auf die Leinwand setzt, sodass man sehr weit zurück treten muss, um zu erkennen, was er auf seinen Gemälden darstellt. "Er is a Akt-Pointer: Do musst di nackert histell'n!" TroDas Bühnen-Alter- Ego Giebels steht ihm dennoch bereitwillig Modell. Mit Hintergedanken. Denn auch die hübsche Blumenverkäuferin von gegenüber hat sich abbilden lassen; spätestens bei der Vernissage könnten sich also interessante Anknüpfungspunkte ergeben. Wer bei ihr kauft, erhält übrigens lebenskluge Beratung gratis dazu: "So, an Strauss wolln's. Für die Gattin oder ist es was Frisches? Noch nicht so lang? Da würd' ich sagen: 80 Euro. Wenn's dann nicht hält, kann sie wenigstens sagen: Aber die Blumen waren schön!"

Toll Hub Festival

Schöne Aussicht: Seen, Berge und die Hubkapelle.

(Foto: Manfred Neubauer)

Auch Zeiterscheinungen prangert Giebel an - etwa die, für alle weiteren Auskünfte oder Erklärungen, ob man sie nun vom Nachrichtensprecher oder vom Arzt erhofft, auf die entsprechende Internetseite verwiesen zu werden. "Da triffst an Spezl und fragst: 'Na, wie geht's?' Sagt der: 'Na, da schau doch nach...!" Oder Flugzeugsitze, für die "Magersucht-Models" testgesessen haben müssen, weil ein gestandenes Mannsbild wie Giebel beim besten Willen nicht in sie hineinpasst und auf dem gesamten 14-stündigen Flug mit dem Getränkewagerl kollidiert. Oder der Irrweg durch den neuen Supermarkt, bei dem es ständig etwas zu verkosten gibt, bis der angeheiterte Einkäufer vor lauter Küstennebel, Blutwurz und Brandy die Kasse nicht mehr findet, um die angehäuften 14 Kilo Tomaten zu bezahlen.

Seit Jahren sammelt die Bühnenfigur Giebels Material für einen Roman. Sätze, die ihn beeindrucken, schreibt er sofort auf. "Die Handlung kommt später!" Und bei der Beerdigung des Malers, die tragischerweise mit der Vernissage seiner Aktbilder zusammenfällt, hat ein Spezl wenigstens schon mal die Idee für einen genialen Titel: "Das Rauschen in den Bäumen". Das berauschte Publikum in der nun doch dampfigen Tenne feiert Giebel jedenfalls ausgiebig. Und von Mummert gibt's statt Blumen eine Magnumflasche - kein Champagner, sondern bayerisches Spezialbier.

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