Sozialdemokraten:Krisengeplagt

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Die Schäftlarner SPD kämpft mit alternden Mitgliedern, ausbleibendem Nachwuchs und wenigen Stimmen. Seit zehn Jahren ist die Partei mit nur mehr einem Sitz im Gemeinderat vertreten. Ein Ortsverein bangt um sein Überleben

Von Katharina Schmid, Schäftlarn

Hätte das mit der Einladung geklappt, dann säßen an diesem Montagabend Anfang Juni vielleicht doppelt so viele Mitglieder um den runden Massivholztisch in der Nische im Schäftlarner Klosterbräustüberl. Es hat aber nicht geklappt. Die Mail mit der Einladung, nie angekommen. Der Stammtisch der SPD, fast leer. Immerhin zu viert sitzen sie um den Tisch, drei Männer, eine Frau. Am Versammlungstisch im Schäftlarner Rathaussaal sitzt seit zehn Jahren nur noch ein Vertreter des SPD, Ortsvorsitzender Hans-Jürgen Heinrich, gestern im Alter von 82 Jahren verstorben. Es sind keine guten Zeiten für den 1946 gegründeten Ortsverband.

"Wenn wir nicht aussterben wollen, müssen wir sehen, dass wir junge Leute bekommen", sagt der stellvertretende Vorsitzende, Dietrich Seydel, 77 Jahre. Zu Hochzeiten Anfang der 1950er Jahre zählte der Verein 148 Mitglieder, heute sind es 17 und es gibt Schwierigkeiten, überhaupt die Liste für die Kommunalwahl zu füllen.

Das Problem wird offen kommuniziert. "Neue Mitglieder sind nur wenige zu uns gestoßen. Ohne neue Mitglieder ist der Fortbestand des Ortsvereins gefährdet", war auf der Homepage der Schäftlarner SPD bis vor wenigen Tagen zu lesen. Aktuell ist diese nicht mehr erreichbar, wird überarbeitet, angepasst an den frischeren Onlineauftritt, den nach und nach alle bayerischen SPD-Ortsverbände erhalten. Allein in den vergangenen 15 Jahren ging die Zahl der Mitglieder von 31 auf 17 zurück, weiß Kassier Herbert Herz, 76, vor allem durch Todesfälle.

Was die Mitgliederzahl andeutet, untermauert das Abschneiden bei den Kommunalwahlen 2014: mit 7,9 Prozent der Stimmen und einem Sitz wurde die SPD erneut schwächste Kraft im Gemeinderat. Für Seydel spiegelt sich in dieser Schwäche der bundesweite Trend wider. Am Stammtisch gibt es aber auch selbstkritische Stimmen. Zu wenig sichtbar sei man in der Kommune, wirft Bernd Küpper, 82, in die Runde. Oft werde er auf Festen oder anderen öffentlichen Veranstaltungen mit Fragen konfrontiert wie: "Was ist eigentlich los bei der SPD? Man sieht nichts von euch, man hört nichts." Solche Fragen seien unangenehm. Zu passiv, zu wenig präsent in der Öffentlichkeit, das ist die Diagnose des altgedienten Parteimitglieds Küpper. Immerhin sei dei Aktivenquote hoch, hält Florian Bieberbach, mit 44 Jahren eines der jüngeren Mitglieder, dagegen. Und der Geist der Sozialdemokratie, der sei lebendig wie eh und je, sagt Herz.

Dass die ideologische Überzeugung ihrer Mitglieder für eine Partei auf kommunaler Ebene nicht ausreicht, um öffentlich wahrgenommen zu werden, ist den SPDlern am Stammtisch jedoch auch bewusst. Für die Zukunft habe man sich deshalb vorgenommen, wieder stärker darauf zu setzen, Standpunkte zur Kommunalpolitik zu entwickeln. Themen gäbe es schließlich genügend, übrigens viele, die ursprünglich auf Ideen der SPD zurückgehen würden, die man sich in der Vergangenheit aber von den anderen Parteien habe stehlen lassen. Beispiel: der barrierefreie Ausbau des Bahnhofs Ebenhausen. 2004 habe er sich als Erster dem Thema angenommen, erzählt Küpper. Mittlerweile hätten die Forderung alle anderen Parteien übernommen. Barrierefrei ist der Bahnhof bis heute nicht, weshalb das Thema wiederbelebt werden müsse, sagt Herz: "Wir geben das doch nicht einfach so an die anderen ab." "Wir haben es schon lange hergegeben", erwidert Küpper.

Kassier Herbert Herz (links) und der stellvertretende Vorsitzende der SPD Schäftlarn, Dietrich Seydel, schauen der Zukunft ihrer Partei mit gemischten Gefühlen entgegen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Schwäche eines Ortsvereins bestehe nun mal auch darin, so Herz, dass man nicht "gnadenlos" Projektmanagement betreiben könne, weil es parteiintern immer Reibungspunkte gäbe, die ein zielstrebiges Vorgehen manchmal "mühsam" machten. Bieberbach, ehemaliger Jusosvorsitzender, diagnostiziert ein weiteres Problem: Die sozialdemokratischen Werte seien zum gesellschaftlichen Grundkonsens geworden. "Aus Sicht eines Amerikaners gibt es in Deutschland schwarze, grüne und gelbe Sozialdemokraten", sagt er. Das Original gehe da gerne mal unter.

Und die Schäftlarner SPD ist damit nicht allein. Auch in Bund und Land ist dieser Trend zu beobachten. In Benediktbeuern-Bichl-Bad Heilbrunn und in Münsing etwa sitzt ebenso nur jeweils ein Mitglied im Rat; in Lenggries gar keines. Die SPD müsse grundsätzlich neu anfangen, ein neues großes Thema finden, sagt Herz, sonst bleibe das "ein Dahingesieche" auf allen Ebenen.

Kleine Neuanfänge der Partei sind immer dann zu beobachten, wenn Wahlen anstehen. "Dann wachen wir auf", sagt Herz. Dann gäbe es Infostände, dann würden die Mitglieder schon mal in dem Regen vor dem Edeka in Ebenhausen stehen, um Handzettel zu verteilen. "Uns verlässt der Mut nicht. Erst in der Krise zeigt sich der wahre Sozialdemokrat", so Herz, der aus einem katholischen Dorf in Baden-Württemberg kommt, weshalb ihm der Zustand der Schäftlarner SPD nicht fremd sei. Bieberbach fügt an: "Bei uns ist das wie bei den Sechzger-Fans. Wir sind leidensfähig und wenn was gut läuft, freut man sich sehr." Auch wenn der Leidensweg lang sei, der Kampf sei schließlich auch schön, sagt Regine Achenbach, 61, einzige Frau am Stammtisch. Sie kommt aus dem "roten Hessen" und kennt das ganz anders, trat als Spross einer sozialdemokratischen Familie und aus Begeisterung für Willy Brandt schon mit 16 Jahren in die Partei ein. Anfang der 1970er Jahre, als Achenbach in Hessen ihr Parteibuch erhielt, war auch die Schäftlarner SPD noch stark und besetzte sechs von 16 Sitzen im Gemeinderat. Trotz der Schwäche der Partei ist Frustration nicht die Sache der Schäftlarner Genossen. Man werde weitermachen, dann gehe es irgendwann auch wieder bergauf.

© SZ vom 15.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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