Tölzer Orgelfesttage:"Mit Pauken und Trompeten" droht das Aus

Tölzer Orgelfesttage: Ein Bild aus gemeinsamen Tagen: Sepp van Hüllen (links) und Hansjörg Albrecht vor der kleinen Orgel in der Tölzer Stadtpfarrkirche.

Ein Bild aus gemeinsamen Tagen: Sepp van Hüllen (links) und Hansjörg Albrecht vor der kleinen Orgel in der Tölzer Stadtpfarrkirche.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Falls sich kein neuer Organisator findet, werden die Tölzer Orgelfesttage im zehnten Jahr ihres Bestehens eingestellt.

Von Sabine Näher

Bei mehreren Flaschen Rotwein am Rande des finnischen Kuhmo Chambermusic Festivals wurden sie einst aus der Taufe gehoben: die Tölzer Orgelfesttage. Der in München wirkende Organist, Chorleiter und Dirigent Hansjörg Albrecht und der in Gaißach lebende Musikenthusiast Sepp van Hüllen waren sich dort begegnet und hatten - von Fan zu Musiker - ihre Freundschaft begründet. Aus der Einladung an Albrecht, ein Orgelkonzert in der Tölzer Franziskanerkirche zu geben, entstand bald die Idee, regelmäßig übers Jahr vier große Konzerte mit renommierten Organisten aus aller Welt zu veranstalten. "Wir haben mittlerweile einen so guten Namen, dass berühmte Musiker von sich aus anfragen, ob sie bei uns auftreten dürfen", erzählt van Hüllen.

Das führt er vor allem darauf zurück, dass den Gästen hier eine perfekte Rundum-Betreuung geboten wird. Sie werden nicht nur vom Flughafen oder Bahnhof abgeholt und ins Hotel beziehungsweise zum Konzertort gebracht, sondern zum Essen und sogar zu Ausflügen in die überaus reizvolle Umgebung eingeladen. Für diese Betreuung vor Ort ist bisher Sepp van Hüllen zuständig, der darüber hinaus auch die finanziellen Belange regelt und sich um die Mitgliederkontakte des 2010 gegründeten Vereins der Freunde und Förderer der Orgelkunst im Tölzer Oberland kümmert. Hansjörg Albrecht als der Künstlerische Leiter hat die Programme mit den Künstlern geplant und die einführenden Texte zu allen Konzerten verfasst.

Nun stehen beide, ausgerechnet im zehnten Jahr des Bestehens, das "Mit Pauken und Trompeten" gefeiert werden sollte, nicht mehr zur Verfügung. Albrecht will sich künftig stärker dem Dirigieren zuwenden und mit auswärtigen Orchestern arbeiten, und zwar sowohl auf dem Konzertpodium als auch auf der Opernbühne. In diesem Jahr schon ist er bei keinem der Tölzer Konzerte anwesend, wenn er nicht selbst auf der Orgelbank sitzt. "Und es wird immer schwieriger, ihn zu erreichen, um anstehende Fragen zum Festival besprechen zu können", erklärt van Hüllen.

Das alleine wäre für ihn allerdings noch kein Grund, sein Engagement einzustellen. Aber er ist so schwer erkrankt, dass ihm schlicht die Kraft dafür fehlt und seine Ärzte ihn ermahnen, sich nur noch ganz stressfrei zu beschäftigen. Das Loslassen fällt ihm nicht leicht, hat er sich über die letzten zehn Jahre doch in bisher völlig unbekannte Fragen eingearbeitet und ein immenses Knowhow erworben. Zum anderen hat er die wunderbaren Begegnungen mit Künstlern aus aller Welt schätzen gelernt, die ihn nicht nur musikalisch sehr bereichert haben. Denn nur als Konzertbesucher hätte er einen solch intensiven Kontakt und Austausch mit den Musikern nie erleben können.

Aus den Reihen des 30 Mitglieder zählenden Vereins will niemand seine Nachfolge antreten - aus Mangel an Zeit, Kenntnissen oder Bereitschaft, sich ehrenamtlich in solch hohem Maß zu engagieren. Die Mitglieder leisten ihren Vereinsbeitrag, ohne einen materiellen Vorteil davon zu haben und bezahlen sogar noch die Karten für ihren Konzertbesuch. Und der Vorstand arbeitet unentgeltlich. "Die Einladungen an die Künstler habe ich aus eigener Tasche beigesteuert. Dafür hätten die Vereinseinnahmen gar nicht ausgereicht", erklärt von Hüllen. Der gebürtige Krefelder hat in Freiburg, Kiel und Tübingen Jura studiert und sein Referendariat in Düsseldorf abgeleistet. 1977 kam er als Erster Geschäftsführer der Firma Moralt nach Bad Tölz, die zwei Jahre später vom Baustoffkonzern Pfleiderer AG übernommen wurde.

Da hatten die van Hüllens gerade begonnen, ihr Haus in Gaißach zu bauen. Der Jurist wechselte zu Daimler und wurde in der Schweiz eingesetzt. Die Familie, die beiden schulpflichtigen Söhne und die als Lehrerin an der FOS in Bad Tölz tätige Ehefrau, blieben hier. Erst als van Hüllen 1984 nach Südafrika versetzt wurde, kamen seine Frau und der jüngere Sohn mit. Der ältere, mittlerweile Student, hütete das Haus in Gaißach. Nach einer weiteren Tätigkeit in der Schweiz kehrte van Hüllen 2002 als Pensionär wieder ganz in die Region und an den Lebensmittelpunkt der Familie zurück. Nun hatte er die Zeit, sich ausgiebig mit seiner Musikleidenschaft zu befassen, zu Konzerten und Festivals zu reisen - und 2008 selbst als Organisator in der Musiklandschaft aktiv zu werden.

Die für 2018 angekündigten Konzerte werden noch stattfinden. Am 8. Juni kommt der Gewandhausorganist Michael Schönheit mit dem Programm "Bach-Verehrung in Leipzig" nach Tölz, am 28. September der Kölner Domorganist Winfried Bönig und am 30. November gestaltet Albrecht mit dem Münchner Bach-Orchester das Abschlusskonzert. Sollte sich kein Musikliebhaber und Orgelfan finden, der bereit ist, Mühen und Arbeit im Austausch zu einzigartigen Erlebnissen einzubringen, werden die Tölzer Orgelfesttage damit Geschichte sein.

Infos unter www.toelzer-orgelfesttage.de

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