Kandidat für den Tassilo 2018:Der Kulturbewahrer

Kandidat für den Tassilo 2018: In Wolfratshausen leitet Christian Preißler den Jugendkammerchor und den Kammerchors an der Musikschule, in Germering "Cantabile".

In Wolfratshausen leitet Christian Preißler den Jugendkammerchor und den Kammerchors an der Musikschule, in Germering "Cantabile".

(Foto: Hartmut Pöstges)

Chorleiter Christian Preißler führt Jugendliche an ihnen unbekannte Werke heran.

Von Reinhard Szyszka

Chorleiter, Stimmbildner, Gesangslehrer, Sänger, Organist - die Liste dessen, was Christian Preißler musikalisch macht, ist lang. In Wolfratshausen ist er hauptsächlich als Leiter des Jugendkammerchors und des Kammerchors an der Musikschule bekannt; zusätzlich leitet er den Vokalkreis Cantabile in Germering. Wohnhaft ist der Musiker in Pfaffenhofen an der Ilm, und im benachbarten Pfarrverband Jetzendorf-Steinkirchen schlägt er jeden Sonntag zu mehreren Gottesdiensten die Orgel.

Doch nicht die Quantität ist es, was Preißlers Musizieren auszeichnet, sondern die Qualität. Zu diesem Zweck bietet der ausgebildete Solosänger - Stimmlage Bassbariton - in seinen Chören Gruppen- sowie Einzelstimmbildung an. Auf diese Weise können Schwächen rasch ausgebügelt und ein homogener Chorklang erzielt werden. Der Erfolg gibt dem Musiker Recht. Übrigens führt Preißler interessierte Nachwuchssänger auch an die Chorleitung heran und zeigt ihnen die Technik des Dirigierens, so dass sie gelegentlich mal eine Stimmprobe übernehmen können.

Preißlers herausragendes, nicht hoch genug einzuschätzendes Verdienst ist die musikalische Nachwuchsarbeit. Der Wolfratshauser Kinderchor unter Yoshihisa Kinoshita hat sich über die Jahre hinweg einen ausgezeichneten Ruf ersungen. Doch die Kinder werden älter, und wenn sie wegen des Alters aus dem Kinderchor ausscheiden, dann holt Preißler sie ab und bietet ihnen den Jugendkammerchor, um in gewohnter Qualität weiterzumusizieren. Die männlichen Jugendlichen im Stimmbruch werden in der Mutantengruppe betreut, so dass sie baldmöglichst wieder am Chor teilnehmen können. Auf diese Weise gibt es heute im Jugendkammerchor, ganz untypisch für den Laienchorbereich, ein Übergewicht an Männerstimmen.

Das andere Extrem hat Preißler beim Kammerchor, also dem zugehörigen Erwachsenenchor, erlebt. Als dieser vor einigen Jahren gegründet wurde, meldeten sich so wenige sangesfreudige Herren und so viele Damen, dass es einfach nicht sinnvoll gewesen wäre, als gemischter Chor loszulegen. Daher ist der Kammerchor bis heute ein reiner Frauenchor - was er freilich nicht bis in alle Ewigkeit bleiben muss.

Ganz wichtig ist für Preißler die ehrliche, handgemachte Musik. Nicht die Suche nach der allerneuesten, noch nie dagewesenen Interpretation bestimmt seinen Umgang mit der Kunst, sondern der Dienst am Werk. Ganz demütig versteht sich der Musiker als Dienstleister - zunächst an der Musik, dann am Publikum. Bei der Einstudierung eines neuen Stücks lauten die Fragen: Wie hat es der Komponist gewollt, was hätte dem Komponisten gefallen? Wenn man unter diesen Aspekten an die Musik herangeht, so Preißlers Erfahrung, dann erreicht man auch die Herzen der Menschen. Beim jüngsten Adventskonzert in der Wolfratshauser Pfarrkirche Sankt Andreas haben einige Zuhörer vor Ergriffenheit geweint. Ein höheres Lob kann man den Musikern eigentlich nicht machen.

Doch noch ein anderer Aspekt ist für Preißler wichtig. Er versteht seine musikalische Nachwuchsarbeit als Kampf gegen das, was er "Entkulturisierung" nennt. Der Jugendkammerchor ist keineswegs für Ex-Kinderchor-Leute reserviert, sondern auch für Quereinsteiger offen, und diese Gruppe macht mittlerweile mehr als die Hälfte des Chors aus. Und bei diesen Quereinsteigern erlebt Preißler so einiges - zum Beispiel Jugendliche, die das klassische Weihnachtslied "Vom Himmel hoch, da komm ich her" nicht kennen. Bei solchen Dingen kann sich der Musiker ereifern: "Wenn wir unsere Wurzeln verlieren, dann heißt das Totalausfall." Immerhin kann Preißler in seinem Jugendkammerchor noch das gesamte Repertoire von Schütz bis zur Gegenwart erarbeiten. Von Musiklehrern an allgemeinbildenden Schulen hört er immer wieder, dass dort nur noch die allgemein bekannten Popsongs gesungen werden können, weil die Jugendlichen sich weigern, etwas anderes zu singen. Sie kennen nichts anderes und wollen auch nichts anderes kennenlernen. Gerade in solchen Situationen tun Leute wie Christian Preißler bitter not, um die Erinnerung an unser kulturelles Erbe wachzuhalten.

Leserinnen und Leser der SZ haben noch bis Ende Februar die Gelegenheit, Personen und Gruppen vorzuschlagen, die in ihrem Landkreis oder Stadtviertel künstlerisch wirken oder in der Kulturarbeit aktiv sind. Das Spektrum kann vom Kirchenchor über Kammermusiker bis zur Rockband reichen, vom Volksmusikanten bis zum Videokünstler, Filmemacher oder Veranstalter. Vorschläge können per E-Mail unter tassilo@sueddeutsche.de oder per Post an die SZ Bad Tölz-Wolfratshausen, Untermarkt 2, 82515 Wolfratshausen, geschickt werden. Einsendeschluss ist Mittwoch, 28. Februar

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