Theater im Gymnasium:Ein Spiel von Lüge und Liebe

Theater im Gymnasium: Der Pilot und die Stewardessen (v.l.): Hannah Vandewalle, Charlton Olesco und Josephine Jeltsch

Der Pilot und die Stewardessen (v.l.): Hannah Vandewalle, Charlton Olesco und Josephine Jeltsch

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Ickinger P-Seminar zeigt Sagors Stück "Durstige Vögel"

Von Julica Ventour, Icking

Es herrscht Dunkelheit in der Alten Aula des Rainer-Maria-Rilke Gymnasiums. Beleuchtet ist einzig ein Mädchen mit weißer Bluse, Jeans und Pferdeschwanz. Ihre Stimme wechselt zwischen Wut und Zerbrechlichkeit, als sie von den kalten, durstigen Vögel spricht, die den Himmel in Streifen zerschneiden und fetten Tauben gleich alles mit Müll und Lärm bedecken: "Die Kinder heulen und die Vögel lachen. Alles Splitter, alles Scherben." Es ist diese Gegensätzlichkeit von Schein und Sein, Wahrheit und Lüge, Hoffnung und Trostlosigkeit, die am Donnerstag bei der Aufführung des Stückes "Durstige Vögel" von Kristo Sagor aus dem Jahr 2000 zum Thema wird.

Eingebettet in die Kulisse eines Flughafens inszenieren die Schüler des P-Seminars der Q12 die Geschichte der jungen Gundula (gespielt von Caroline Hopfmann), die Flugzeuge hasst und sie mit fetten Vögeln vergleicht. Trotzdem übt der Flughafen eine widersprüchliche Faszination auf sie aus, seit ihr Vater vor einem Jahr bei einem Herzanfall im Flugzeug starb. Caroline Hopfmann lässt dabei das Publikum die innerliche Zerrissenheit der Gundula zwischen Sehnsucht und Geborgenheit spüren. Immer wieder wechselt ihre Stimme, mal ist sie ruhig und fragil, im nächsten Atemzug aufgebracht und laut. "Die Wunden werden größer und verheilen nie wieder", sagt sie, und die Zuschauer können den Schmerz nicht nur in ihrer Stimme hören. Jeder kann sich in die Thematik des Stückes einfinden und wird durch die glaubwürdige schauspielerische Leistung der Schüler in den Bann gezogen.

Besonders "B" (hervorragend gespielt von Jule Filler), ein Heroin spritzender 17-jähriger Junkie, lässt das Publikum verstummen. In rotem Scheinwerferlicht verharrt sie regungslos auf dem verlängerten Laufsteg der sonst dunklen Bühne und offenbart ihren inneren Lebensdurst: "In meinem Königreich gibt es kein Geld, es scheint die Sonne und alle sind nackt." Dass die Rolle der "B" nicht wie im Original vorgesehen von einem männlichen Schauspieler sondern von einer jungen Frau gespielt wird, verleiht dem Stück eine zeitgemäße Brisanz, gesteht "B" doch ihrer gleichgeschlechtlichen Flughafenbekanntschaft Gundula mehrmals ihre Liebe.

Eine weitere Abweichung zum Original ist die musikalische und tänzerische Untermalung einiger Szenen. So tanzt sich beispielsweise Charlton Olesco als Pilot (später im Stück spielt er den Exfreund von Gundula) in die und aus den Herzen seiner Stewardessen. Auch die anderen Figuren wie der obdachlose Tomasz (Tamino Rötzer) und die Ordnungshüterin Schutte (Lisa Röttger) haben während des Bühnenspiels jeweils einen Moment, in dem sie ihre Fassade fallen lassen und die übrigen Schauspieler in den Hintergrund rücken. So entpuppt sich Tomasz als Witwer, dessen schwangere Frau bei einem Autounfall ums Leben kam.

Dabei unterstreicht das karge, dunkle Bühnenbild, das aus zwei grauen Sitzblöcken und einem Snackautomaten besteht, die Thematik des Stückes. Es ist diese düstere Anonymität des Flughafens, welche die Figuren fürchten und suchen. Besonders diese Gegensätze, die Brüchigkeit der Figuren und das offene Setting haben die Organisatoren Andreas Hirth und Gottfried Weber-Jobe an dem modernen Bühnenstück gereizt. Dies passe auch gut zur aktuellen Lebensphase der Teenager, sei aber auch "altersübergreifend gut zugänglich", sagen sie.

Am Ende finden Gundula, Junkie "B" und Tomasz Geborgenheit in sich selbst - und in der Wahrheit: " Ich habe einen Dachschaden. Ich habe Bulimie. Ich lüge von morgens bis abends. Aber die Liebe eines 17-jährigen Mädchens wird alles wieder gut machen?", sagt Gundula bevor sie auf "B" zugeht. Unter dem Gedränge und den Durchsagen des Flughafens umarmen sich die beiden. Die Lichter gehen aus.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: