SZ-Serie: Angekommen:Die besten Rezepte aus der alten Heimat

Ingrid Hammerschmied stammt ursprünglich nicht aus dem Egerland, doch sie kocht die Leibspeisen meisterhaft - zum Beispiel süße Liwanzen.

Von Felicitas Amler und Claudia Koestler, Geretsried

Auch die Liebe zur Heimat geht durch den Magen. Deswegen pflegen viele Vertriebenen-Familien noch die gute heimische Küche. Die SZ Bad Tölz-Wolfratshausen hat einige Frauen aus Geretsried um ihre Rezepte gebeten.

Ingrid Hammerschmied ist erst 46 Jahre alt, im oberbayerischen Wolfratshausen auf die Welt gekommen und in Geretsried aufgewachsen. Und doch ist sie eine der engagiertesten Egerländerinnen. Sie leitet die Kinder- und Schülergruppen bei der Eghalanda Gmoi in Geretsried, kann den Egerländer Dialekt lesen und schreiben, kennt und beherrscht die Tänze wie den "Schäi(n) lustigh" oder den "Jägerneuner", die sie auch den jungen Leuten beibringt, und trägt mit Stolz eine Egerländer Tracht - selbst genäht.

Seit ihrem achten Lebensjahr ist Ingrid Hammerschmied bei jenen Menschen verwurzelt, die ihre Heimatstadt Geretsried nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut haben. Warum? "Meine beste Freundin hat mich damals mitgenommen", erzählt sie, deren eigene Mutter aus Mähren stammt, der Vater aus Niederbayern. Und dann sei sie in diesem Traditionspflegeverein geblieben, weil es dort für einen Jugendlichen schön und einfach gewesen sei: "Du musstest kein Instrument mitbringen, musstest nicht schon irgendwas können, du bist aufgenommen worden."

Dass sich die Liebe zur Egerländer Kultur so bei ihr gefestigt hat, hängt allerdings auch mit einer anderen Liebe zusammen: Ingrid Hirschberger, wie sie mit Mädchennamen hieß, lernte bei den Egerländern ihren späteren Ehemann Roland Hammerschmied kennen. Er, drei Jahre älter als sie, ist selbst noch in Falkenau im Egerland geboren, von wo seine Familie erst 1968 aussiedelte. Mit diesen Schwiegereltern, die offiziell nur Tschechisch gelernt und unter Ihresgleichen nur Dialekt gesprochen hatten, stand die junge Geretsriederin vor einem Problem: Sie verstand sie oft nicht. Sehr gut kann sich Ingrid Hammerschmied noch an eines der ersten rätselhaften, unverständlichen Worte erinnern, mit denen ihr Schwiegervater sie konfrontierte: "da Foußobutza". Man muss schon ein wenig Einblick in die Egerländer Sprachwelt haben, um daraus den Fußabstreifer herzuleiten.

Inzwischen kann sie aber über den Vorstand der Gmoi ("da Vüarstäiha") genauso gut im Dialekt reden wie über bestimmte Egerländer Tänze ("Howansook" = Hafersack) oder Teile der Tracht, etwa den "Huasnoa(n)toutara", einen großen schmuckartigen Knopf an den Hosen der Männer, oder das "G'häng", die Kette der Frauen. Sie selbst besitzt ein ausgesucht schönes und hierzulande fast einzigartiges Prachtstück von G'häng. Es ist ein üppiger Silberschmuck, nicht aus einer der schlichten Erbsenketten, sondern einer feinen "Räiserlkette", die Röschen an Röschen reiht, mit einem großen granatgefassten Medaillon und einer Maria-Theresia-Medaille. Natürlich beherrscht Ingrid Hammerschmied auch Egerländer Rezepte. Eine Spezialität hat sie eigens für die SZ zubereitet:

Liwanzen

Zutaten: 250 g Mehl, 1/2 l Milch, 15 g Hefe, 30 g Zucker, 1 Prise Salz, 2 Eier, 1 Vanillinzucker, etwas Zitronenschale, Muskatblüte, Butterschmalz, Zimt und Powidl (Pflaumenmus). Zubereitung: In einen Topf mit lauwarmer Milch die Hefe einbröseln, Zucker dazugeben und glattrühren. Nach und nach Eier, Mehl, Salz, Vanillinzucker und Muskatblüte dazugeben und mit dem Schneebesen zu einem glatten Teig verrühren. Mit einem Tuch abdecken und zirka eine halbe Stunde gehen lassen, bis er das doppelte Volumen hat. In die erhitzte, mit Butterschmalz gut gefettete Liwanzenpfanne mit einem kleinen Schöpflöffel die Vertiefungen mit Teig füllen und diesen auf beiden goldgelb backen. Die heißen Liwanzen herausnehmen, jeweils zwei mit Powidl zusammenkleben und noch heiß in Zimtzucker wenden.

Kreanbroih

Diese Meerrettichsoße isst man zu Rindfleisch mit Salzkartoffeln oder gekochten Hefeknödeln. Zutaten: 1/2 l Fleischsuppe (Tafelspitz), 30-35 g geriebenen Kren (Meerrettich), 1/2 Becker Sahne, 30-35 g Mehl, Salz, Zucker, einige gehackte Mandeln. Zubereitung: In die kochende Fleischsuppe mit Mehl angerührte Sahne einrühren und aufkochen. Zur Verbesserung gehackte Mandeln mitkochen. Kren fein reiben, je nach gewünschter Schärfe zur Soße geben und nicht mehr kochen. Mit etwas Zucker und Salz abschmecken.

Kuttelflecken-Suppe

Nicht jedermanns Sache, die Suppe aus Pansen (Italien-Urlaubern als trippa bekannt). Im Hause Hammerschmied aber ein Ereignis: Ingrid Hammerschmied kocht sie einmal im Jahr - zum Geburtstag ihres Ehemanns Roland. Und zwar nach diesem Rezept. Zutaten: 1 l Wasser oder Brühe, 500 g gekochte, geschnittene Kuttelfleck, 1 große Zwiebel, 2 EL Suppengewürz, je 40 g Butter und Mehl; für das Mullsäckchen: 2 Pfefferkörner, 2 Nelken, 1/4 Lorbeerblatt, je eine gute Prise Pfeffer, Muskat, Ingwer und Thymian, 1/2 Zitrone, etwas Zitronenschale, 2 EL Essig. Zubereitung: Aus Fett und Mehl eine helle Einbrenne zubereiten, die Kuttelfleck darin unter Rühren leicht anrösten, mit Wasser oder Brühe auffüllen und die Gewürze in einem Mullsäckchen mitkochen lassen. Zuletzt das Mullsäckchen herausnehmen und noch mit Pfeffer, Muskat, Thymian, Zitronensaft und Essig nachschmecken. Die Suppe soll sehr würzig süßsauer sein. Dazu können Kartoffeln gereicht werden.

Schlesische Hanfsuppe

Anders, als es der Name auf den ersten Blick vielleicht vermuten lässt, geht es dabei nicht um die Zubereitung eines Rauschmittels. Denn verwendet wird lediglich unbedenklicher Nutzhanf, der keinen Rauschwirkstoff enthält.

Die Oberschlesierinnen Rosalie Militzek und ihre Schwester Maria-Anna Kubaty erinnern sich heute noch gern an das Familienrezept der Suppe, die aus den ovalen, aschfarbenen Körnchen des Nutzhanfs mit dem süßen Mark zubereitet wird und vor allem zu Weihnachten in Schlesien sehr beliebt ist. Die Hanfkörner müssen grob gemahlen, quasi nur aufgebrochen werden. Aus Karotten, Sellerie, Petersilienwurzeln, Pimentkörnern, Lorbeerblättern und Pfefferkörnern eine Gemüsebrühe kochen. Den zuvor grob gemahlenen Hanf in ein Tuch, vorzugsweise aus Baumwolle, geben, in einen Topf mit kochendem Wasser hängen und durchziehen lassen. Das Gebinde herausnehmen und die Hanfkörner im Tuch über einer separaten Schüssel ausdrücken. Den milchigen Sud, der austritt, auffangen. Er bildet die Grundlage der Suppe. Die Prozedur wird anschließend mehrfach wiederholt, bis keine milchige Flüssigkeit mehr aus dem Hanf austritt und genug Sud für eine Suppe vorhanden ist. "Man muss das vier bis fünfmal wiederholen", erklären die Schwestern. Ist der Hanf ausgekocht, kann man die Körner entsorgen. Den milchigen Hanfextrakt hingegen mit fein gemahlener Hirse mischen und aufkochen, bis die Suppe eingedickt, fast breiartig ist. Dann die zuvor gekochte Gemüsebrühe hinzugeben, die Suppe sollte allerdings nicht zu dünn werden. Mit etwas Milch, Salz und Pfeffer und gegebenenfalls einer Prise Zucker abschmecken und genießen.

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