Sylvensteinspeicher:Eine 1300-Tonnen-Brücke wandert - per Druckluft

Die Isarbrücke beim Sylvensteinspeicher muss erneuert werden. Die alten Fahrbahnen werden um 14 Meter verschoben, um dann als Behelfsüberfahrt zu dienen - eine faszinierende technische Leistung.

Von David Costanzo

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(Foto: Manfred Neubauer)

Das Funkgerät knistert. "Geht", rauscht die Stimme vom einen Ufer. "Geht", bestätigt die andere Seite. Druckluft zischelt - und plötzlich gleitet die ganze Brücke seitwärts, geräuschlos, ansatzlos, wie von Geisterhand. Der Bau wiegt 1300 Tonnen, so viel wie eintausend Mittelklasseautos, bewegt von nichts anderem als Luft. Wie weggepustet.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Michael Kordon ist beeindruckt. Für den Leiter des Staatlichen Bauamts Weilheim ist es das erste Mal, dass er ein ganzes Bauwerk verschieben lässt - und das nächste große Vorhaben am Sylvensteinspeicher. Die Brücke über die Isar an der Bundesstraße 13 zwischen Lenggries und Fall muss erneuert werden, zu marode ist das 60 Jahre alte Tragwerk. Doch es kann nicht einfach abgerissen werden, weil sonst die Menschen hinter dem Stausee in Fall, Vorderriss und Hinterriss rund ein Jahr lang fast von der Außenwelt geschnitten wären. Darum wird die alte Brücke an vier Tagen 14 Meter seitwärts verschoben und als Umfahrung genutzt, während die neue gebaut wird. Klingt leicht, ist aber tonnenschwer. "Ein Wahnsinns-Act", schwärmt Bauamtsleiter Kordon. "Die technische Seite ist sehr spannend."

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(Foto: Manfred Neubauer)

Seit vier Monaten sitzt René Spörr an der Planung der Brückenrochade. Anders als für Behördenchef Kordon ist es für den erst 35-jährigen Bauleiter der Tiroler Firma Teerag-Asdag nicht die erste Brücke, die er verschiebt - sondern die zweite. Aber die erste in Kramsach, die war sogar fünfmal so schwer, eine Eisenbahnbrücke über der Autobahn. "Das muss alles top vorbereitet sein", sagt Spörr. Immerhin hat der 56 Meter lange und zudem noch geschwungene Bau links und rechts zwei Zentimeter Spiel, das passt schon, winkt der Bauleiter gelassen ab. Dann braucht es eigentlich nur noch ein gutes Gleitmittel.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Eine Brücke an sich lebt. Je nach Wetter dehnt sie sich aus und schrumpft wieder. Darum liegt auch die Isarbrücke auf den Pfeilern auf und musste gar nicht erst abgetrennt werden - nur die Asphaltdecke wurde abgesägt. Unter dem Bau haben die 14 Experten quer zum Bau drei Stahlträger-Gleise für den Verschiebebahnhof gebaut. Die Brücke wurde drei Millimeter angehoben und auf den Gleisen gelagert - darunter besonders rutschige Teflonplatten. Diese werden - und jetzt kommt das Gleitmittel ins Spiel - wieder und wieder mit Fett eingespachtelt, damit die Brücke gut flutscht.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Seit Samstagnachmittag schieben die Spezialisten den Bau zur Seite. Und das erledigt die Druckluft, das Größenverhältnis ist faszinierend: Auf jeder Seite haben sie unter der Brücke je einen Zylinder montiert, der nur so groß wie eine Gasflasche für Luftballons ist. Ein Kompressor pumpt die Luft durch zwei Schläuche ein, die wiederum kaum dicker als ein Daumen sind. Dieses kleine Konstrukt bringt den ganzen Druck auf, um die 1300-Tonnen-Brücke entlang einer Stahlstange über die gefetteten Teflonplatten zu pusten. Immer wieder justieren die Spezialisten das Konstrukt neu, aber wenn sie die Brücke gleiten lassen, dann mit ein bis zwei Metern pro Stunde. Darum könnte die Aktion schon am Montag beendet sein, stellt Bauamtsleiter Kordon in Aussicht. Die alte Brücke fixieren, verschweißen, Schlitze zuspachteln, fertig ist die neue Behelfsbrücke. Die Umfahrung ist schon geteert.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Für den Verkehr war die Strecke seit Freitagabend komplett gesperrt, das bedeutet für die Anwohner Umwege von 40 bis 50 Kilometern. Nur einen Autofahrer haben sie kurz nach der Sperrung noch Richtung Lenggries durchgelassen, weil er kein Benzin mehr hatte, und nachts um halb Zwölf noch zwei Mountainbiker. Immer wieder stehen Autos vor der längst verschobenen Brücke, weil sie die Schilder entlang der Bundesstraße ignorieren. Krankenwagen und Schulbusse dürfen den Steg des Wasserwirtschaftsamts nutzen. Bauamtsleiter Kordon freut sich schon auf den nächsten Schritt: Da werden die Stahlträger für die neue Brücke aufgesetzt - mit einem riesigen Autokran.

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