SZ-Serie: Vom Malz zur Mass:Vom Kloster in die Welt hinaus

Die Reutberger Brauerei hat eine wechselvolle Geschichte - aber an der alten Bierrezeptur gibt es nach Überzeugung von Geschäftsführer Höpfl nichts zu verbessern.

Von Sabine Näher, Sachsenkam

Wer heute im wunderschönen Biergarten des Klosterbräustüberls Reutberg sitzt und die traumhafte Aussicht, das gute Bier und Essen genießt, fügt sich damit in eine jahrhundertealte Tradition ein. Denn das erste Bier wurde hier tatsächlich schon im Jahre 1677 gebraut, zunächst allerdings nur für den Eigenbedarf der Schwestern des 1618 gegründeten Klosters. Doch das Bier schmeckte nicht nur den Nonnen, sondern auch einer stetig wachsenden Besucherschar. Das führte gut 100 Jahre später zu einer Beschwerde der umliegenden Brauereien, vor allem aus Tölz, die ihre Geschäftsinteressen bedroht sahen. "Missbrauch der Konzession" lautete der Vorwurf - nicht ganz zu Unrecht, denn diese war in der Tat nur für den klosterinternen Bedarf erteilt.

Nach der Säkularisation, 1835, wurde der Klosterbrauerei das sogenannte "fremde Braurecht" durch König Maximilian I. verliehen. Allerdings ging dieses nun erstmals an einen weltlichen Braumeister. Damit durfte das Klosterbier offiziell verkauft und in der hauseigenen "Bauernstube" von auswärtigen Gästen konsumiert werden. Der übergroße Zuspruch der Besucher führte bald dazu, dass das Schankhaus nach außerhalb der Klostermauern verlegt werden musste, um die klösterliche Ruhe nicht allzu sehr zu beeinträchtigen.

Im Jahr 1901 wurde die Brauerei neu gebaut, doch schon wenige Jahre später erwies sie sich als ungeeignet, um die wachsende Nachfrage befriedigen zu können. Den Franziskanerinnen wurde es zu bunt; sie kündigten an, den Brauereibetrieb aufzugeben. Ein wahrer Proteststurm war die Folge. So wurde die Schänke verpachtet und die Brauerei nochmals renoviert.

Während der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg lag die Wirtschaft am Boden, auch die Gastronomie und das Brauwesen waren davon betroffen. So schlossen sich im Jahre 1924 etliche Bauern der umliegenden Dörfer zur Brauereigenossenschaft Reutberg zusammen. Ihr Ziel: Ein gutes und für alle erschwingliches Bier zu brauen. Das Konzept ging auf und bescherte dem Unternehmen bis Mitte der Achtzigerjahre stetiges Wachstum.

Doch 1987 stand die Genossenschaft am Scheideweg und sollte mit einer anderen Brauerei fusionieren. Stephan Höpfl, der derzeitige Geschäftsführer der Genossenschaft, erklärt, wie das geschehen konnte: "Es war versäumt worden, die Produktionskapazitäten der wachsenden Nachfrage anzupassen." Deshalb sei das Bier zum einen zu jung verkauft und zum anderen mit fremdem Bier, das preiswert angekauft worden war, verschnitten worden. Die unausweichliche Folge war ein drastischer Qualitätsverlust, der die Nachfrage einbrechen ließ. Der damalige Vorstand der Genossenschaft strebte deshalb die Fusion mit einer Holzhauser Brauerei an, doch das wäre für Reutberg "der Grabstein" gewesen, sagt Höpfl. Mitarbeiter des Betriebs und engagierte Genossenschaftsmitglieder starteten daher eine leidenschaftliche Kampagne gegen die Fusionspläne. Mit Erfolg: Bei einer außerordentlichen Versammlung sprachen sich mehr als 90 Prozent der Mitglieder gegen eine Fusion aus. Ein neuer Vorstand wurde gewählt, der einen "maroden Betrieb" übernahm und diesen von Grund auf renovierte. "Es gelang, die Bierqualität wieder zu stabilisieren und neue Kunden wie neue Mitglieder zu werben", erklärt Höpfl.

Bernsteinfarben und süffig

Bockbier ist ein Starkbier, das eine Stammwürze von mehr als 16 Prozent aufweist. Stammwürze meint die aus dem Malz und Hopfen im Wasser gelösten Stoffe vor der Gärung. Mithilfe der Hefe wird die Stammwürze zu je etwa einem Drittel in Alkohol und Kohlensäure vergoren; der Rest ist unvergärbarer Extrakt.

Der Reutberger Josefi-Bock bringt es auf 17,8 Prozent Stammwürze und 6,9 Prozent Alkoholgehalt. Er wird aus hellem und dunklem Malz hergestellt und leuchtet wie Bernstein. Im Angebot ist er nur um den Josefstag am 19. März und bewahrt damit die Aura des Besonderen. Laut Braumeister Michael Pichler ist er "süffig, gut gehopft und nicht so malzig". Einige Münchner Bockbiere kommen übrigens auf bis zu 18 Prozent Stammwürze. Diese tragen die Endung "-ator" im Namen.

Das Märzen hat seinen Namen vom Monat März: "In der Sommersaison, genauer vom 23. April bis 29. September, durfte früher nicht gebraut werden", erklärt Pichler. In der bayerischen Brauordnung von 1539 und per Dekret durch Albrecht V. von 1553 wurde festgelegt, dass nur zwischen Michaeli (29. September) und Georgi (23. April) gebraut werden durfte. Also hat man im März ein stärkeres Bier hergestellt, das über den Sommer halten musste. Das Reutberger "Kloster-Märzen" hat eine Stammwürze von 13,8 Prozent und einen Alkoholgehalt von 5,6 Prozent.

Je höher der Alkoholgehalt, desto besser haltbar ist das Bier. Die Keller, in denen es früher mangels anderer Kühlungsmöglichkeiten gelagert wurde, hießen "Märzenkeller".

Auch das Märzen wird aus hellem und dunklem Malz hergestellt. "Im Gegensatz zum Josefi-Bock ist sein Geschmack aber malzbetont mit nur leichter Hopfenbittere", erläutert Pichler. Er weist darauf hin, dass die Oktoberfeste nur deshalb entstanden seien, weil man das verbliebene Märzen-Bier austrinken wollte, ehe im Herbst endlich wieder neu gebraut werden durfte. Somit gibt es heute eigentlich gar keinen Anlass mehr für ein Oktoberfest, da doch längst ganzjährig gebraut und konsumiert werden kann.sna

Der gebürtige Niederbayer hat nach dem Abitur in Weihenstephan eine Ausbildung zum Diplombraumeister absolviert und in Pforzheim ein Aufbaustudium als Wirtschaftsingenieur angeschlossen. Mit dieser Doppelqualifikation stieg er 1998 in Reutberg in einen gut funktionierenden Betrieb ein und 2001 zu dessen Geschäftsführer auf.

Aktuell hat die Genossenschaft um die 5200 Mitglieder. Drei Anteile à 100 Euro muss erwerben, wer Mitglied und damit "Brauereieigentümer" werden will, wie Höpfl es formuliert. Die Dividende wird bei der jährlichen Generalversammlung Mitte März ausgezahlt: in Form von zwei Maß Bier und einem Hendl oder Schweinsbraten. Wen dies nun verlockt, Anteile zu zeichnen, der wird enttäuscht sein, denn derzeit ist ein Aufnahmestopp verhängt. Einleuchtender Grund: Das Festzelt, in dem die Dividende an den Mann gebracht wird, hat nur begrenzte Kapazitäten.

In Reutberg werden alle gängigen Sorten wie Helles, Dunkles, Klosterweiße, Dunkle Weiße, Pils, Weißbierbock und heller Bock, aber auch sehr spezielle Biere wie der Aegidiustrunk, der Josefi-Bock und ein Kloster-Märzen gebraut. Trotz der Vielfalt: Bei den Kunden ist das Helle der Renner. Und was trinkt der Braumeister am liebsten? "Das Export Hell, das ist stärker gehopft und hat einen ausgeprägteren Charakter", sagt Michael Pichler, der seit 2001 der Herr über die Braukessel in Reutberg ist. Die Besonderheit der Brauerei, das "Aushängeschild", sei aber der Josefi-Bock.

Bierserie ohne Namen

Alte Holzfässer wie dieses fassen genau 13,2 Liter Bier.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Von dem Aufsehen, das seit geraumer Zeit das Craft-Beer erregt, lassen sich weder Pichler noch sein Geschäftsführer aus der Ruhe bringen. Beide halten das für eine Modeerscheinung, die ihr Traditionsbetrieb getrost ignorieren darf. Er habe schon das eine oder andere probiert, räumt Pichler ein. "Man muss ja seinen Horizont erweitern. Und es gibt darunter bessere und schlechtere - wie beim anderen Bier auch." Im Moment sieht er jedenfalls keinen Anlass, die eigene Rezeptur zu überdenken. Höpfl ergänzt: "Craft-Beer steht für handwerklich gebrautes Bier. Das ist das unsere aber seit jeher sowieso."

Im vergangenen Jahr betrug der Bierausstoß in Reutberg 21 000 Hektoliter. Die Marke gilt es zu halten und sich gegenüber der Konkurrenz zu behaupten. Stephan Höpfl räumt seinen Bieren dabei ganz gute Chancen ein. Und verweist auf ein großes Plus: "Unser bester Werbeträger ist das Klosterbräustüberl."

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