Szyszkas Klassiker:Veredelter Ohrwurm

Beethovens "Gassenhauer-Trio" ist mit Klarinette, Violoncello und Klavier besetzt - und gerade durch die Klarinette bekommt das Werk einen besonders aparten Klang

Von Reinhard Szyszka

Man stelle sich einen Augenblick lang vor, ein heutiger E-Musik-Komponist - Wolfgang Rihm, Aribert Reimann oder wer auch immer - würde Variationen schreiben über Helene Fischers Hit "Atemlos durch die Nacht". Unvorstellbar! Heute sind E- und U-Musik strikt getrennt; außerdem würde Helene Fischer sofort auf Urheberrechtsverletzung klagen und mit massiven Geldforderungen daherkommen. Dennoch war genau so etwas - also Klassiker-Variationen über aktuelle Hits - vor gut 200 Jahren gang und gäbe. Der Opernkomponist Joseph Weigl ist heute vergessen; damals war er der Hit-Produzent schlechthin. Eine seiner Opern hieß "L'amor marinaro", zu Deutsch "Matrosenliebe", und ein Terzett daraus war gewissermaßen das "Atemlos durch die Nacht" der 1790er Jahre. An allen Ecken und Enden hörte man die einprägsame Melodie gespielt, gesungen, gepfiffen. Auch Ludwig van Beethoven bekam den Ohrwurm nicht mehr aus dem Kopf und schrieb darüber Variationen, die er als Finale in sein B-Dur-Trio einbaute. Weigl dachte überhaupt nicht daran, Beethoven deswegen zu verklagen, im Gegenteil, er freute sich, dass sein Terzett auf diese Weise noch bekannter wurde. Und Beethovens Trio heißt bis heute "Gassenhauer-Trio".

Das "Gassenhauer-Trio" ist mit Klarinette, Violoncello und Klavier besetzt, und gerade durch die Klarinette bekommt das Werk einen besonders aparten Klang. Beethoven war 26 Jahre alt, als er das Trio schrieb. In späteren Jahren hat er dann leider keine Kammermusik mit Klarinette mehr komponiert. Genau den umgekehrten Weg ging Johannes Brahms: In jüngeren Jahren hat er in seiner Kammermusik niemals eine Klarinette verwendet; erst im reiferen Alter kam er auf diese Idee. "Schuld" daran war die Bekanntschaft mit dem Klarinettisten Richard Mühlfeld, der dem Komponisten die Schönheit des Instruments erschloss. Brahms ließ sich von Mühlfelds Begeisterung anstecken und schrieb für Klarinette zwei Sonaten, ein Quintett und ein Trio. Das Trio weist die gleiche Besetzung auf wie bei Beethoven: Klarinette, Violoncello und Klavier. Einen Gassenhauer sucht man darin vergebens; dennoch ist es wunderschöne Musik.

Am Samstagabend kann man beide Trios - das mit Gassenhauer und das ohne - in der Loisachhalle hören. Und eine Klarinettensonate von Mendelssohn gibt's noch obendrein. Klarinettenmusik vom Feinsten also.

Samstag, 12. November, Loisachhalle Wolfratshausen, 20 Uhr, Kammerkonzert mit Michele Carulli (Klarinette), Raphaela Gromes (Violoncello) und Julian Riem (Klavier). Benefizkonzert des Lionsclub Wolfratshausen in Kooperation mit der Stadt. Karten zu 18 Euro, ermäßigt 14 Euro, beim Bürgerbüro im Rathaus, Happy Holiday Reisen, Reisebüro Trecher, Handyladen Tressl, über München Ticket und an der Abendkasse

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