SZ-Serie: Altes Handwerk, heute noch gefragt:Die Nadelkünstlerin

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Beate Bader führt in Aschheim eine der wenigen Sattler-Werkstätten, die es noch gibt. Die Meisterin fertigt die unterschiedlichsten Lederarbeiten, von der Handtasche über Hundehalsbänder bis hin zu Sätteln. Auch die Farben rührt sie selbst an

Von Benjamin Köster, Aschheim

Wäre da nicht der Geruch, wüsste man nicht auf Anhieb, welchem Handwerk Beate Bader auf dem abgelegenen Hof bei Aschheim nachgeht. Lässt man die wenigen Stufen auf der kleinen Treppe hinter sich und tritt durch die Tür, die immer einen Spalt offen steht, in die Werkstatt, dauert es einen Moment, bis sich die Augen an das Halbdunkel des nur von einer einzigen Lampe beleuchteten Raumes gewöhnt haben. Dann aber entdeckt man abgewetzte Holzwerkbänke, auf denen alle Arten von Werkzeugen liegen: Hämmer, Zangen, Messer, Nadeln, aber auch kleine Töpfe und Pinsel. Läge noch eine Säge herum, könnte das hier eine Tischlerei sein. Aber in Baders knapp 30 Quadratmeter großen Werkstatt hängt der Geruch nach Leder schwer in der Luft - Beate Bader ist Sattlerin.

Im Jahr 1986 hat sie die dreijährige Ausbildung begonnen, seit 20 Jahren ist die Handwerksmeisterin nun mit ihrer Werkstatt in Aschheim selbständig. Die Berufswahl lag für die Pferdebesitzerin nahe. "Ich bin mit Pferden aufgewachsen", sagt Bader. Zunächst habe sie sich dann der Sattlerei im Bereich des Pferdesports gewidmet. Aber so richtig kommt sie gar nicht zum Erzählen, die Tür schwingt auf: Kundschaft. "Es gibt solche und solche Tage. Manchmal kommt niemand. Aber manchmal steht das Telefon auch gar nicht mehr still und ständig kommt jemand rein." Vor allem in der Weihnachtszeit. "Zuletzt war ich schon immer bis 22 Uhr im Laden", sagt Bader. Ihre Werkstatt läuft gut, vermutlich auch wegen der großen Bandbreite ihres Angebotes. Von der einfachen Reparatur einer Ledertasche bis zum kompletten Pferdesattel - Bader beherrscht ihr Handwerk auf ganzer Linie. "Was wir machen können, machen wir", sagt Bader. Mit "wir" meint die Meisterin aber meist sich selbst. Zwar hat sie eine Aushilfe, aber in der Regel ist sie, abgesehen von ihrem Hund, der sich aber lieber auf der sonnigen Terrasse aalt, und dem dauerspielenden Radio, ganz allein in der Werkstatt - was ihr gefällt, sie arbeitet gerne für sich, ist für ihre Arbeit selbst verantwortlich. "Da kann es mir dann auch sowieso immer keiner recht machen."

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(Foto: Angelika Bardehle)

Einen Sattel fertigt die Sattlerin Beate Bader nur noch selten an, "die Zeit haben wir nicht mehr", sagt sie.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Denn der Sattel müsse mehrmals an das Pferd angepasst werden.

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(Foto: Angelika Bardehle)

Beate Bader hat viel zu tun in ihrer Werkstatt.

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(Foto: Angelika Bardehle)

Dabei betreibt sie die Sattlerei als reines Handwerk.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Nur eine alte Nähmaschine und...

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(Foto: Marco Einfeldt)

... verschiedene Ahlen erleichtern ihr die Arbeit.

Bader arbeitet auf sehr traditionelle Art. Was man auch an ihren Hilfsmitteln erkennen kann. Fast alles macht sie von Hand, nur ein einziges elektrisches Gerät unterstützt sie in der Werkstatt: eine 30 Jahre alte Nähmaschine. "Generell ist die Sattlerei schon ein traditionelles Handwerk", sagt Bader. "Es geht aber natürlich auch anders." Während sie das erklärt, zieht sie nebenbei aus einem großen Berg verschiedener Lederzuschnitte zwei breite hellbraune Lederbänder heraus und klebt die Enden aneinander. Es soll ein Pony-Geschirr werden, der Kleber dient der Fixierung vor dem Nähen. Bader sitzt jetzt an einer Werkbank auf einem hohen Hocker und klemmt mit einem Nähkloben, einer Art mobilem Schraubstock aus Holz, die Lederbänder vor sich fest. Die spitze Nadel in ihrer Hand wirkt klein, auch wenn sie es nicht ist - Bader hat Handwerkerhände, oftmals rau, manchmal erwischt sie mit ihrer Nadel nicht nur ihr Werkstück, sondern auch ihre Finger. Mit der Nadel sticht sie von einer Seite durch das harte Leder, danach wird von der anderen Seite der Faden durchgezogen. Bader lacht. "Für ein Pony-Geschirr brauche ich etwa zweieinhalb Stunden." Für einen ganzen Pferdesattel braucht sie knapp eine Woche. Dafür kostet dieser dann auch zwischen 3000 und 3500 Euro. Mittlerweile kommt das aber eher selten vor. "Man muss dann zu den Stallungen fahren, um den Sattel an das Pferd anzupassen. Diese Zeit haben wir einfach nicht mehr." Pferdesättel müssen immer wieder angepasst werden, erklärt sie. Dazu kann sie mit langen Metallstäben Polsterwolle über eine kleine Öffnung in den Sattel hereinschieben oder überschüssige herausziehen und die Polsterung schließlich von außen mit einem halbrunden Holzklöppel in die richtige Form klopfen - für die erfahrene Sattlerin nur wenige Handgriffe.

Aber auch ohne neue Sättel hat Bader genug zu tun. Früher hat sie die Arbeit sogar noch mit nach Hause genommen. "Aber irgendwann reicht es dann auch", sagt Bader. Die Arbeit mit dem Leder gehöre in die Werkstatt und da solle sie auch bleiben. "Ich will auch kein Ledersofa zu Hause und ich will auch kein Leder in meinem Auto."

Es ist auch die Vielseitigkeit, die an Baders Beruf überrascht. Vom Design aufwendiger Handtaschen bis zur Herstellung kleiner Hundehalsbänder liegt jeder noch so winzige Arbeitsschritt in ihrer Hand. Selbst die Farbe, mit der die Schnittkanten des Leders wieder abgedunkelt werden, stellt sie selbst her - angerührt aus Farbpulver und Knochenleim, aufgekocht in einem kleinen Topf auf einer Herdplatte in der Mitte der Werkstatt.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Stefanie Moertel ist 34 Jahre alt und hat das Handwerk der Sattlermeisterin von der Pike auf gelernt. Mit einer kleinen Werkstatt hat sie sich in Kranzberg selbständig gemacht, doch meist ist sie zu Kundenbesuchen unterwegs.

Bader trägt mit einem kleinen Pinsel die frisch angerührte Farbe auf verschiedene Lederstücke auf und erzählt: "Von uns Sattlern gibt es nicht mehr viele." Der Beruf sterbe in seiner traditionellen Form langsam aus. Bader hingegen ist auch nach fast 30 Jahren noch von der Sattlerei fasziniert. "Es ist ein schöner Beruf", sagt sie. "Man sieht abends einfach, was man mit den Händen gemacht hat."

Lesen Sie am Donnerstag: das Handwerk des Vergolders

© SZ vom 05.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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