Stadt will Areal nicht kaufen:Bunker ohne Kunst

Stadt will Areal nicht kaufen: Albrecht Widmann zieht nach England. Den Kunstbunker bietet er in München an, er will ihn möglichst bald verkaufen.

Albrecht Widmann zieht nach England. Den Kunstbunker bietet er in München an, er will ihn möglichst bald verkaufen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Albrecht Widmann verlässt Geretsried. Die Nachfolgenutzung des Ausstellungsraums ist unklar

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Eine Ära neigt sich dem Ende entgegen. Nachdem Albrecht Widmann den Kunstbunker am Isardamm in Geretsried zehn Jahre lang am Laufen gehalten hat, fordere das Alter von ihm, dass er kürzer trete, sagt er. Die Vorbereitungen sind getroffen. Widmann zieht nach England, wo er an der Küste ein Haus gekauft hat. Die Beschreibung seines neuen Zuhauses klingt mehr nach Südsee. Kilometerlanger Sandstrand, Palmen und Pinien vor dem Haus, Winter ohne Schnee - höchstens mal eine dünne, weiße Zuckerschicht, die nach einer halben Stunde wieder weg sei. Dort könnte der 70-Jährige schon längst die Füße hochlegen und mit zehnjähriger Verspätung seinen Ruhestand antreten. Und doch kehrt er immer wieder nach Geretsried zurück. Zwangsläufig. Denn noch ist nicht alles geregelt: Der Kunstbunker soll in neue Hände übergehen - wie es aussieht nur als Bunker, ohne die Kunst.

Vier Jahre lang habe er geglaubt, dass es anders kommen würde, sagt Widmann: Dass jemand den Bunker mitsamt der Kunst übernehmen würde, zumindest teilweise. Mit der Stadt Geretsried habe es auch einen ganz konkreten potenziellen Käufer gegeben. Kein Luftschloss, sondern eine handfeste Angelegenheit - die Zusage per Handschlag habe er bereits erhalten. Seit 1965 war Widmann im Galeriebetrieb tätig. Vor 13 Jahren wollte er sich zur Ruhe setzen und kam so nach Geretsried. Dort sei er häufig von Künstlern angesprochen worden - Malern und Bildhauern mit solider Ausbildung, die beklagten, sie hätten keinen Raum zum Ausstellen. Der Kunstbunker sei in kürzester Zeit zum Selbstläufer geworden, sagt Widmann. Zehn Jahre lang habe er ihn "mit Herz und Seele betrieben" - aber zehn Jahre, von 60 auf 70 Jahre, "das ist eine Zeit", sagt Widmann, "in der man ganz sichtlich abbaut und auch nicht mehr die Kraft hat".

In diesen zehn Jahren hatte Widmann zahlreiche Gäste mit Rang und Namen, darunter Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und der deutsche Botschafter in Prag, Hermann Huber. Manche seiner Ausstellungen machen noch heute von sich reden, etwa die Jugendstilausstellung. "Heute noch, wenn ich in die Pinakothek der Moderne gehe, sagt man zu mir: Diese Ausstellung ist museal gewesen. So großartig. Die hätte man in München zeigen können." In der Stadt Geretsried aber führte der Kunstbunker offenbar jahrelang eine Art Parallelleben: 45 Ausstellungen habe er in den vergangenen zehn Jahren im Kunstbunker gezeigt, sagt Widmann, "und wenn es hochkommt, habe ich bei zehn von der Stadt 500 Euro bekommen - im Jahr".

Schon vor gut vier Jahren habe er das Gespräch mit der früheren Bürgermeisterin Cornelia Irmer gesucht und angekündigt, dass die Zeit kommen werde, "wenn ich nicht mehr kann". Da sei ihm klar gesagt worden, dass der Kunstbunker "ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft" sei, man ihn wolle und brauche. "Solange ich im Amt bin, wird er in die Stadt übergehen", zitiert Widmann Irmer. Hätte die Stadt den Kunstbunker übernommen, hätte er weiterhin seine guten Beziehungen in die Kunstwelt spielen lassen und sich als Berater engagiert, sagt Widmann. Im Gespräch gewesen seien auch andere Nutzungsmöglichkeiten des Bunkers - etwa als Kultur- oder Bürgerzentrum, selbst für Konzerte wäre Platz vorhanden. Vor dem Gebäude befinden sich befestigte Flächen, auf denen Bauten genehmigt seien, für Wohnungen, ein Museum, ein Pflegeheim oder eine Gaststätte. Vor allem letzteres fehle am Isardamm, findet Widmann. Dass die Stadt den Kunstbunker übernimmt, "war mit Handschlag fest ausgemacht". Drei- oder viermal habe sich sein Anwalt mit der Bürgermeisterin getroffen. Auch über den Preis sei geredet worden. Dann war Irmer nicht mehr im Amt - "und ich habe erfahren, dass wenig gemacht worden ist", beklagt Widmann. Kurz darauf habe er ein schriftliches Angebot der Stadt bekommen, mit einem Preisvorschlag, der "gelinde gesagt nicht erfreulich" gewesen sei, er habe "weit unter dem Minimum" gelegen. Schon vor Jahren habe es Kaufinteressenten gegeben, sagt Widmann. Denen habe er abgesagt - wegen der Absprachen mit der Stadt. Und nun die Absage von Bürgermeister Michael Müller: "Der hat mir gesagt, es ist kein Geld da. Aus."

Für zahlreiche andere Projekte gelte das nicht, und das ist es, was Widmann so enttäuscht. Das Dach des Eisstadions etwa - für die Summe, die es kosten werde, könnte die Stadt dreieinhalbmal den Kunstbunker haben, rechnet Widmann vor. Mit 13 000 Quadratmetern Skulpturenpark, Bunker, Musik- und Ausstellungshallen, Konferenzräumen und so weiter. "Dafür habe ich kein Verständnis mehr. Wo ist da die Relation?"

Inzwischen habe er den Kunstbunker in München zum Verkauf angeboten. Der erste Interessent, der ihm gefalle, werde den Zuschlag erhalten. Ob der neue Eigentümer den Kunstbunker als Kulturstätte weiterbetreiben werde? Er wolle nichts prognostizieren, sagt Widmann. Wahrscheinlich scheint es aber nicht. "Ich mache niemandem Vorwürfe", sagt Widmann. "Ich bin nur traurig."

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