"Tölza Garten":Das grüne Klassenzimmer

Ein ökologisches Erfolgsprojekt: Nach zwei Jahren kommen so viele Schulen, dass kein Platz mehr für Erwachsenen-Workshops ist. Leiterin Rose-Marie Beyer ist dafür beim Bundespräsidenten ausgezeichnet worden.

Von Klaus Schieder

Hannah steht im Anorak an einem Tisch im Klostergarten und steckt Hagebutten auf ein Stück Draht. Einen Stirnreif hat sie bereits gebastelt, auf dem die Früchte wie rote Perlen aussehen. Ob das schwierig sei? "Geht", antwortet die Siebenjährige aus der Klasse 2a der Tölzer Südschule. Neben ihr steht die gleichaltrige Azzurra, die noch nicht weiß, ob sie ihre Hagebuttenkette vielleicht verschenkt. Hannah ist sich hingegen sicher: "Ich behalte sie selber." Unterricht im Freien haben die Zweitklässler am Dienstag im "Tölza Garten" des Bundes Naturschutz (BN), auf dem Lehrplan steht das Thema Hecke. "Wir haben fast jeden Tag Schulklassen da", sagt Rose-Marie Beyer. Inzwischen sind es so viele, dass die BN-Ortsvorsitzende im kommenden Jahr ganz auf die Workshops für Erwachsene verzichten will, die bislang samstags stattfanden. Das binde personell zu viele Kapazitäten, sagt sie.

Der "Tölza Garten" mit seinen Lehrbeeten, Stauden, Holzhütten, Gewächshaus und Jurte ist ein Erfolgsprojekt. Seit der Eröffnung im Frühjahr 2014 nahm vor allem die Nachfrage der Schulen stark zu. Sieben Klassen der Jahnschule sind jeweils einmal im Monat in der Anlage neben dem Franziskuszentrum, die zweiten Klassen der Südschule kommen vier Mal im Jahr, aus der Lettenholzschule waren drei Klassen da. Darüber hinaus gibt es 16 von Referenten geleitete Workshops für Erwachsene pro Jahr. Ein siebenköpfiges Team kümmert sich ehrenamtlich um Garten, Unterricht und Kurse. Dafür wurde es heuer mit dem nationalen Ehrenamtspreis "dm-Helferherzen" ausgezeichnet, verbunden mit einer Einladung zum Bürgerfest des Bundespräsidenten Joachim Gauck auf Schloss Bellevue. "Es war total toll, eine richtige Feierstimmung, stahlblauer Himmel - so was erlebt man nur einmal", schwärmt Beyer. Dabei war es eher ein Zufall, dass sie sich mit dem "Tölza Garten" überhaupt beworben hatte. Einen Tag vor Anmeldeschluss surfte sie im Internet, stieß auf den Wettbewerb und schrieb "schnell da hinein, was mir gerade eingefallen ist", sagt Beyer. Mit der Folge, dass die Jury, unter anderem mit Schauspieler Hannes Jaenicke und Reporter Willi Weitzel, das Projekt als einziges für das Bundesland Bayern auswählte. Eine maßgebliche Rolle spielte Juror Felix Finkbeiner, Botschafter von "Plant-for-the-planet". Er sollte am Dienstag in den Klostergarten kommen, um einen Baum zu pflanzen, war aber verhindert. Den Preis sieht Beyer "als schöne Anerkennung für unsere Schufterei".

Immerhin ist das Pfirsichbäumchen schon da, das Finkbeiner pflanzen soll. Herbeigeschafft wurde es von Bürgermeister Josef Janker (CSU), der im eigenen Garten selbst gerne werkelt. Meist am Wochenende, mehr Zeit bleibt ihm nicht. Mit den Äpfeln war es heuer nichts, erzählt er, mit den Zwetschgen schon gar nichts. Aber der Birnbaum hing voll, Holler und Brombeeren wuchsen prächtig. "Das mache ich gerne, es macht einfach Spaß", sagt Janker. Während er den Zweitklässlern bei den Vorbereitungen für einen Holunderpfannkuchen über die Köpfe schaut, erzählt er ihnen, dass er den Holunder bei sich daheim entsaftet und zu Sirup verarbeitet habe. "Da kommt Zucker rein, so dass er dickflüssig ist, das schmeckt ganz süß."

Für Janker ist der Besuch aber nicht bloß leger. Beyer spricht ihn mit dem Wunsch an, ein paar Beete mehr anlegen zu dürfen. "Wir haben zu wenige." Sie hat dafür eine kleine Wiese im Blick. Allerdings müssten die Tölzer Rosentage, die sich auch in den Klostergarten erstrecken, dafür mit drei Ausstellern weniger auskommen. Die Gartenschau findet 2017 erst Anfang Juni statt, der "Tölza Garten" hat seine Hoch-Zeiten zwischen April und Juli und von September bis November. Der Bürgermeister wehrt ab. Die Rosentage hätten Vorrang, sagt er. Die BN-Ortsvorsitzende will darum auch kein Gewese machen: "Wir sind happy, dass wir hier sein dürfen."

Auf Streifzug

"Erntedank - die Natur geht zur Ruh'": Unter diesem Motto veranstaltet der Bund Naturschutz einen botanischen Streifzug für Familien durch die herbstlichen Tölzer Parkanlagen am Samstag, 15. Oktober. Die Eltern und ihre Kinder erfahren dabei, wie sich die Natur auf den Winter vorbereitet. Außerdem geht es um Früchte des Herbstes wie Hagebutte, Schlehen oder Holunderbeeren, die für den Menschen nicht allesamt genießbar, manchmal sogar gefährlich sind. Nur die heimischen Vögel wissen darüber genau Bescheid. Das zeigt Leiterin Aki Schwarzenberger, Kräuterpädagogin und Naturcoach, den Teilnehmern. Start ist um 14 Uhr am Eingang der Franziskanerkirche, die Exkursion dauert etwa zwei Stunden. Notwendig sind feste Schuhe und wettergerechte Kleidung. Um eine vorherige Anmeldung wird gebeten. Dies ist entweder direkt bei Aki Schwarzenberger, Telefon 0172-853 37 95, oder per E-Mail (bad-toelz@bund-naturschutz.de) möglich. Allerdings können Kurzentschlossene auch noch spontan zur Gruppe dazustoßen. sci

Die kleine Hannah weiß noch nicht, ob sie ihre neue Hagebuttenkette einfach Kette sein lässt oder daraus noch eine kleine Krone formt. Neben dem Basteln und dem Pfannkuchenbacken lernen die Kinder auch, wie Igel, Marder oder Laubkäfer in einer Hecke leben. Wenn es erst einmal schneit, wird es im "Tölza Garten" ruhiger sein, allerdings nicht ganz still. Die Schüler lesen dann Tierspuren oder bauen ein Iglu. "Das sind dann aber nur noch ein paar Klassen", sagt Beyer.

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