SZ-Adventskalender:Leben im Rhythmus der Schmerzen

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Seit einem Unfall als Jugendlicher muss Mario K. auf seine Wirbelsäule achten. Trotzdem hilft er gerne anderen

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Was wäre wenn? Diese Frage mag sich Mario K. (Name geändert) das ein oder andere Mal in seinem Leben gestellt haben. Was wäre, wenn er mit 17 nicht zwei Stockwerke tief gefallen wäre? Was wäre, wenn nach diesem schrecklichen Unfall nicht nur sein gebrochenes Bein behandelt worden wäre, sondern die Ärzte auch die Schädigung seiner Nerven im Spinalkanal bemerkt hätten? Aber Vergangenheit ist Vergangenheit. Mario K. lebt lieber im Hier und Jetzt. Trotz seiner Schmerzen und manch finanzieller Sorgen hat er sich seinen Humor bewahrt - und hilft, wenn er kann, auch anderen.

Seit neun Jahren muss der 52-Jährige Acht geben auf seine Wirbelsäule. Die kleinste unbedachte Bewegung könnte eine Lähmung zur Folge haben. Früher hat er in der Gastronomie gearbeitet. Das viele Stehen und Laufen sei irgendwann nicht mehr möglich gewesen. Damals habe er noch gedacht, seine Rückenschmerzen kämen von der Arbeit. Aber schuld ist die Verletzung in seiner Jugend. Die Nerven hätten regelrecht aneinandergeklebt. Eine OP brachte keine wesentliche Besserung. "Mein Arzt hat mir damals gesagt, das ein Nerv nicht verzeiht."

Mit 47 Jahren sah sich Mario K. gezwungen, umzuschulen. Er dachte, er könne in der Hotellerie bleiben, bei Büroarbeit und Dienst an der Rezeption. Die Arbeitsagentur gewährte ihm eine Zusatzausbildung an einer Hotelfachschule. Im Schnelldurchlauf, wie der 52-Jährige sagt, habe er ein Mini-Betriebswirtschaftsstudium absolviert. Seine Bemühungen waren zunächst erfolgreich. Er bekam in einem großen Hotel in München einen Job. Aber nach nur drei Wochen musste er sich eingestehen, dass er auch diese Arbeit über mehrere Stunden nicht mehr schafft. So habe er versucht, etwas anderes zu machen. Etwa an der Kasse in einem Supermarkt zu arbeiten. Aber für nur vier Stunden am Tag wollte ihn keiner einstellen. "Ich hätte dazwischen auch im Lager aushelfen müssen", sagt Mario K. "Das kann ich nicht. Ich darf nur maximal drei Kilo hochheben." Heute lebt er von seiner Erwerbsminderungsrente und von der Grundsicherung. Auf Letztere würde er gerne verzichten und selbst 450 Euro im Monat dazuverdienen, was er dürfte. "Aber ich finde nichts. Und kann auch nicht." Hinzu kommt, dass er nach einer Radiojodtherapie an Schilddrüsenunterfunktion leidet. Die Medikamente, die er deshalb nehmen muss, haben seinen Körper verändert. Wog er früher 70, sind es jetzt 120 Kilo. Das Gewicht ist Gift für seine von Schmerzen geplagten Gelenke. "Das geht an die Psyche", sagt er.

Mario K. ist im Saarland geboren und auf einem Bauernhof aufgewachsen. In seinem Heimatdorf sei es üblich gewesen, sich gegenseitig zu helfen. "Wenn man so groß wird, dann ist das in einem drin."Anderen helfen bereitet Mario K. Freude und hilft ihm, trübe Gedanken zu vertreiben. Deshalb nutzt er Untersuchungstermine in München, um im Krankenhaus Kindern und älteren Patienten vorzulesen oder einfach nur da zu sein. Seine eigenen Wünsche sind bescheiden. Wegen der Schmerzen braucht Mario K. dringend ein neues Bett mit orthopädischer Matratze. Die Kosten von mehr als 1000 Euro sind für ihn nicht zu stemmen. "Aber ich will nicht jammern", sagt er. "Ich sehe Dinge im Krankenhaus, vor allem schwer kranke Kinder, da geht es mir gut." Ein Therapeut habe ihm einmal gesagt, man müsse seinen Schmerz annehmen. Damals habe er das nicht verstanden. Nun wisse er, was gemeint war: "Man darf sich das Leben nicht vermiesen lassen und nicht nur in einem Eck leidend rumsitzen."

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