Senioren-Zuzug:Bad Tölz wird immer älter - sorgt aber vor

Bei vielen reicht die Rente kaum

Momentan leben 5515 Menschen in Bad Tölz, die älter als 60 Jahre sind. Das sind knapp 30 Prozent aller Einwohner. Davon sind 1097 zwischen 60 und 64 Jahre alt, stehen noch im Beruf und sehen sich selbst nicht als Senioren. Zur Altersgruppe der 65- bis 75-Jährigen gehören 2404 Männer und Frauen, die oftmals noch aktiv sind. Viele von ihnen arbeiteten ehrenamtlich, unter anderem fürs Mehrgenerationenhaus, und benötigten kaum Hilfe, sagt der kommunale Sozialplaner Armin Ebersberger. Das sieht bei den knapp 1500 Senioren, die zwischen 75 und 84 Jahre alt sind, schon anders aus. Sie seien nicht mehr so mobil und brauchten gelegentlich Unterstützung, meint Ebersberger. Zur Gruppe der Hochbetagten zwischen 85 und mehr als 100 Jahre zählen derzeit circa 600 Tölzer. "Sie können den Alltag nicht mehr alleine bewältigen", betont der Sozialplaner. Durch den demografischen Wandel wird den Prognosen zufolge in Bad Tölz vor allem die Gruppe der Hochbetagten bis zum Jahr 2030 deutlich wachsen. Ebersberger rechnet damit, dass sie sich fast verdoppelt - um 80 Prozent auf etwa 1075 Personen. Die Anzahl der 66- bis 75-Jährigen soll um circa 18 Prozent steigen.

Der Sozialplaner verweist noch auf ein anderes Problem: 43,9 Prozent der Senioren kommen mit ihrer Rente in Tölz gerade noch so zurecht, weitere fünf Prozent gar nicht. "Wenn dann noch Hilfebedarf dazukommt, dann haben wir schon den Schritt zum Prekariat." Denn viele der alten Menschen leben alleine und können sich nicht mehr auf Unterstützung aus ihrem familiären Umfeld verlassen. Nötig sei deshalb der Ausbau von niedrigschwelligen und kostengünstigen Hilfen im Alltag, so Ebersberger. sci

In den kommenden 20 Jahren wird sich die Zahl der Hochbetagten in der Kurstadt nahezu verdoppeln. Sozialplaner Ebersberger skizziert, was zu tun ist.

Von Klaus Schieder

Senioren lassen sich gerne in Bad Tölz nieder. Die schöne Landschaft, die zentrale Lage in einem Freizeitgebiet und ein medizinisches Angebot, das noch aus den Zeiten der Sozialkur mehr als ausreichend ist: All dies bewegt Rentner aus dem ganzen Bundesgebiet, nach Tölz zu ziehen. Für die Stadt verschärfen sich damit die Herausforderungen, die der demografische Wandel mit sich bringen wird. Dies verdeutlichte der kommunale Sozialplaner Armin Ebersberger am Dienstagabend im Stadtrat. In den nächsten gut 20 Jahren werde sich die Anzahl der Hochbetagten in der Kurstadt nahezu verdoppeln, sagte er. Auch die Altersgruppe der 66- bis 75-Jährigen soll um fast 20 Prozent zunehmen. Seniorenrelevante Themen müssten daher stärker in den Fokus der Stadtpolitik rücken, forderte der Sozialplaner.

Noch von der alten Kur her sieht Ebersberger die Kommune nicht schlecht aufgestellt. Es gebe in Tölz bereits eine Menge Einrichtungen, die gerne genutzt werden, sagte er. Das reicht von Essen auf Rädern, Hausnotruf und Fahrdiensten über Heime und ambulante Pflegedienste, Mittagstische, Kultur- und Sportangebote bis hin zu Beratungen. Als Beispiel nannte er die Caritas-Kontaktstelle "Alt und Selbständig", die auch einen Besuchsdienst im Programm habe. Dies sei gerade für Hochbetagte wichtig, die alleine nicht mehr aus dem Haus kommen. Viele von ihnen seien völlig vereinsamt, "für sie ist es schon ein Highlight, wenn mal der Pflegedienst vorbeikommt", erklärte der Sozialplaner.

Dennoch gibt es eine Menge zu tun. Erhebliche Defizite macht Ebersberger vor allem in der Tages- und Kurzzeitpflege, ebenso in der vollstationären Pflege aus. "Da sind wir gnadenlos unterversorgt", sagte er. Die Folgen des demografischen Wandels sind für ihn absehbar: Mehr Menschen beantragen Pflegegeld, mehr Betagte brauchen ambulante oder stationäre Pflege, mehr Leute werden demenzkrank. "Es ist klar, dass wir aus der Stadtpolitik und der Verantwortungsgemeinschaft heraus Unterstützung leisten müssen." Der Arbeitskreis Senioren, dem außer dem Sozialplaner auch Vertreter von Kirchen, Landratsamt, dem Sozialverband VdK, Mehrgenerationenhaus, Caritas, Seniorenbeirat und Kreisbildungswerk angehören, steckte einige Handlungsfelder für Bad Tölz ab.

Kooperation mit der Hochschule

In Benediktbeuern wurde Anfang Oktober das neue Kompetenzzentrum "Zukunft Alter" an der Katholischen Stiftungsfachhochschule eröffnet. Dort soll das Thema Altwerden von Wissenschaftlern analysiert und mit den Erfahrungen von Fachkräften aus der Praxis verknüpft werden. "Wir wollen in eine enge Kooperation kommen", sagte Ebersberger. Als Beispiele für eine Zusammenarbeit nannte er repräsentative Bedarfserhebungen, wissenschaftliche Begleitung von Mehrgenerationen-Wohnprojekten, wie in Tölz gerade eines auf der Schlösslwiese an der Schützenstraße entsteht, die Prüfung von Lebensmodellen im Alter oder auch die sinnvolle Gestaltung des Stadtzentrums, damit auch ältere Leute dort ohne Probleme unterwegs sein können.

Barrierefreiheit

Ebersberger findet es gut, dass Mitglieder des AK Senioren wie Gerhard Grasberger vom Förderverein Mehrgenerationenhaus sich am Verkehrsentwicklungsplan beteiligt haben und auch beim Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) dabei sind. Barrierefreiheit sei ein Thema, "das wir ernst nehmen müssen", sagte der Sozialplaner. Auch Bauamtsleiter Christian Fürstberger ist bewusst, dass es hie und da noch Verbesserungsbedarf gibt. So seien die Bordsteine an Fußgängerüberwegen in der Stadt zwar abgesenkt, aber für manche Senioren mit einem Rollator bleibe auch eine Kante von nur wenigen Zentimetern ein Hindernis. Das müsse man sich nochmals anschauen, sagte er. Am ISEK gibt es allerdings keine separate Beteiligung von Senioren. "Aber wenn einzelne Maßnahmen rauskommen, ist es wichtig, sie mit Betroffenen und Seniorenvertretungen abzustimmen", so Fürstberger.

Mobilität im Stadtzentrum

Für Senioren müssen die Busverbindungen mitsamt der Anschlüsse in Tölz nach Ebersbergers Ansicht auf den Prüfstand. Stadträtin Camilla Plöckl (SPD) ging noch einen Schritt weiter. Sie regte eine Sammelringlinie nach dem Modell der Stadt Rosenheim an. Für ältere Leute könne abseits des MVV und des RVO eine Linie geschaffen werden, die sie zum Arzt oder zum Einkaufen bringe, meinte sie. Auf Defizite für Fußgänger im Stadtzentrum wies Ulrike Bomhard (FWG) hin. Gerade erst sei ihre 91 Jahre alte Mutter zu Besuch gewesen, mit ihr habe es sie nicht ein einziges Mal geschafft, von der Isarbrücke zur Fußgängerzone noch bei Grün über die Straße zu kommen, sagte die Seniorenbeauftragte des Stadtrats. Dem hielt Fürstberger entgegen, dass die Ampeln dort mit einer Reservezeit für Passanten geschaltet seien, auch wenn sie schon auf Rot stünden. Eine längere Grünphase führe dazu, dass dann die Autos wieder länger stehen müssten.

Bezahlbare Wohnungen

Selbst Senioren, die eine mittlere Rente beziehen, können sich die oft sehr hohen Mieten in Tölz kaum leisten. Deshalb sei es wichtig, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sagte Ebersberger mit Nachdruck. Aber nicht nur für sie: Auch die Menschen, die sich beruflich um Alte kümmern und meist schlecht bezahlt sind, "müssen in Tölz leben können".

Organisierte Nachbarschaftshilfe

Damit Senioren noch daheim leben können, muss nicht immer gleich ein ambulanter Pflegedienst kommen. Oftmals genügt ein wenig Hilfe im Alltag. Zum Beispiel durch einen Dienst wie "Besuchen und Begleiten", den die Kontaktstelle "Alt und Selbständig" mit ehrenamtlichen Kräften organisiert. Sie gehen mit den alten Menschen spazieren, spielen mit ihnen oder erledigen einen Einkauf für sie. Solche Angebote müssen Ebersberger zufolge ausgebaut werden. "Es geht hier nicht um eine Haushaltshilfe, die mit einer monetären Gegenleistung verbunden ist."

Information für Senioren

Seit einiger Zeit gibt es im "WeltRaum" am Vichyplatz die Montagsreihe. Experten referieren dort montags von 15 bis 17 Uhr über seniorenrelevante Themen. Als da wären: Vorsorge-Vollmacht, Erbschaft, Palliativ-Medizin, Sicherheit für Senioren, Leben mit Flüchtlingen. Der Treff wird laut Ebersberger sehr gut angenommen: "Beim letzten Vortrag waren mehr als 60 Leute da, ein paar mussten mangels Plätzen wieder heimgehen".

Bürgermeister Josef Janker (CSU) kündigte im Stadtrat an, das Thema Altwerden "mutig anzugehen". Ebersberger rief dazu auf, jetzt die Weichen für den demografischen Wandel zu stellen: "Altwerden ist nichts für Feiglinge, mit einer alternden Gesellschaft zurecht zu kommen, ist nichts für eine feige Stadtgesellschaft."

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