Tölzer Orgelfesttage:Franz Liszt und die Slowakei

Ein Abnd mit der Organistin Zuzana Ferjenčíková

Von Reinhard Szyszka, Bad Tölz

Was hat Franz Liszt mit der Slowakei zu tun? Nichts - sollte man meinen. Liszt fühlte sich als Österreicher, Deutscher, Franzose, Ungar, aber kaum als Slowake. Und dennoch kreist das aktuelle Konzert der Tölzer Orgelfesttage unter der Überschrift "Bilder aus der Slowakei" um Liszt. Wie passt das zusammen? Ein Land namens Slowakei gab es im 19. Jahrhundert noch nicht. Das Gebiet hieß "Oberungarn". Slowakische Musik war also zu Liszts Zeiten ein Sonderfall der ungarischen Musik, und die ungarischen Werke von Liszt bezogen sich auf ganz Ungarn in den damaligen Grenzen und somit auch auf das Gebiet der heutigen Slowakei.

Die slowakische Organistin Zuzana Ferjenčíková aus Bratislava, die an diesem Freitag in der Tölzer Stadtpfarrkirche auftritt, ist Liszt-Expertin. 2011, anlässlich des 200. Geburtstags des Komponisten, hat sie die Wiener Franz-Liszt-Gesellschaft gegründet, deren Vorsitzende sie seither ist. Ebenfalls 2011 hat sie das gesamte Orgelwerk von Liszt aufgeführt. Es gibt wohl wenige Organisten, die gerade mit Liszt und seinem Stil so vertraut sind wie sie. Kein Wunder, dass sie in Bad Tölz hauptsächlich Musik spielt die mit Franz Liszt zu tun hat. Ungewöhnlich allerdings, dass die bekannten Liszt-Orgel-Hits wie "Ad nos, ad salutarem undam" und "Präludium und Fuge über B-A-C-H" nicht dabei sind. Stattdessen beginnt das Konzert mit Liszts "Slavimo slavno slaveni!", was übersetzt bedeutet: "Slawen, lasst uns die ruhmreichen Slawen loben!" Liszt schrieb das Werk 1863 in Rom zum 1000-jährigen Jubiläum der Slawenapostel Kyrill und Method. Durchaus mutig, ausgerechnet in Rom ein solches Werk vorzulegen, denn seit dem Morgenländischen Schisma von 1054 sah sich die römisch-katholische Kirche im strikten Gegensatz zu den Ostkirchen, mit wechselseitiger Exkommunikation. Dass diese 100 Jahre später aufgehoben werden würde, konnte Liszt noch nicht ahnen. Aber der Komponist dachte schon ökumenisch, bevor es dieses Wort gab.

Die weiteren Hauptwerke des Orgelkonzerts hängen mit einem anderen Schwerpunkt von Liszts Schaffen zusammen: den Sinfonischen Dichtungen. Der französische Organist und Komponist Jean Guillou, mit dem Ferjenčíková persönlich bekannt ist, hat Liszts Sinfonische Dichtung "Tasso" für die Orgel arrangiert. Liszt hätte bestimmt nichts dagegen gehabt, hat er doch selbst immer wieder Orchester- und andere Werke für Klavier oder Orgel gesetzt. "Tasso für die Orgel" bildet einen Schwerpunkt des Konzerts. Liszts erste Sinfonische Dichtung heißt "Was man auf dem Berge hört - Bergsinfonie", ein schon wegen seiner Länge selten aufgeführtes Werk. Ferjenčíková hat sich davon zu ihrer eigenen "Bergsymphonie" inspirieren lassen, die Höhepunkt und Ausklang des Konzerts darstellt. Da verschmelzen die Berge, an die Liszt beim Komponieren gedacht hat, mit den Bergen der Slowakei musikalisch zu einer Einheit. Und auf einmal stellt sich heraus, dass Liszt doch sehr viel mit der Slowakei zu tun hat.

Bad Tölz, Kirche Maria Himmelfahrt, Freitag, 8. September, 19.30 Uhr: Orgelkonzert mit Zuzana Ferjenčíková. Karten zu 20 Euro an der Abendkasse

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