Szyszkas Klassiker:Requiem der leisen Töne

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Die Musikfreunde Penzberg präsentieren Ralph Vaughan Williams

Kolumne von Reinhard Szyszka

Preisfrage: Welcher Komponist hat es auf genau neun Sinfonien gebracht und war in seinen letzten Lebensjahren taub? Beethoven, so wird wohl jeder antworten. Doch es gibt noch einen zweite Lösung: Ralph Vaughan Williams. Bei Beethoven reißen die Spekulationen nicht ab, weshalb er ertaubt ist. Bei Vaughan Williams ist es hingegen klar: Geschützlärm. Im Ersten Weltkrieg diente der englische Komponist als Soldat in Frankreich und musste es wiederholt mit anhören, wie direkt neben ihm 60-pfündige Granaten abgefeuert wurden. Der Krach schädigte sein Gehör nachhaltig und führte im Alter zur vollständigen Ertaubung. Doch genau wie Beethoven komponierte Vaughan Williams unverdrossen weiter, mit außerordentlicher Fantasie und Originalität sogar.

Mit einem Werk dieses Vaughan Williams eröffnen die Musikfreunde Penzberg ihr Konzert am Sonntag: "Five Variants of Dives and Lazarus". Der etwas rätselhafte Titel verweist auf das biblische Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus. Dives ist einfach das lateinische Wort für "reicher Mann"; spätere, nicht mehr lateinkundige Generationen haben "Dives" als den Namen des Reichen missverstanden. Über dieses Gleichnis gibt es eine alte englische Volksballade, und Vaughan Williams hat in seiner Komposition Variationen über die Volksballade geschaffen. Bei diesem Werk spielt das Sinfonieorchester im Pfaffenwinkel allein; das Vocalensemble Penzberg schweigt. Im weiteren Verlauf des Abends gibt es einige Nummern nur für Chor, ohne Orchester. Doch zum krönenden Abschluss finden Chor und Orchester zusammen: beim Requiem von John Rutter.

Der 1945 geborene Rutter ist ein Star der englischen Chorszene. Der Grund: Er hat nicht nur anspruchsvolle und komplexe Werke für Profis geschrieben, sondern auch einfachere Kompositionen für Laienchöre. Immer wieder heben Kommentatoren die Fähigkeit Rutters hervor, seinen Stil den Fähigkeiten der Ausführenden, für die er schreibt, und dem Zweck der Komposition anzupassen. Das Requiem schuf Rutter 1985 aus persönlichem Anlass: Sein Vater war gestorben. Die Musiksprache des das daraufhin entstandenen Werks war einfach gehalten, aber nicht primitiv; "eine, die meinem Vater persönlich sehr gefallen hätte", wie Rutter selbst es formuliert hat. Gewaltigen Jenseitsdonner wie etwa im Verdi-Requiem sucht man bei Rutter vergeblich: Was er geschrieben hat, war ein Requiem der leisen Töne. Und gerade damit erzielte er einen sensationellen Erfolg: mehr als 500 Aufführungen allein in Amerika im ersten Halbjahr nach Veröffentlichung des Rutter-Requiems. Und der Erfolg, das unmittelbar Ansprechende dieses Requiems hält bis heute an. Am Sonntag kann man sich in Penzberg davon überzeugen.

Sonntag, 8. März, 19 Uhr, Kirche Christkönig Penzberg; Karten (12 bis 26 Euro) bei Buchhandlung Rolles in Penzberg und an der Abendkasse

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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