St. Ursula in Hohenburg:Katholisches Mädchengymnasium hat Bierbrauen als Schulfach

Bierbrauen Hohenburg Q 11

Im Kessel setzen Julia Steinhart, Jacqueline Weidinger, Cara Andrae, Julia Meixner und Schulleiter Christoph Beck den Sud an (v. l.).

(Foto: Manfred Neubauer)

In der Garage des Hausmeisters brauen die Schülerinnen Weißbier, Helles, Irish Stout und Indian Pale Ale - die Idee hatte der Schulleiter.

Von Benjamin Engel, Lenggries

Vor etwas mehr als 22 Jahren ist ihr Name erst einmal verschwunden: Die Schlossbrauerei Hohenburg stellte im Frühjahr 1994 ihren Betrieb ein. Im früheren Hauptgebäude ist heute das Pfarrheim St. Jacob untergebracht. Doch seit diesem Jahr erlebt das Bier in Hohenburg eine kleine Renaissance, wenn auch nur zu Demonstrationszwecken. Denn Christoph Beck, Direktor des St.-Ursula-Gymnasiums für Mädchen in Hohenburg, hatte im vergangenen Schuljahr erstmals ein P-Seminar zum Bierbrauen angeboten, das nun nach den Sommerferien weiterläuft. Unter seiner Anleitung haben 14 Gymnasiastinnen bereits vier Sorten Bier gebraut und von Eltern, Großeltern und Freunden bewerten lassen. Zu kaufen ist das Hohenburger Bier allerdings nicht.

Die 17-jährige Julia Steinhart ist von den komplexen Arbeitsschritten beim Brauen fasziniert. Sie hätte sich den Prozess, Bier herzustellen, vorher einfacher vorgestellt, sagt die Zwölftklässlerin. "Wenn man aber sorgfältiger arbeitet, kommt auch ein besseres Produkt raus." Am P-Seminar wollte sie unbedingt teilnehmen. Sie wollte wissen, wie Bier hergestellt wird. Denn sie kenne von viel zu wenigen Dingen den Entstehungsprozess. "Wenn ich jetzt Bier trinke, hat das einen anderen Wert, weil ich weiß, wie es gemacht wird."

Schulleiter Beck, 55 Jahre alt, ist selbst begeisterter Hobbybrauer. Vor 15 Jahren hatte er angefangen, privat sein eigenes Bier herzustellen. Mit dem Gedanken, ein für ein Gymnasium eher ungewöhnliches P-Seminar zum Bierbrauen anzubieten, hat er sich schon länger beschäftigt. Zum diesjährigen Jubiläum "500 Jahre bayerisches Reinheitsgebot" sah er den richtigen Zeitpunkt.

"Ich finde es immer gut, Theorie und Praxis zusammenzubringen." Und dafür eigne sich das Bierbrauen gut. Die Schülerinnen lernten biologische und chemische Vorgänge verstehen, etwa wie die Amylasen wirken, die wichtigsten Enzyme im Malz. Sie spalten die Malzstärke im Würzsud in Zucker auf. Die Schülerinnen müssen zudem mathematische und physikalische Kenntnisse umsetzen.

Mit dem Seminar hatten die Schülerinnen - damals noch in der elften Klasse - im zweiten Halbjahr 2015/2016 begonnen. Seitdem brauten sie schon vier Mal, Weißbier, Helles, Irish Stout (ein schwarzes, obergäriges Bier) und Indian Pale Ale mit mehr Hopfen und Alkoholgehalt als üblich.

St. Ursula in Hohenburg: Natürlich gehört zum Unterricht auch eine Kostprobe.

Natürlich gehört zum Unterricht auch eine Kostprobe.

(Foto: Christoph Beck)

Um einen Sud herzustellen, waren sie jeweils etwa acht Stunden an einem Tag am Wochenende beschäftigt vom Ansetzen des Suds bis zum Abfüllen in die Gärfässer. Beim Weißbier experimentierten die Schülerinnen beispielsweise mit verschiedenen Hefen, Weihenstephaner und Champagner-Hefe. Doch letztere habe einfach nur fade geschmeckt, sind sich die jungen Frauen einig.

Zum Brauen nutzten Beck und seine Schülerinnen die Garage des Schulhausmeisters. Dort richteten sie sich ihre kleine Brauerei mit einem großen Kessel, einem Brenner zum Erhitzen des Sudes, Rührpaddel, Würzspindel zum Messen des Zuckergehalts und Gärfässer ein. Sie verwendeten ausschließlich die vier Grundzutaten nach dem Reinheitsgebot, Wasser, Hopfen, Hefe und Malz in Bio-Qualität. Und selbstverständlich probierten sie auch alle Bestandteile.

So schmecke die mit dem Malz versetzte Würze anfangs eher nach Mehlschwitze, später immer süßer, je mehr der Malz in Zucker aufgespalten werde, erklären die Schülerinnen. Und manchmal sei auch etwas danebengegangen, einmal sei der Sud etwa übergekocht.

Was nächstes Jahr auf dem Lehrplan steht

Etwa drei bis sechs Wochen lagerte das Bier schließlich in den Gärfässern, das obergärige Weißbier bei 20 Grad und das Helle etwa bei acht bis neun 9 Grad im Keller der Schule. Im Frühsommer luden sie Eltern, Großeltern und Freunde zur Bierverkostung ein. Nach Ende der Herbstferien im November wollen sie noch einmal Weißbier brauen. Zum Abschluss des Seminars werden die Schülerinnen alleine ein Bier brauen und einen "Home Brewing Guide", eine Anleitung zum Hobbybierbrauen, für Zuhause auf Englisch erstellen.

Gewürze und Gift

Nur noch der Hopfen ist laut dem Reinheitsgebot zum Brauen erlaubt. Die Pflanze gibt dem Bier sein ausgeprägtes Aroma und die typisch bittere Note. Doch in Bayern wurde der Hopfen wohl erst vom 14. Jahrhundert an verwendet. Die Brauer setzten die Pflanze ein, um das Getränk zu konservieren - die Inhaltsstoffe im Hopfen machen das Bier länger haltbar - und zu klären, weniger jedoch, um es zu aromatisieren. Bevor der Hopfen gebräuchlich wurde, wurden dem Bier weit mehr Kräuter und Gewürze beigemischt - von harmlosen Küchenkräutern wie dem Wacholder bis hin zu potenziell tödlich giftigen Pflanzen. Weit verbreitet war im Mittelalter an Nord- und Ostsee der Sumpfporst oder Gagelstrauch zum Konservieren, wie es im Katalog zur Landesausstellung "Bier in Bayern" heißt. Der immergrüne Strauch riecht harzig bis kampferartig, der Geschmack der Blätter erinnert an Rosmarin. Weil sich die Pflanze nicht kultivieren ließ, verlor sie an Bedeutung. Noch im 14. Jahrhundert wurden dem Bier ebenso teurere Spezereien wie Ingwer und Lorbeer zugesetzt. Um die Wirkung des Alkohols zu verstärken, kamen zuweilen giftige Pflanzen in das Bier wie etwa das Bilsenkraut. Die Blätter schmecken bitter, die Samen bitter-ölig. Bilsenkraut kann Halluzinationen und Herzrhythmusstörungen auslösen und in höherer Dosierung bis zum Tod führen. Schon 15 Samenkörner können für ein Kind tödlich sein. In der Tollkirsche und im Stechapfel - beide ebenfalls früher im Bier - finden sich Giftstoffe wie im Bilsenkraut. Auch Wermut, der viele Bitterstoffe hat und Halluzinationen auslösen kann, wurde ins Bier gegeben. Die halluzinogene Wirkung sollte eine Verbindung mit dem Jenseits und übernatürlichen Kräften vermitteln. Knoblauch im Bier sollte vor Dämonen und Teufeln schützen, die bitter-saure Pfingstrose gegen Albträume und Gespenster helfen. bene

Im nächsten Jahr beginnt Beck mit den jetzigen Elftklässlern ein zweites Seminar zum Bierbrauen. Alle 15 Plätze sind schon belegt. Dann will der Schulleiter die klösterlichen Traditionen zum Bier mehr in den Mittelpunkt rücken. Viele Klöster brauten damals, bewirteten Wanderer und Gäste mit Bier, so auch die Ursulinen. In ihrem Kloster in Erfurt entdeckten Archäologen Überreste einer Brauerei aus dem Mittelalter. Von 1953 bis 2003 waren die Ursulinen auch in Hohenburg. Sie betrieben dort das Mädcheninternat, seit 1990 ist die Erzdiözese München und Freising für die Schulen verantwortlich.

Zudem brauten Mönche und Nonnen in der Fastenzeit Starkbier nach dem Motto "Flüssiges bricht das Fasten nicht." Doch musste der Papst das Trinken von Bier in der Fastenzeit erst genehmigen. Beck weiß von einer alten Legende zu berichten, wonach ein Mönch deshalb mit einem Fass nach Rom reiste. Das Bier sei während der Reise verdorben und sauer geworden. Als der Papst davon kostete, habe er es als Buße bezeichnet, davon zu trinken, und es für die Fastenzeit erlaubt.

In Hohenburg beginnt die Geschichte der Bierproduktion mit Gräfin Josepha von Zech. Die Schlossherrin gründete 1818 die Schlossbrauerei. Bis 1907 war der Betrieb in einem Teil des Schlosses untergebracht. Dann verlegte der damalige Besitzer, Wilhelm Großherzog von Luxemburg, die Brauerei in die Gebäude des heutigen Pfarrheims.

Weil das Bier in der Schule offiziell zu Demonstrationszwecken hergestellt wird, muss es eigens verzollt werden. Doch mehr als Verwandte der Schülerinnen oder besondere Besuchern der Schule werden das Bier nicht zu trinken bekommen, wie Beck erzählt. Spaß gemacht hat es den Schülerinnen allemal. Die 17-jährige Paula erzählt, dass sie nun viel mehr zu schätzen wisse, wie viel Arbeit hinter einem Bier mit gutem Geschmack stecke. Außerdem sei es cool, das Bier an Freunde verschenken und sagen zu können, das habe sie selbst gemacht.

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