Streit um Denkmalschutz:Zukunft oder Zerstörung

Die Fraunhofer-Gesellschaft will ein modernes Tagungshaus im Südgarten von Kloster Benediktbeuern bauen. Pater und Bürgermeister möchten die Institution weiterentwickeln. Eine Bürgerinitiative versucht, den Standort zu verhindern

Von Konstantin Kaip, Benediktbeuern

Für die einen ist es essenziell für die Zukunft des Klosters, für die anderen zerstört es ein Baudenkmal: Die Fraunhofer-Gesellschaft will ein Tagungshaus im Südgarten des Klosters Benediktbeuern errichten. Nachdem der Gemeinderat die Pläne Ende Juli einstimmig bewilligt hat, liegt der Bebauungsplan nun im Benediktbeurer Bauamt aus. Noch bis 28. September können ihn die Bürger dort einsehen und Einwendungen vorbringen. Die Bürgerinitiative "DenkMal Benediktbeuern" erwägt eine Klage gegen das Bauvorhaben. "Wir werden auf jeden Fall alles tun, was in unserer Möglichkeit steht, um diesen Standort zu verhindern", sagt die Mitinitiatorin Julia Wolff.

Das Tagungshaus, von der Fraunhofer-Gesellschaft auch "Netzwert-Zentrum" genannt, soll dort entstehen, wo der Namensgeber der größten Organisation für angewandte Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen in Europa einst gewirkt hat: parallel zur historischen Glashütte, in der Joseph von Fraunhofer zwischen 1807 und 1819 an der Herstellung von Flintglas forschte, getrennt von einer kleinen Straße und der Klostermauer. Das Münchner Büro Auer+Weber, das den Architektenwettbewerb 2014 gewonnen hat, sieht ein zweistöckiges Hauptgebäude mit einem angebauten Flachbau vor. Das Tagungshaus soll 12,40 Meter hoch und in Holzständerbauweise errichtet werden, mit einem Dach aus Blech statt Ziegeln - ein Zugeständnis der Gemeinde. Dafür wird der Flachbau die Klostermauer nicht überragen. Das Haus soll über 36 Betten verfügen. Die Kosten: 10,5 Millionen Euro.

Eine ursprünglich geplante Tiefgarage wird es nicht geben, sie wäre laut Landesamt für Denkmalschutz ein "zu städtisches Element". Die benötigten Stellplätze sollen in den Großparkplatz des Klosters eingebunden werden, für den ein neues Parkraum-Konzept erstellt wird. In der Gemeinde sieht man das kritisch, da der etwa 500 Meter vom Tagungshaus entfernt ist. Gäste, so die Befürchtung, könnten auf den Parkplatz der Klosterwirtschaft ausweichen. Dennoch hat der Gemeinderat einstimmig für das Vorhaben gestimmt. Das Tagungshaus sei ein "wichtiger Mosaikstein im Gefüge, um die Zukunft des Klosters zu sichern", sagt Bürgermeister Hans Kiefersauer. Es bringe ein anderes Publikum in den Ort und sorge dafür, dass "Benediktbeuern weiterhin positiv in aller Munde bleibt".

Streit um Denkmalschutz: Im historischen Garten des Klosters Benediktbeuern soll das Tagungshaus der Fraunhofer-Gesellschaft entstehen.

Im historischen Garten des Klosters Benediktbeuern soll das Tagungshaus der Fraunhofer-Gesellschaft entstehen.

(Foto: Manfred Neubauer)

Ähnlich sieht man das im Kloster. "Es hat uns sehr gefreut, dass sich Bürgermeister und Gemeinderat einstimmig hinter den Plan gestellt haben", sagt Pater Lothar Bily, neuer Direktor des Klosters. Die Fraunhofer-Gesellschaft, deren Institut für Bauphysik schon in der Alten Schäfflerei des Klosters ein Zentrum für energetische Altbausanierung betreibt, sei "ein solider Partner, der mit seinen Anliegen und Zielsetzungen gut ins Gesamtkonzept unseres Klosters passt". Von dem Tagungshaus verspricht sich das Kloster mehr Veranstaltungen in den eigenen Tagungsräumen, die Gäste dort sollen laut Bily von der Klosterküche verpflegt werden.

Man sei nicht gegen das Tagungshaus, wohl aber gegen den Standort, sagt Michael Wolff von der Bürgerinitiative. "Es ist tragisch, dass ein historisches Baudenkmal durch so einen Bau beschädigt wird." Der historische Obstgarten innerhalb der Klostermauern sei seit mehr als 100 Jahren unverändert und denkmalgeschützt. Zudem liege das Grundstück auf Schwemmland, die aufwendige Fundamentierung der Gebäude habe zu der immensen Kostensteigerung von acht auf mehr als zehn Millionen Euro geführt. "Wir haben gehört, dass man bis zu neun Meter tief gründen müsste, um dort überhaupt ein Haus zu bauen", sagt seine Tochter Julia. "Niemals würde irgendjemand anders die Genehmigung kriegen, an diesem Standort zu bauen", ist sie sich sicher. "Aber die renommierte Fraunhofer-Gesellschaft schmettert niemand ab."

In der Tat hat sich die Haltung der Denkmalschützer geändert. 2013 hatte der damalige Chef des Landesamts für Denkmalpflege, Egon Greipl, noch vor einer "irreparablen Schädigung" des Denkmals Kloster Benediktbeuern durch den Bau gewarnt. Nun scheinen diese Bedenken verflogen. Michael Wolff kann sich das nur damit erklären, dass der Bau "politisch gewollt" sei. Staatsregierung und Wissenschaftsministerium, dem das Denkmalamt untergeordnet ist, wollten das Prestigeprojekt eben verwirklichen.

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Das rote Modell unten zeigt das „Netzwert-Zentrum“ (1). Gegenüber liegt die Fraunhofer-Glashütte (2). Die Basilika mit Kreuzgang (3) und der Arkadenhof (4) liegen dahinter.

(Foto: Manfred Neubauer, Bearbeitung: SZ)

Michael und Julia Wolff wollen jedoch versuchen, den Bau im Klostergarten noch zu verhindern. Wie sie vorgehen, müssten sie noch beraten, sagen sie. "Wir werden uns erst den Bebauungsplan ganz genau anschauen", sagt Michael Wolff. Die Bürgerinitiative habe viele Unterstützer weit über den Ort hinaus, von denen einige sehr versiert in Sachen Denkmalschutz seien, sagt seine Tochter. Man werde nun gemeinsam die Möglichkeiten ausloten und dann eine Strategie entwickeln.

Klosterdirektor Bily kann die Argumente nicht nachvollziehen. Schließlich habe es "umfangreiche Verhandlungen mit dem Landesamt für Denkmalpflege und der Gemeinde" gegeben, nach denen das Baukonzept "deutlich verändert" worden sei. "Wir sind der Meinung, dass sich ein Kloster auch im 21. Jahrhundert noch entwickeln können muss", sagt Bürgermeister Kiefersauer. "Und nicht so zementiert werden muss, wie es 1803 aufgehört hat."

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