Sozialer Ort:"Schenk-Räumchen" für Bedürftige

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Tanja Hammerle, Mutter dreier Kinder, hat Armut selbst erlebt. Jetzt will sie in Bad Tölz anderen unter die Arme greifen, denen es heute ähnlich geht - Rentnern, Alleinerziehenden und Asylbewerbern. Am Montag ist Eröffnung.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Tanja Hammerle weiß, was es bedeutet, arm zu sein. Sie kennt den Schmerz einer Mutter, wenn sie ihren Kindern nicht einmal ein Eis kaufen kann, weil das Geld hinten und vorne fehlt. Vor einiger Zeit sei sie "finanziell ganz unten" gewesen, erzählt die 33-Jährige. Sie bekam Hartz IV, litt unter Krankheiten, musste jeden Cent ein paar Mal umdrehen. Damals ging sie in Benediktbeuern zu einer Privatinitiative, die Kleidung, Spielzeug und andere Dinge des täglichen Bedarfs einfach verschenkte. Inzwischen hat sich die Mutter dreier Kinder wieder hochgekämpft. "Jetzt geht's mir gut, und ich will etwas zurückgeben", sagt Hammerle. Nach dem Vorbild in Benediktbeuern eröffnet sie am Montag, 13. April, das "Tölzer Schenk-Räumchen", das in einer Garage des evangelischen Gemeindehauses am Schützenweg untergebracht ist.

In dem etwa 20 Quadratmeter kleinen Raum, den ihr Mann Josef in den vergangenen Wochen renovierte, hat sie alles fein säuberlich geordnet. In den Regalen links und auf ein paar Ständern stapeln sich Kleidungsstücke für Erwachsene, unterteilt nach Größen. Rechts liegen Bücher, Kleider und Spielsachen für Kinder aus. Im rückwärtigen Teil der Garage sind Teller, Gläser, CDs, Videokassetten, Bücher, Schallplatten, Schuhe und ein paar Deko-Stücke aneinander gereiht. Zudem hängt eine Pinntafel an der Wand für Angebote, die von ihrer Größe her nicht in den überdachten Abstellplatz passen, beispielsweise für Möbel. Das Sortiment hat Hammerle über das Internet via Facebook organisiert. Dort habe sie "mehr als 200 Mitglieder" gefunden, sagt sie.

In das "Schenk-Räumchen" sollen vor allem arme Rentner, Alleinerziehende und auch Asylbewerber kommen. Junge Mütter könnten dort Kleider, die ihren Kinder zu klein seien, abgeben und dafür größere Klamotten mitnehmen, sagt die 33-Jährige. Oder auch mal ein Spielzeug austauschen. All dies kostet die Kunden nichts. Im Kleidermarkt des Roten Kreuzes müsse man zum Beispiel für eine Bluse drei Euro zahlen, das sei zwar nicht viel, fehle den Bedürftigen aber an anderer Stelle, meint Hammerle. "Wenn man drei Euro spart, ist für die Kinder auch mal ein Krapfen in der Bäckerei drin."

Um ein Haar hätte die 33-Jährige ihr Vorhaben aufgegeben. Auf der Suche nach einem Quartier blitzte sie in Bad Tölz überall ab. Im Rathaus, im katholischen Pfarramt, bei der Caritas, beim Roten Kreuz. Die einen sagten ihr, ein solches Angebot sei in der Kurstadt nicht notwendig, die anderen wiesen sie ab, weil sie keinen Raum dafür hätten. Das Projekt wäre vermutlich gestorben, hätte sich nicht Margot Kirste eingeschaltet. Aus einem Artikel in einer Lokalzeitung erfuhr die Stadträtin (FWG) von Hammerles vergeblichen Mühen und fand es enttäuschend, dass sich "in einer so großen Stadt wie Bad Tölz" kein Platz für eine solche Schenke fand. "Das kann doch nicht sein." Auf einer Zugfahrt nach München traf sie dann Birgit Steinbach. Die Frau des evangelischen Dekans Martin Steinbach versprach ihr, die Garage am Gemeindehaus zur Verfügung zu stellen. Zunächst ohne Wissen ihres Mannes, dem sie das erst später mitteilte. "Ich habe einen günstigen Zeitpunkt abgewartet, um es ihm zu beichten", sagt sie und lächelt. Der Dekan hatte jedoch nichts einzuwenden, ebenso wenig der evangelische Kirchenvorstand.

Tanja Hammerle will darauf achten, dass geschenkten Waren auch wirklich an Bedürftige gehen - und nicht etwa an Leute, die daraus ein Geschäft machen und sie anschließend auf einem Flohmarkt verkaufen. "Wenn einer bloß Markensachen herauszieht, werde ich das schon unterbinden", sagt sie. So jemand bekomme dann Hausverbot. Für Birgit Steinbach ist das "Schenk-Räumchen" auch eine Möglichkeit für Senioren, die in ein Heim ziehen müssen, jene Besitztümer für einen guten Zweck abzugeben, die sie weder mitnehmen noch Angehörigen überlassen können. "Mir ist aufgefallen, dass immer wieder alte Leute fragen, wohin sie mit ihren Sachen sollen", berichtet sie. Nach Kirstes Auffassung ist das Projekt ein ergänzendes Hilfsangebot in Tölz, aber keine Konkurrenz zu bestehenden Einrichtungen wie dem BRK-Kleidermarkt.

Eine Heizung hat die kleine Garage nicht. Deshalb suche man schon jetzt nach einer größeren Unterkunft für den Winter, sagt Kirste. "Es wäre toll, wenn wir einen Raum hätten, den man heizen und zumachen kann." Zudem brauche man auch noch ehrenamtliche Helfer, um die bisher auf drei Tage in der Woche beschränkten Öffnungszeiten zu erweitern. Für die wäre es nicht schlecht, wenn jemand eine Kaffeemaschine stiften könnte, fügt die Stadträtin noch hinzu. Einen anderen Wunsch hat Tanja Hammerle. Man möge doch bitte den "stillen Tölzer Geschäftsmann" erwähnen, der die Regale gespendet habe, aber anonym bleiben wolle. Die passten alle von Breite und Tiefe her genau in die Garage hinein, "das war eine Supersache."

Das "Tölzer Schenk-Räumchen" im evangelischen Gemeindehaus, Schützenweg 6, ist montags von 16 bis 18 Uhr, mittwochs von 16 bis 19 Uhr und samstags von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Weitere Informationen sind per E-Mail, brotzeit81@gmx.de, zu bekommen.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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