Serie Wirtschaftswunder, Folge 1:"Das Gesamtkonzept muss passen"

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In vielen Orten im Landkreis stehen die Wirtshäuser leer oder ein neuer Pächter wird gesucht. Monika Poschenrieder, Kreisvorsitzende im Hotel- und Gaststättenverband, beobachtet dies mit Sorge

Interview von Benjamin Engel

SZ: Frau Poschenrieder, sind die vielen leer stehenden Wirtshäuser im Landkreis normale Fluktuation oder ein Symptom für eine bedrohte Wirtshauskultur?

Monika Poschenrieder: Ein absolutes Symptom für einen bedrohten Mittelstand in diesem Land. Die umfangreichen Auflagen erzeugen einen ungeheuren Druck, der für die kleinen Betriebe immer größer wird. Das Wirtshaussterben ist ja bekannt. In 3000 Dörfern in ganz Bayern gibt es heute schon kein Wirtshaus mehr. Und diese werden auch zu bleiben. Solange sich die bürokratischen Rahmenbedingungen nicht ändern, werden noch viel mehr gastronomische Betriebe gezwungen sein aufzuhören.

Das klingt ziemlich pessimistisch. Was macht den Wirten denn ganz konkret so zu schaffen?

Das fängt mit den hohen Brandschutzauflagen an und hört bei den umfangreichen Dokumentationspflichten auf, ob bei der Allergenverordnung, der Hygieneampel oder auch der Arbeitszeiterfassung. Die Mitarbeiter dürfen nur noch höchstens zehn Stunden am Tag arbeiten, selbst wenn sie gerne länger wollten. Sie müssen 15 Sonntage im Jahr frei haben. Wer einem Lieferanten einen Kaffee ausgibt, muss selbst das dokumentieren. Sonst bekommt er Probleme bei der nächsten Betriebsprüfung. Gastwirte brauchen heutzutage umfangreiche betriebswirtschaftliche Kenntnisse, müssen genau kalkulieren können. Damit sind viele überfordert. Steht eine Übergabe an, hören deshalb viele lieber gleich auf.

Wie sähe Abhilfe aus?

Die Bürokratie müsste wieder auf ein normales Maß zurückgefahren werden. Auch eine Mehrwertsteuersenkung auf sieben Prozent wie im Hotelgewerbe würde uns helfen. Denn die Gewinnspanne ist äußerst gering. Gastwirte müssen im Grunde alles wieder komplett reinvestieren, sonst verschwinden sie vom Markt. Die hohen Kosten für Personal, technische Geräte und Energie belasten uns sehr. Unser Verband unterstützt die Gastwirte aber auch sehr, bietet Seminare und Vorträge zu den gesetzlichen Vorgaben an.

Würden Sie davon abraten, heute noch Gastwirt zu werden?

Nein. Denn es ist ein sehr spannender und vielseitiger Beruf. Dazu zählt auch der Spaß mit den Gästen, besonders, wenn sie etwas zu feiern haben. Die meisten Wirte gehen mit viel Enthusiasmus und Freude in die Branche, egal ob sie ein guter Koch oder ein Quereinsteiger sind. Aber man muss sich bewusst machen, dass sehr viel mehr dazu gehört, einen erfolgreichen Betrieb zu führen, als gut kochen zu können, denn die bürokratischen Anforderungen sind enorm.

Allein durch weniger Bürokratie sind alle Wirte aber nicht gleich perfekte Gastgeber?

Prinzipiell müsste jemand, der Gastwirt werden will, erst einmal eine Sachkundeprüfung ablegen, damit er sieht, was alles auf ihn zukommt. Dann könnte er entscheiden, ob das etwas für ihn ist. Bisher ist das nicht vorgeschrieben. Daneben ist Disziplin sehr wichtig. Persönliche Dinge gilt es auch hintanzustellen. Auch muss man seine eigene Arbeit ständig überprüfen. Gastwirte müssen jeden Tag ein bisschen was verändern oder auch einmal die Speisekarte umgestalten. Das heißt aber nicht, dass man 24 Stunden in seinem Betrieb sein muss. Denn eine persönliche Balance, Zeit für sich selbst, ist nötig. Schließlich gilt es nicht nur im, sondern auch am Betrieb zu arbeiten.

Was macht also einen guten gastronomischen Betrieb aus?

Für mich ist die Qualität der Speisen wichtig und vor allem muss ein gutes Konzept vorliegen. Wer jedoch qualitativ hochwertig arbeiten will, muss höhere Preise verlangen. Viele Neueröffnungen fangen ja erst einmal mit Dumpingpreisen an. Da rennen dann die Leute erst mal hin und nehmen den etablierten Wirten die Kunden weg. Doch letztlich wissen dann die Gäste gute Qualität zu schätzen. Eine Gastwirtschaft sollte auch möglichst ein Alleinstellungsmerkmal haben. Denn der kulinarische Rundumwurf, bei dem alle Speisekarten gleich aussehen, ist nicht mehr gefragt. Das muss nicht besonders aufwendig sein. Es kann die authentische, urige Bergwirtschaft sein, die hochwertigen Speck anbietet, oder eine Gastwirtschaft, die für ihren grandiosen Schweinebraten bekannt ist.

Hanka Petzold ist Bedienung in Poschenrieders Forellenhof. (Foto: Manfred Neubauer)

Regionale Lebensmittel spielen eine immer größere Rolle.

Das ist ein Megatrend, schürt natürlich auch Erwartungshaltungen beim Gast. Die Tiere sollen glücklich und artgerecht aufwachsen, die Lebensmittel nicht genmanipuliert sein und am besten biologisch und natürlich angebaut sein. Wer darauf setzt, muss als Gastwirt natürlich ehrlich sein und gänzlich darauf verzichten, Produkte aus der Massentierhaltung zu kaufen. Für den Gast ist allerdings der regionale Begriff nicht so eng gesetzt, es dürfen ruhig Produkte aus ganz Bayern sein. Das macht es für Gastwirte im Landkreis leichter. Denn schließlich wachsen hier kein Spargel und kaum Getreide.

In manchen Regionen Bayerns kommen wochentags kaum noch Gäste. Wie ist denn die Situation im Landkreis?

Grundsätzlich steigt der Außer-Haus-Verzehr an. Die Leute gehen nicht weniger ins Wirtshaus. Gute Betriebe haben keinen Rückgang zu verzeichnen. Allerdings wird es immer schwieriger, alle Anforderungen zu erfüllen und den hohen Ansprüchen der Gäste zu genügen. Das Ambiente wird immer entscheidender. Die Gäste achten sehr genau darauf, wie ein Betrieb sich präsentiert. Wir dekorieren öfter um, legen Wert auf frische Blumen, Kerzen und saisonale Dekorationen. Das fängt mit der Entscheidung für Tischdecken, Papier- oder Stoffservietten bis hin zu Kerzen an. Viele Details sind wichtig. Letztlich muss aber das Gesamtkonzept passen. Nur gutes Essen oder nur gutes Ambiente zu bieten ist zu wenig. Man muss sich stetig weiter entwickeln und investieren. Zufällig funktioniert Gastronomie heute nicht mehr. Wir haben auch Probleme, gut ausgebildete Mitarbeiter zu finden, da die Branche als Arbeitgeber leider kein sehr gutes Image hat. Was ich persönlich sehr schade finde, denn eigentlich sind unsere Berufsbilder sehr anspruchsvoll und vielseitig und können sehr viel Freude bereiten. Es gehört natürlich auch dazu, sein Personal regelmäßig zu schulen und Weiterbildungsmaßnahmen anzubieten.

Sie sprachen davon, wie wichtig Präsentation im Gastgewerbe ist. Eröffnet das Internet da nicht neue Möglichkeiten?

Das spielt eine große Rolle für einen erfolgreichen Betrieb. Ich verstehe gar nicht, dass einige Gastwirte das nicht nutzen. Wer aber eine Homepage hat, muss die auch regelmäßig pflegen, sollte möglichst tagesaktuell sein. Denn die Leute sind heute unterwegs und suchen mit dem Smartphone nach einem guten Wirtshaus. Der erste Eindruck ist da sehr entscheidend.

© SZ vom 23.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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