Städtepartnerschaft:11 000 Kilometer entfernt und doch so nah

Seit 30 Jahren sind Wolfratshausen und die japanische Stadt Iruma befreundet. Ging es früher beim Besuch ganz schön steif zu, so gibt es heute auch Umarmungen

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Von ihren Gästen aus Japan haben die Wolfratshauser wieder etwas gelernt: Zu der Delegation aus der Partnerstadt Iruma, die seit Dienstag in Wolfratshausen zu Besuch ist, gehören diesmal drei Gärtner, die sich gemeinsam mit den Mitgliedern des Partnerschaftsvereins um den Japanischen Garten an der Loisach kümmern. Ihnen hilft der Münchner Gartenbauunternehmer Max Ruth, der sich auf die fernöstlichen Gärten spezialisiert hat und fließend Japanisch spricht. "Ein Glücksfall für uns", sagt Dietlind Diepen, zweite Vorsitzende des Partnerschaftsvereins. "Er kann uns genau übersetzen, wie man mit den einzelnen Bäumen umgehen muss."

Der Garten, den Iruma Wolfratshausen 2002 zur 1000-Jahr-Feier der Stadt geschenkt hat, soll für die immerwährende Freundschaft der beiden Städte stehen. In dem traditionellen Landschaftsgarten symbolisiert der Kies den ewigen Kreislauf des Wassers. Am Mittwoch waren die Gärtner dort damit beschäftigt, die Bäume radikal zurückzuschneiden. Ein Gewinn für die ehrenamtlichen Wolfratshauser, die sich von März bis Oktober um die Anlage kümmern. "So werden die Schneidearbeiten viel, viel seltener", sagt Diepen.

Städtepartnerschaft: Ozapft is auf Japanisch: Wolfratshausens Dritter Bürgermeister Helmuth Holzheu 2011 in Iruma beim Anstich eines Sake-Fasses.

Ozapft is auf Japanisch: Wolfratshausens Dritter Bürgermeister Helmuth Holzheu 2011 in Iruma beim Anstich eines Sake-Fasses.

(Foto: Privat/oh)

Der Besuch der Gäste um Bürgermeister Tasuo Tanaka, die auch wieder Trachten anprobiert und das Münchner Oktoberfest besucht haben, ist in diesem Jahr etwas Besonderes. Schließlich jährt sich die Freundschaft der beiden Städte zum 30. Mal: Am 14. Oktober 1987 haben die damaligen Bürgermeister Erich Brockard und Jinpei Mizumura den Freundschaftsvertrag im Wolfratshauer Rathaus unterzeichnet. Das runde Jubiläum feiern die Japaner mit dem Partnerschaftsverein am Samstagabend in der Loisachhalle.

Der "Schwesternstadtvertrag", wie die Japaner die Verbindung liebevoll bezeichnen, geht auf das Jahr 1981 zurück. Damals gastierte zum ersten Mal das Orchester der Musashino Musikakademie aus Tokyo in der Loisachhalle, unter Leitung des Neufahrners Joseph Zilch. Der Campus der Akademie liegt in Iruma, und so kam der Kontakt zu Wolfratshausen zustande. Die japanische Kommune 40 Kilometer außerhalb von Tokyo suchte eine Schwesternstadt mit Gemeinsamkeiten: Beide Städte liegen an einem Fluss und im Speckgürtel einer Großstadt und beide haben Industrie- und Gewerbegebiete. Dass Iruma mit 160 000 Einwohnern deutlich größer ist als Wolfratshausen, spielte keine Rolle. Diepen erinnert sich noch gut an die Vertragsunterzeichnung. Zum Erstaunen der Stadträte habe Brockard eine Rede auf Japanisch gehalten, erzählt sie. Den Text habe er aus dem Deutschen übersetzen lassen und dann immer wieder auf Tonband angehört und geübt. Ob die Japaner alles verstanden haben, wisse sie nicht, sagt Diepen. Aber sie hätten höflich genickt.

50 Jahre Stadt Wolfratshausen

Irumas Freundschaft bereichert Wolfratshausen - wie mit Musik bei der 50-Jahr-Feier der Stadterhebung.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Ihre erste Reise nach Iruma trat Diepen 1991 an, damals noch als Dritte Bürgermeisterin. "Es war alles sehr förmlich, ziemlich steif", erinnert sie sich. In einem Ordner hat sie unter anderem die Sitzordnungen aufbewahrt, die es für jeden Restaurantbesuch gab. "Wir mussten das Lokal der Rangfolge nach betreten", erzählt sie. "Erst der Erste Bürgermeister mit Frau, dann der Zweite." Die Frauen der Japaner hätten nicht dabei sein dürfen, anfänglich auch nicht auf den Reisen nach Wolfratshausen. 2005 habe Bürgermeister Hiroshi Kinoshita seine Gattin mitgebracht, die vor der Loisachhalle einen Erntetanz aufgeführt habe. "Das war eine Sensation."

Im Laufe der Jahre ist die Beziehung der Städte gewachsen, der Umgang hat sich geändert: Die formelle, schüchterne Zurückhaltung von einst sei einer entspannten, fröhlichen Herzlichkeit gewichen, sagt Diepen. "Heute werden wir zur Begrüßung umarmt. Das wäre vor 30 Jahren undenkbar gewesen." Auch Ludwig Gollwitzer, der Diepen an der Spitze des Partnerschaftsvereins abgelöst hat, erinnert sich an deutlich mehr Distanz bei seinem ersten Japanbesuch. Inzwischen sei es wesentlich lockerer. "Das war ein ganz großer Schritt."

Städtepartnerschaft: Beim aktuellen Besuch mit Bürgermeister Tasuo Tanaka im Japanischen Garten (2. v.li.).

Beim aktuellen Besuch mit Bürgermeister Tasuo Tanaka im Japanischen Garten (2. v.li.).

(Foto: Elena Winterhalter)

Die Schwesternstädte sind sich nahe gekommen - trotz der fast 11 000 Kilometer Luftlinie, die sie trennen. Seit 1991 vergeht hier wie dort kein größeres Stadtfest ohne den Besuch der jeweiligen Gäste. Stolz sind beide Städte auf ihren jährlichen Jugendaustausch, der nun auf junge Erwachsene ausgedehnt werden soll. Die anfänglichen Zweifel, ob eine Partnerschaft über eine so große Distanz funktioniert, sind längst verflogen. In Wolfratshausen begreift man die Freundschaft zu Iruma als große Bereicherung. Nicht nur wegen des Japanischen Gartens an der Loisach, der Spaziergängern einen Ort zum Innehalten und Kindern reichlich Möglichkeiten zum Spielen bietet. Sondern auch, weil sie ihnen ermöglicht, bei einem Besuch in der Partnerstadt Japan hautnah zu erleben und "die faszinierende Kultur in ihrer Vielfarbigkeit zu erfahren", wie Diepen sagt. In Iruma wiederum gehören die Wolfratshauser mit ihren Trachten zum Mandoh-Fest, dem prächtigem traditionellen Laternenfest im Herbst. Ende Oktober wird Gollwitzer mit einer 15-köpfigen Delegation zum Gegenbesuch aufbrechen. Seine Lederhose nimmt er selbstverständlich mit. "Die ist obligatorisch", sagt er.

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