Tölzer Prügel:Freiheit für die Stadträte!

Wer in Wolfratshausen was wissen will, der muss nur die entsprechende Satzung geschickt anwenden

Von Matthias Köpf

Die Stadt Wolfratshausen hat mit Wirkung vom 1. Juli 2014 eine Informationsfreiheitssatzung, und nicht einmal ein Jahr nach dem Inkrafttreten ist ihre Stunde nun gekommen: Dank dieser erstmals angewandten Satzung hat nun tatsächlich der erste Wolfratshauser Stadtrat einen Blick in den Betreibervertrag für die Loisachhalle nehmen dürfen, den die Stadt Anfang 2007 mit der Loisachauen GmbH des Hofbräuhauses Traunstein geschlossen hat. Die damaligen Stadträte hatten davor zwar einen Vertrag gebilligt, von dem aber bis heute nicht ganz klar ist, ob es wirklich genau derselbe gewesen ist, der dann vom damaligen Bürgermeister Reiner Berchtold (SPD) und dem damaligen Hofbräu Dietrich Sailer unterzeichnet wurde. Denn auch vor ihrem Beschluss hatten die Räte das Papier offenbar nicht wirklich zu Gesicht, sondern lediglich auszugsweise vorgelesen bekommen.

Das alte Geheimnis muss nach Ansicht Sailers und des heutigen Bürgermeisters Klaus Heilinglechner (BVW) jedenfalls eins bleiben, weil es sich um einen privatwirtschaftlichen Vertrag handele, der also die heutigen Nachfolger der damaligen Beschlussfasser und auch diese selbst nichts mehr angehe. Ebenso wenig gehe es natürlich auch diesen einen Bürger etwas an, der den Vertrag einsehen will und sich dazu nun auf die Informationsfreiheitssatzung berufen hat. Laut Satzung muss aber der Informationsfreiheitsbeauftragte prüfen, ob der Vertrag dem Bürger zurecht vorenthalten wird, und dazu wiederum muss er eben selbst in den Vertrag schauen. Das hat Manfred Menke (SPD) nach eigenen Angaben nun vor ein paar Tagen getan und das Papier eine gute halbe Stunde lang quergelesen - aber nicht als Stadtrat, wie er betont, sondern in seiner Funktion als Informationsfreiheitsbeauftragter, weshalb er als Stadtrat dazu künftig schweigen werde, und als Informationsfreiheitsbeauftragter sowieso.

Damit scheint sich an der Informationsfreiheit der Stadträte nicht viel verändert zu haben, doch in Wirklichkeit haben sie die Hand nun praktisch am Aktendeckel. Denn sie bräuchten nur noch per Mehrheitsbeschluss die Informationsfreiheitssatzung ändern und sich allesamt gegenseitig als Informationsfreiheitsbeauftragte einsetzten. Dann könnte jeweils ein Stadtrat in seiner Funktion als Bürger einen jeweils anderen Stadtrat in dessen Funktion als Informationsfreiheitsbeauftragter anrufen, damit dieser dann eine halbe Stunde lang den Vertrag querlesen darf. Wenn sie das gut organisieren, dann werden sich sie Stadträte auf diese Weise schon umfassend informieren können. Schweigen müssten sie darüber aber natürlich schon. Und damit wäre dann womöglich auch Sailer und der Stadtverwaltung geholfen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: