Straßenbeiträge:Kommunen an der Kreuzung

Der Beschluss der CSU, die Beiträge für Straßenausbau abzuschaffen, freut viele Hausbesitzer. Die Gemeinden im Landkreis reagieren unterschiedlich: Manche warten ab, andere halten am alten Gesetz fest.

Die Entscheidung der Landtags-CSU, die Beiträge für den Straßenausbau für Anwohner abzuschaffen, treibt die Kommunen und die Bürger um. Neun Gemeinden im Landkreis haben gar keine Straßenausbaubeitragssatzung, kurz Strabs: Egling, Gaißach, Greiling, die Jachenau, Lenggries, Münsing, Sachsenkam, Wackersberg und Schlehdorf. "Gott sei Dank", sagt der Schlehdorfer Bürgermeister Stefan Jocher. "Ich finde sie extrem ungerecht." In der Gemeinde Schäftlarn, in der Jocher Bauamtsleiter ist, habe es schon vor einigen Jahren einen Prozess gegeben. Ein Anwohner hatte dagegen geklagt, dass er für einen Gehweg 4000 Euro zahlen sollte. Der ging zwar an seinem Haus vorbei, aber auf der gegenüberliegenden Seite einer Staatsstraße. Der Mann habe verloren und zahlen müssen, sagt Jocher.

Würde die Strabs angewendet, stünden Schäftlarn neue Verfahren ins Haus, ist er sicher. Denn schon als der Ausbau der B 11 in Hohenschäftlarn öffentlich wurde, seien Anwälte vorstellig geworden. Dort geht es auch um einen Gehweg, 50 Anwohner sind betroffen. 300 000 Euro erwartet Kämmerer Wolfgang Sacher an Einnahmen aus der Strabs. Nach derzeitiger Regelung müssten manche Anlieger fast 50 000 Euro zahlen. Dabei könnten manche die Gehwege gar nicht nutzen. Ihre Grundstücke seien über die Straße "Am Floßgatter" erschlossen, ohne Ausfahrt auf die B11. Sacher hat insgesamt 430 000 Euro an Beiträgen in den Haushalt für 2018 eingeplant, 130 000 Euro von den Anwohnern des Winklwegs. Bescheide werde er aber nicht verschicken, sagt er - weil es noch keine endgültigen Rechnungen gebe. "Man könnte Vorauszahlungen erheben, aber das würde ich nicht machen, außer der Bürgermeister ordnet das an."

In Wolfratshausen wartet man nun zunächst ab, wie das neue Gesetz gestaltet wird. "Wir werden nicht in Aktionismus verfallen", sagt Wolfgang Mucha, beim Bauamt für die Straßen zuständig. Beitragspflichtige Ausbauten würden vorerst nicht abgerechnet. Derzeit stehe etwa die Abrechnung der Sanierung des Moosbauerwegs an, sagt Mucha. "Normalerweise hätten wir demnächst die Informationen an die Anlieger geschickt und dann im Herbst die Beiträge eingefordert." Davon sehe die Stadt nun ab, bis es eine neue gesetzliche Regelung gebe. "Wir werden auch schauen müssen, unter welchen Voraussetzungen die Altfälle zu prüfen sind", sagt Mucha. Ob die bislang eingezogenen Beiträge zurückgezahlt werden müssen und von wem, müsse im neuen Gesetz geregelt werden. "Wichtig ist, dass wir eine Sicherheit haben, wie das Ganze finanziert wird", sagt Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW). Wenn die Kosten über eine Erhöhung der Grundsteuer ausgeglichen würden, zahle letztlich wieder der Bürger. Sollte das Geld jedoch vom Freistaat kommen, sei die Abschaffung der Strabs eine "Erleichterung für die Kommunen", sagt der Wolfratshauser Bürgermeister. "Jeder Straßenausbau braucht viel Überzeugungsarbeit bei den Anliegern." Oft werde es "sehr emotional".

"Als Kommune sind wir grundsätzlich dazu verpflichtet, für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen Beiträge zu erheben", erklärt hingegen Thomas Loibl, Sprecher der Stadt Geretsried. Davon dürfe nur in atypischen Ausnahmefällen abgesehen werden. In Geretsried werden die Beiträge seit 1977 erhoben. "Das bestehende Regelwerk hat sich über die Jahre durchaus bewährt, Probleme hatten wir damit bisher keine", sagt Loibl. Beispiele sind etwa Sanierungen im Ortsteil Gelting, in einem Teilstück der Sudetenstraße, der Egerlandstraße sowie dem Karl-Lederer-Platz. "Die Straßenausbaubeiträge leisten einen wichtigen Beitrag, um unser Straßennetz aufrechtzuerhalten", erklärt Loibl. An dieser Praxis wolle man zunächst feshalten. "Wir halten uns an das, was Gesetz ist."

Auch in Bad Tölz, wo man seit 18 Jahren die Ausbaubeiträge erhebt, bleibt dies vorerst so. Im Rathaus verweist man darauf, dass der Landtag das Kommunale Abgabengesetz ändern müsse, um die Beiträge abzuschaffen. Davon sei dann "am Schluss abhängig, wie in den Kommunen weiter verfahren wird", erklärt Kämmerer Hermann Forster. Unter Zugzwang sieht sich die Stadt nicht. Zum einen sei die Resolution der CSU-Landtagsfraktion kein Gesetz, zum anderen seien in Tölz derzeit "keine abrechnungsrelevanten Projekte offen". In den vergangenen Dekade hat die Kurstadt statistisch rund 129 000 Euro pro Jahr durch Ausbaubeiträge eingenommen. Der Bürger zahle nur einen Prozentsatz, "der sich an der Bedeutung der Straße bemisst", sagt Pressesprecherin Birte Otterbach. Bei teuren Straßenbelägen wie Naturstein müssten die Anlieger nur so viel zahlen, als wäre es Asphalt. In Tölz wünscht man sich eine rasche Entscheidung über die Ausbaubeiträge. "Um die Bürger so früh wie möglich darüber informieren zu können, was sie erwartet", erklärt Otterbach. Etwa im Altstadtteil Gries, der vermutlich bis 2020 hergerichtet werden soll.

Icking kann nach Angaben von Kämmerer Stefan Fischer warten, bis eine Gesetzesänderung durch ist. "Bei uns ist derzeit nichts abzurechnen, und neue Ausbauten stehen auch nicht an." Geklagt hätten Anwohner bei Erhebungen bislang nicht, wohl aber Widersprüche eingelegt. "Die Rechtsaufsicht im Landratsamt hat allerdings jedes Mal die Rechtmäßigkeit festgestellt, so dass die Widersprüche zurückgezogen wurden", sagt Fischer.

In Penzberg konnte sich der Stadtrat nicht durchringen, die Strabs einzuführen, obwohl das Landratsamt Weilheim die Stadt dazu ermahnt hat. Kämmerer Johann Blank warb für die Satzung, denn nur wenn die Stadt alle Einnahmemöglichkeiten ausschöpfe, erlaube die Kreisbehörde etwa Kreditaufnahmen. Der Stadtrat will den Bürgern die finanzielle Belastung aber nicht zumuten, da sie nicht gerecht verteilt sei.

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