SZ-Adventskalender:Ein Leben voller Schmerzen

Kathrin W. muss nach vielen Schicksalsschlägen in eine barrierefreie Wohnung ziehen

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Auf den ersten Blick fällt nur das freundliche, tapfere Lächeln von Kathrin W. (Name geändert) auf. Doch ihr Gang von der Türe zum Küchentisch verrät bereits, dass sie einen langen Leidensweg hinter sich hat: Nur in kleinen Tippelschritten bewegt sich die dreifache Mutter vorwärts, eine Hand sucht immer einen Griff, jede Bewegung schmerzt. Kathrin W. leidet an einer besonders schweren Form der Fibromyalgie, das neben starken Muskelschmerzen ein ganzes Konglomerat an weiteren Beschwerden mit sich bringt - und die, wie im Falle von Kathrin W., die Bewegungsmöglichkeiten sukzessive einschränken, bis sie eines nicht mehr fernen Tages auf einen Rollstuhl angewiesen sein wird.

Bei Kathrin W. blieb es auch nicht bei einem Schicksalsschlag: Zur Fibromyalgie kommen bei ihr noch Depressionen, Asthma und eine Polyneuropathie, einer Nervenschädigung hinzu. Und ihr Sohn, der ihr bislang während der Krankheit immer zur Seite stand, verunglückte jüngst mit dem Motorrad unverschuldet so schwer, dass er bis heute noch nicht wieder vollständig genesen ist - und eben nicht mehr viel helfen kann.

"Bis vor etwa elf Jahren war gesundheitlich bei mir noch alles in Ordnung", erzählt Kathrin W. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt die Ehe bereits in die Brüche gegangen, der Vater der drei Kinder zahlt bis heute so gut wie keinen Unterhalt. Doch die Familie hielt zusammen, vor allem Dank der Unterstützung der Mutter von Kathrin W. "Sie half uns wo immer es ging", sagt sie. Die plötzlich Alleinerziehende "beißt sich durch", wie sie sagt, sie will es schaffen für sich und die Kinder da zu sein, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. Kathrin W. fuhr deshalb Taxi, und zwar die Nachtschichten, damit sie tagsüber für ihre Kinder da sein konnte. Obwohl das eine große Belastung und Anstrengung war, ging es jahrelang gut. Bis vor etwa zehn Jahren ihre Hände begannen, zu schmerzen. Ein eigentümliches Ziehen in den Füßen kam dazu. Kathrin W. schob die Beschwerden zunächst auf Übermüdung und Überarbeitung und machte weiter. "Ich habe halt immer weiter funktionieren wollen", sagt die heute Mitte 40-Jährige. Bis die Schmerzen so stark wurden, dass sie zum Arzt ging. "Ich halte eigentlich viel aus, aber das, Jesus Maria, waren abartige Schmerzen", erzählt sie. Es begann eine Odyssee von Fachmann zu Fachmann, bis endlich die Diagnose stand: Fibromyalgie. Das chronische Schmerzsyndrom gilt als nicht heilbar, nur behandelbar. Kathrin W. hat Schmerzen nicht nur in der Muskulatur und den Sehnen der Arme und Beine, sondern auch im Rumpf und speziell im Rücken. Hinzu kommen Gleichgewichtsstörungen, ihr rechtes Bein ist inzwischen von der Hüfte bis zu den Zehen taub, sie hat Missempfindungen und Schwellungen. "Es kommt ähnlich wie bei Multiple Sklerose in Schüben, und wenn der Schub kommt, bleibe ich danach auf dem schlechteren Stand", sagt sie. Stress und Kälte verstärken die Schmerzen, und Stress bereitet ihr auch die finanzielle Situation: Erst nach monatelangen Kämpfen erhält sie derzeit eine Erwerbsminderungsrente, mit der sie mehr schlecht als recht über die Runden kommt. Ihre Mutter kann nicht mehr helfen, sie ist inzwischen gestorben, die Kinder sind in der Ausbildung respektive im Fall des Sohnes selbst im Krankenstand.

Seit der Diagnose ist Kathrin W. in fachärztlicher Behandlung, und muss inzwischen zwölf verschiedene Medikamente täglich nehmen, um die Symptome zu lindern. Schmerzmittel wie Opiate und Morphine hat sie inzwischen "alle durch", wie sie erklärt. Eigentlich ist sie inzwischen auf einen Rollator angewiesen, "aber ich will noch nicht, ich will noch versuchen, aufrecht zu gehen, solange ich noch kann". Ein Umzug in eine barrierefreie Wohnung steht allerdings bevor, denn Treppensteigen geht inzwischen nicht mehr, auch die Schwellen in ihrer Wohnung könnten sie schnell zu Fall bringen. Ihre 30 Jahre alte, kleine Küchenzeile, damals bereits gebraucht gekauft, und zwischenzeitlich noch von einem Wasserrohrbruch beschädigt, wird den Umzug jedoch nicht überstehen. Woher sie aber das Geld für eine neue nehmen soll, weiß sie nicht. "Der Gedanke daran ist belastend", sagt sie, gibt sich aber tapfer. "Die Hoffnung will ich schließlich nicht verlieren."

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