SZ-Lesercafé:Die geheime Zukunft des BND-Areals

SZ-Lesercafé: Wegschieben kann Bürgermeisterin Tausendfreund die Mauer nicht, aber die Wände werden abgerissen.

Wegschieben kann Bürgermeisterin Tausendfreund die Mauer nicht, aber die Wände werden abgerissen.

(Foto: Claus Schunk)

Was auf dem frei werdenden 53 Hektar großen Grundstück mitten in Pullach entstehen wird, ist die spannendste Frage in der Isartalgemeinde. Eines steht heute schon fest: Die Gemeinde behält die planerische Oberhand

Von Martin Mühlfenzl, Pullach

"Camp Nikolaus". Das klingt irgendwie niedlich, nach Ferienanlage und viel Schokolade. Und der Name passt auch - weil er eben nicht passt. Die ehemalige Rudolf-Heß-Siedlung in Pullach wurde in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg so genannt, weil just am 6. Dezember 1947, dem Nikolaustag, die Organisation Gehlen hier einzog - der Vorgänger des heutigen Bundesnachrichtendienstes (BND).

Jahrzehntelang haben die Schlapphüte das Ortsbild des Isartalidylls mitgeprägt - auf ihre ganz eigene Weise. Bei einer Fahrt oder einem Spaziergang entlang der Heilmannstraße kann man ja nicht einmal ansatzweise erkennen, wie groß das Areal hinter den grauen Mauern ist, die den BND - wie das bei Geheimdiensten halt so ist - von der Außenwelt abschirmen.

Auf insgesamt 70 Hektar - einem Zehntel des Gemeindegebietes - zwischen Heilmannstraße und Isarhochufer lebten und arbeiteten hier hunderte Mitarbeiter und ihre Familien. Arbeiteten deshalb, weil ein großer Teil der BND-Mitarbeiter mittlerweile nach Berlin umgezogen ist - in die mehr als eine Milliarde Euro teure, neue Zentrale des Nachrichtendienstes in Berlin Mitte. Die ist ein gigantischer Komplex aus Stein, Stahl und Glas und steht als Monument für die neue Berliner Republik und zugleich für die Abkehr von der Beschaulichkeit Bonner und Pullacher Zeiten.

Ein kleiner Teil des Bundesnachrichtendienstes aber wird dauerhaft in Pullach stationiert bleiben - auf künftig etwa 17 der 70 Hektar des weitläufigen Areals.

Was aber passiert mit den anderen 53 Hektar? Dies ist derzeit eine der spannendsten Fragen in der Isartalgemeinde - und wird es auf Jahre hinaus bleiben. Denn Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) und der Gemeinderat haben zwar die Planungshoheit über das Gelände; dennoch verbleibt die Immobilie in Besitz der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesimmobilienanstalt (Bima). Und so bleibt als zweite spannende Frage: Wie viel Einfluss können Bürger und Kommunalpolitiker überhaupt auf die Entwicklung des BND-Geländes nehmen? Werden gar Investoren oder Immobilienhaie darüber befinden, welches Gesicht der Ortsteil bekommen wird? Ganz so einfach wird es für mögliche Geldgeber aber nicht - die Gemeinde behält bei jedem Projekt die planerische Oberhand.

Zudem hat die Bima der Gemeinde Pullach eine primäre Zugriffsoption eingeräumt, wenn sie das Areal veräußern wird. Und die Gemeinderäte und auch die Bürgermeisterin haben stets betont, dieses auch nutzen zu wollen. Bis erste Grundstücke zur Bebauung freigegeben werden, wird es aber noch Jahr dauern. Wahrscheinlich bis über das Jahr 2023 hinaus.

Ideen und Vorschläge für eine spätere Nutzung des BND-Geländes kursieren aber immer wieder. Susanna Tausendfreund etwa könnte sich mit Bildungseinrichtungen an der östlichen Heilmannstraße anfreunden oder auch Einrichtungen der VHS. Auch weitergehende Wohnbebauung wird dort nicht ausgeschlossen. Wohnraum, der in Pullach dringend benötigt wird. Zwar steht am 25. Februar der Bürgerentscheid über die Bebauung der Grundstücke 53 und 55 - ausgerechnet - an der Heilmannstraße mit 22 gemeindeeigenen Wohnungen an; die vergangenen Jahre aber haben vor allem gezeigt: Die Pullacher Kommunalpolitiker gehen bei der städtebaulichen Entwicklung ihrer Kommune sehr behutsam vor. Schnellschüsse und überbordende Projekte haben im Isartalidyll kaum Chancen auf eine Realisierung.

Zugleich wissen die Gemeinderäte aber auch um ihre soziale Verantwortung vor allem jenen gegenüber, die unter dem Siedlungsdruck und steigenden Immobilienpreisen am meisten zu leiden haben. In keiner anderen Kommune des Landkreises gibt es so viele Wohnungen mit vergünstigten Mietpreisen wie in Pullach - nicht im Schnitt auf die Einwohner bezogen, sondern an der Zahl: Die Wohnungsbaugesellschaft Pullach verwaltet mehr als 560 Wohnungen im gesamten Gemeindegebiet. Geht der Bürgerentscheid über die Heilmannstraße zugunsten der überwältigenden Mehrheit im Gemeinderat aus CSU, SPD, Grünen und FDP aus, könnten sehr bald 22 weitere Einheiten hinzukommen. Und es ist nicht auszuschließen, dass auch auf dem Gelände des Bundesnachrichtendienstes in nicht allzu ferner Zukunft neue Wohnungen gebaut werden.

Es würde städtebaulich in die Gegend passen. Auch im kleinen Viertel Am Grundelberg gegenüber dem Bundesnachrichtendienst stehen bereits heute zahlreiche Wohnungen mit günstigeren Mieten - von dort aus sehen die Bewohner die Mauern des Geheimdienstes, die bald fallen könnten. Dann öffnet sich ein Areal, das die Gemeinde auf Jahre hinaus beschäftigen - und ihr ganz neue, spannende Möglichkeiten eröffnen wird. Auf diese neue Aufgabe aber sollten sich die Bürger und Kommunalpolitiker wahrlich freuen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: