Selbstversuch:Leben ohne Plastik: Ohne Planung geht es nicht

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Familie Hagen verwendet bislang viele Kunststoffprodukte, wie man rechts sehen kann - auch die Lieblingsverkleidung des Sohns ist aus Kunststoff. Doch es gibt Alternativen. (Foto: Manfred Neubauer)

Familie Hagen will in der Fastenzeit auf Plastik verzichten. Dass das nicht immer einfach ist, zeigt sich ausgerechnet bei Bio-Bananen.

Von Ingrid Hügenell, Bad Heilbrunn

Manches geht ganz leicht: Getränke zum Beispiel gibt es natürlich überall auch in Glasflaschen. Die sind zwar schwerer und teurer als PET-Flaschen, aber Hagens sind bereit, die Erschwernis auf sich zu nehmen. "Das ist der Beitrag, den mein Mann bereit ist zu leisten", sagt Isabelle Hagen und grinst.

Seit einer knappen Woche beteiligt sich die Familie aus Bad Heilbrunn an der Plastikfasten-Aktion des Zentrums für Umwelt und Kultur (ZUK) im Kloster Benediktbeuern. 43 Erwachsene und zwölf Kinder haben unterschrieben, dass sie bis 12. März versuchen wollen, möglichst wenig Kunststoff zu verwenden. Tobias Hagen (36) macht zwar mit, ist aber noch eher skeptisch. Der sechsjährige Quirin dagegen ist Feuer und Flamme für die Aktion, er findet überall Plastik und will nur noch Joghurt aus dem Glas essen.

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Joghurt will die 37-jährige Isabelle Hagen jetzt auch selbst herstellen. Denn Naturjoghurt mit 1,5 Prozent Fettgehalt im Glas zu finden, das sei erstaunlicherweise gar nicht einfach, hat sie festgestellt. Und Selbermachen ist ohnehin ihr Ding. Kräutersalz und Sirup, aber auch Deo, Handspülmittel und eine Reihe anderer Dinge stellt sie schon seit einiger Zeit selbst her - weil sie gerne weiß, was in den Sachen drin ist, und weil es ihr einfach Spaß macht.

Warum der Familie der Verzicht wichtig ist

Auf den Internetseiten, auf denen sich die Do-it-yourself-Gemeinschaft austauscht, stieß sie immer öfter auf das Thema Kunststoffmüll, und als sie in der Zeitung vom Plastikfasten im ZUK las, wollte sie das ausprobieren. Die Sozialpädagogin verfolgt dabei einen ganz pragmatischen Ansatz: Sie will nicht zu viel auf einmal machen, um sich und ihre Familie nicht zu überfordern. "Das muss alles alltagspraktisch umsetzbar sein", sagt sie.

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Da Isabelle Hagen ohnehin vieles selber herstellt, hat die Familie kaum Kosmetikprodukte mit Mikroplastik im Haus. Die winzigen Partikel befinden sich zum Beispiel in Zahnpasta oder Peeling. Mikroplastik gelangt über das Abwasser rasch in Flüsse und Meere, Tiere halten es für Plankton und fressen es. Dabei ist es in den Produkten gar nicht wirklich nötig.

Isabelle Hagen macht ihr Peeling selbst, etwa mit Zucker oder mit geriebenen Nüssen oder Mandeln. Auch Geschirrspülmittel für die Spülmaschine macht sie nun selbst. Sie weiß nämlich nicht, ob in der Handelsware Mikroplastik enthalten ist. Es ist auch nicht leicht festzustellen, aus der Liste mit den Inhaltsstoffen wird man tatsächlich nicht schlau.

Nun will die Familie auch bei den Verpackungen auf Plastik verzichten. Was Isabelle Hagen nach den ersten Tagen schon sagen kann: Einkaufen ohne Kunststoffverpackung erfordert viel mehr Planung. Am Donnerstag ist Wochenmarkt in Penzberg. Isabelle Hagen will dort Brot, Obst, Gemüse, Fleisch und Wurst kaufen. Sie hat sich mit diversen Stofftüten ausgerüstet, hat auch zwei runde Plastikdosen eingepackt, für das Fleisch. Für Brot und Semmeln hat sie einen eigenen dünnen Beutel aus Baumwolle dabei.

Am Obst- und Gemüsestand muss sie sagen, dass sie keine Plastiktüte will, das ist aber kein Problem. Bei Bäcker gibt's die Semmeln in den Beutel, auch das geht einfach. Schwierig wird es aber am Stand des Metzgers. Zum einen, weil die Verkäuferin sich strikt weigert, das Geflügelfleisch herzugeben, ohne wenigstens eine Lage foliertes Papier darum zu wickeln. Zum anderen, weil die mitgebrachten Kunststoffdosen sich rasch als zu klein erweisen. So muss der Schinken zum Putenfleisch, was nicht ideal ist. "Ich hätte eine Dose mehr mitnehmen sollen", sagt Hagen. Insgesamt klappt der Einkauf auf dem Markt aber gut, und im Supermarkt waren gerade die Nudeln in den Pappkartons im Angebot. "Da hab ich gleich einen ganzen Schwung gekauft", sagt Hagen.

Am Dienstag aber wollte die berufstätige Mutter abends nach der Arbeit schnell beim Discounter Wurst, Käse und Milch kaufen - und ging ohne Ware wieder. Denn das alles gab es nur in Kunststoffverpackungen. Der Versuch, ob es an der Kasse Probleme gibt, wenn sie am Selbstbedienungs-Gebäckregal Semmeln und Brezen statt in die bereitliegenden, viel zu großen Tüten mit dem Folieneinsatz in den Stoffbeutel packt, steht noch aus. Und ob an der Fleischtheke die Verkäuferinnen Wurst und Fleisch in die mitgebrachten Dosen packen, ist fraglich. Man befindet sich in einer rechtlichen Grauzone.

Koventionelle statt Bio-Bananen

Schwierig ist es auch, im Supermarkt Obst und Gemüse zu kaufen. Denn ausgerechnet die regionale Bioware ist häufig in Plastik verpackt. Frustriert hat Hagen deshalb die unverpackten konventionellen Bananen und nicht die verpackten Bio-Bananen gekauft. Eiscreme gibt es überhaupt nur in Plastikverpackung zu kaufen, und auch Gefrierbeutel bestehen halt aus Kunststoff. Hagen fürchtet, dass sich daraus Weichmacher lösen und in die Lebensmittel übergehen könnten.

Doch das scheinen lösbare Probleme zu sein. Einfrieren kann man beispielsweise auch in Einmachgläsern, Eis selber machen. Manches aber geht eher nicht: Die selbst gemachte Zahnpasta etwa. Die schmeckt salzig und schäumt nicht. "Das macht keinen Spaß", sagt Hagen. Mann und Sohn mochten sie auch nicht. "Ob man sich daran gewöhnen kann, das ist die Frage." Anderes will sie gar nicht erst ausprobieren - wiederverwendbare Damenbinden, zum Beispiel: "Das kann ich mir nicht vorstellen." Kaum durch Produkte ohne Kunststoff zu ersetzen sind auch Filzstifte und andere Schulsachen - Quirin soll sich in der Schule auch nicht lächerlich machen. Isabelle Hagen macht weiter. Kommende Woche berichtet sie mehr.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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