Schreckschusspistole und Pfefferspray:Der Landkreis bewaffnet sich

Tölzer Waffen Stüberl. Markus Lehner

Im Tölzer Waffen-Stüberl verkauft Markus Lehner seit Monaten vermehrt Pfeffersprays und Schreckschusspistolen an die Kunden.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Zahl der Anträge auf den Kleinen Waffenschein hat sich im Vergleich zu 2015 vervierfacht - allein in den ersten vier Monaten des Jahres. Die Polizei warnt.

Von Benjamin Engel und Manuela Warkocz, Bad Tölz/Starnberg

Die Verunsicherung der Bevölkerung wächst offenbar: Das Tölzer Landratsamt hat allein in den ersten viereinhalb Monaten dieses Jahres fast viermal so viele kleine Waffenscheine ausgestellt als im Vorjahr. Im Landkreis Starnberg haben sich die Anträge annähernd verdoppelt. Nur wer den Schein besitzt, darf Kleinwaffen wie Schreckschuss-, Gas- und Reizgaspistolen öffentlich mit sich tragen.

Das Tölzer Landratsamt hat in diesem Jahr bereits 177 Mal den Kleinen Waffenschein ausgestellt. Laut Toni Stowasser, Sachgebietsleiter für Öffentliche Sicherheit und Ordnung, liegen zudem noch 50 Anträge zur Prüfung vor. Im Vorjahr wurde der Schein nur 52 Mal ausgestellt, 2014 gab es gar lediglich 28 Fälle. Stowasser erklärt sich die Entwicklung zumindest teilweise mit den Übergriffen auf Frauen zu Silvester in Köln. Die Menschen hätten ein größeres Sicherheitsbedürfnis.

Wer über 18 Jahre alt ist, darf zwar etwa eine Schreckschusspistole besitzen. Nur mit dem kleinen Waffenschein darf er sie mit sich führen, allerdings nur in Notwehrsituationen einsetzen, wie Stowasser erklärt. Für den kleinen Waffenschein verlangt das Tölzer Landratsamt 100 Euro. Für Pfeffersprays zur Abwehr von Tieren braucht es keinen Schein. Bei öffentlichen Veranstaltungen ist es verboten, Waffen mitzuführen.

Die Polizeibehörden sehen den Boom für den kleinen Waffenschein kritisch. Walter Siegmund, Leiter der Geretsrieder Polizeiinspektion, rät von der Beantragung ab. Für weitere Auskünfte verweist er an das Polizeipräsidium Oberbayern Süd. Dessen Pressesprecher, Stefan Sonntag, sieht keinen Grund für die Bevölkerung, sich verstärkt mit Kleinwaffen zu schützen. Die Menschen fühlten sich zwar infolge der Flüchtlingswelle vom Vorjahr subjektiv unsicherer. Doch die Zahl der Kriminalitätsdelikte sei fast überall in Bayern zurückgegangen. Die Polizei sei gefordert, die Bevölkerung verstärkt aufzuklären.

Sonntag hält es sogar für gefährlich, bei Auseinandersetzungen derartige Kleinwaffen einzusetzen. Die Besitzer verschafften sich nur vermeintliche Sicherheit. Allzu leicht könne die Situation weiter eskalieren. Auch sei es fraglich, ob etwa bei einem Handtaschenraub genug Zeit bleibe, um ein Pfefferspray rechtzeitig einzusetzen.

Zu den Kunden von Markus Lehner zählen größtenteils Jäger und Sportschützen. Seit Dezember des Vorjahres verkauft der Inhaber des Tölzer Waffen Stüberls in Bad Tölz rund 50 Prozent mehr Schreckschusspistolen und Pfeffersprays. Er sagt, dass die Käufer aus allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen von 18 aufwärts kämen. Manche hätten Angst um sich selbst, andere um ihre Kinder. Viele ließen sich auch nur ausführlich beraten und entschieden sich, dann doch nichts zu kaufen.

Im Landkreis Starnberg stieg die Zahl der Anträge für den kleinen Waffenschein seit dem Vorjahr sprunghaft an. Das Landratsamt registrierte 2013 noch 31 Anträge, 2014 waren es sogar nur 28. Vergangenes Jahr verzeichnete das Amt für öffentliche Sicherheit und Ordnung dann plötzlich 84 Anträge. "Und allein in den ersten Monaten dieses Jahres sind es bis jetzt schon 167 Leute, die einen Waffenschein wollen", sagt Landratsamts-Sprecherin Barbara Beck. Über die Gründe kann sie nur mutmaßen. Niemand muss seinen Antrag begründen. Für denkbar hält sie jedoch, dass die gestiegene Zahl von Einbrüchen zu einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis führe.

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