"Tag der Flüchtlinge":Lehrreiche Begegnungen

"Tag der Flüchtlinge": Vier Flüchtlinge berichten (v.l.): Hazar Alahmed, Mohammed Kellieh, Ramadan Mohamad Adib, Aigbe Kelly Ogie. René Vollmer (re.) hat es organisiert.

Vier Flüchtlinge berichten (v.l.): Hazar Alahmed, Mohammed Kellieh, Ramadan Mohamad Adib, Aigbe Kelly Ogie. René Vollmer (re.) hat es organisiert.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der "Tag der Flüchtlinge" an der Berufsschule Wolfratshausen ist für Jugendliche die erste Gelegenheit, Asylbewerber und ihre Schicksale kennenzulernen

Von Niklas Gramann, Wolfratshausen

Florian Heiß findet das "saugut": In der Berufsschule Wolfratshausen, in die der 19-Jährige geht, war am Donnerstag "Tag der Flüchtlinge". Zum ersten Mal sind Florian und viele seiner Mitschüler persönlich Asylbewerbern begegnet. Vier Flüchtlinge aus Syrien und Nigeria haben ihnen von ihren Schicksalen berichtet und Fragen beantwortet. "Sonst macht man sich über das Thema ja nicht so viele Gedanken", sagt Florian. Aber wenn man dann höre, dass die Familien vieler Asylbewerber noch in den Krisengebieten seien, dann sei das schon krass. "Da denkt man dann auch drüber nach."

"Es ist wichtig, mit den Flüchtlingen zu reden und nicht über sie", sagte René Vollmar. Der Religionslehrer hatte die Veranstaltung organisiert. Er kümmere sich bereits seit einem Jahr um Flüchtlinge und stehe auch mit den vier Teilnehmern in persönlichem Kontakt.

Hazar Alahmed, Ramadan Mohamad Adib, und Mohammed Kellieh kommen aus Syrien und sind vor dem Krieg dort geflohen. Aigbe Kelly Ogie ist aus Nigeria und musste aus religiösen Gründen seine Heimat verlassen. Alle vier leben in Flüchtlingsunterkünften in der Region. Sie sind zwischen 25 und 37 Jahre alt.

Aigbe Kelly Ogie hatte sich in einer christlichen Organisation engagiert und war deswegen verfolgt worden. "Ich bin zuerst mit einem Schiff mit sehr vielen anderen nach Italien gekommen", erzählte er über seine Flucht. Dort hätten seine Verfolger ihn aber gefunden und in einer Nacht seine Unterkunft niedergebrannt. "Zum Glück war ich zu dieser Zeit nicht dort", sagte der 29-Jährige. Er habe sich in Italien nicht mehr sicher gefühlt und sei dann nach Deutschland gekommen.

Florian Heiß zeigte sich beeindruckt von den Schilderungen. Man wisse ja normalerweise nicht, was den Flüchtlingen in ihren Ländern passiert sei, sagte der Lenggrieser. René Vollmar erklärte, er wolle den Jugendlichen auch Angst vor dem Thema Flüchtlinge nehmen: " Manche Medien verbreiten teilweise ein Bild von Flüchtlingen, das Angst vor Überfremdung hervorruft", sagte er. Jugendliche bildeten sich dann womöglich eine Meinung, die nichts mit der Realität zu tun habe. Ihm sei es ganz wichtig zu zeigen, wie die Wirklichkeit aussehe. Im Interesse dieser Aufklärung plane er schon ein Flüchtlingsfest für den Oktober.

Am Tag der Flüchtlinge in der Berufsschule nahm auch der Integrationsbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Martin Neumeyer (CSU) teil. Er sagte, neben Umwelt- und Energiefragen werde das Thema Flucht die Politik langfristig beschäftigen. Für die Umweltpolitik finde man schon Lösungen und Alternativen, aber für die Flüchtlingsproblematik noch nicht. "Deshalb ist der direkte Kontakt zu den Asylbewerbern so wichtig." Es gebe eine wichtige Zahl: "87 Prozent der deutschen und somit auch der bayerischen Bevölkerung sind für Flüchtlinge, und das ist gut", sagte Neumeyer.

"Ich hatte in Syrien eine eigene Zahnarztpraxis und habe an einer Uni als Professorin gearbeitet. Doch als der Krieg begann, war das nicht auf einmal nicht mehr möglich", erzählte die 37-jährige Hazar Alahmed. Es sei ihr verboten worden, an der Universität zu lehren, und ihre Praxis sei durch eine Bombe zerstört worden: "Auf einmal war alles anders." Sie sei nach Deutschland geflohen, um hier arbeiten zu können, aber es sei sehr schwierig, da ihr Abschluss nicht anerkannt werde. Sie hoffe, dass sie bald eine Arbeit finde und somit ihre Familie in Syrien unterstützen könne.

Ein Schüler meldete sich nach der Erzählung der Syrerin: " Wenn Sie keine Arbeit haben, was machen Sie denn dann den ganzen Tag?" Die Zahnärztin erwiderte: "Ich besuche einen Deutschkurs und versuche, Kontakte zu knüpfen."

Eine weitere Frage an die Asylsuchenden bewegte die Schüler: "Wenn der Krieg vorbei ist, wollen Sie dann wieder zurück in Ihr Land?" Der 33-jährige Adib, der im Moment ein Praktikum in einem Friseursalon in Pullach macht, antwortete, ohne zu zögern: "Ja, ich möchte wieder zurück. Ich glaube, niemand verlässt sein Land freiwillig. " Wenn der Krieg vorbei sei, wolle er helfen, das Land wieder aufzubauen.

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