Romanik:Hohe Symbolkraft kennzeichnet die Kunstwerke

Die Romanik ist für die Zeit von etwa 950 bis um 1200 definiert. Sankt Nantwein in Wolfratshausen ist ein Beispiel.

Von Kaija Voss

Das zwei Meter hohe Kruzifix im Inneren der kleinen Heilig-Kreuz-Kirche, der Friedhofskapelle an der Kocheler Straße in Schlehdorf, ist eines der wenigen und deshalb umso wertvolleren Beispiele für Romanik im Landkreis. Umrahmt wird das Kunstwerk von barockem Stuck. Die Christusfigur selbst ist es, die beeindruckt und den Betrachter ins frühe Mittelalter entführt. Die sinnbildliche Bedeutung des Opfers Christi für die Menschheit wurde einst durch monumentale Triumphkreuze dargestellt.

Das Schlehdorfer Monumentalkreuz mutet archaisch an, nach kunsthistorischer Einordnung handelt es sich um einen "Romanischen Viernageltypus". Bei diesem wird der gekreuzigte Christus, als Herrscher und Richter, als Sieger über den Tod dargestellt. Der romanische Christus trägt keine Dornenkrone, ist kein Schmerzensmann. Von zwei barocken Engelchen wird Christus lieblich umschwebt, die Barockskulptur der Schmerzhaften Muttergottes sitzt unter seinen Füßen. Wer die Künstler sind, ist nicht bekannt.

Berg: St. Johannis

Das Kirchlein Sankt Johann Baptist in Berg.

(Foto: Nila Thiel)

Vermutlich stammt das Kreuz aus dem alten Benediktinerkloster. Die Datierung variierte in der Vergangenheit - vom Jahr 970, dann wäre das Kreuz tatsächlich eines der ältesten Monumentalkruzifixe der Christenheit, bis um 1200. Beides wäre die Zeit der Romanik, definiert von etwa 950 bis 1250. Wahrscheinlich entstand es um 1100. In der näheren Umgebung gibt es ein vergleichbares Kunstwerk: In der Heilig-Kreuz-Kirche von Schaftlach in Waakirchen hängt das Schaftlacher Kreuz. Dieses konnte mit wissenschaftlichen Materialuntersuchungen datiert werden, das Lindenholz stammt tatsächlich aus dem Jahr 970. Der lebensgroße gekreuzigte Christus von Schaftlach und der Christus von Schlehdorf weisen starke Ähnlichkeiten in der Haltung des Gekreuzigten und im senkrechten Faltenwurf des Lendentuchs auf.

Ein bemerkenswertes Kunstwerk, das zumindest in die Zeit der Spätromanik fällt, gibt es auch in Wolfratshausen, in der Kirche Sankt Nantwein. Richtet man den Blick beim Betreten der Kirche auf die linke Wand, sieht man ein Sandsteinrelief von eigenartiger Schönheit, das den Besucher geradezu unheimlich anstarrt. Romanische Bildwerke zeichnen sich generell durch einen geringen Naturalismus, hohe Symbolkraft und die so genannte Bedeutungsperspektive aus - was wichtig ist, wird besonders groß dargestellt. Die Darstellung des heiligen Nantovinus bildete möglicherweise einmal den Deckel für das Grab des Heiligen, der laut Überlieferung 1286 in Wolfratshausen zu Tode gemartert wurde. Sie wurde erst später in die Kirchenwand eingelassen. Dafür spricht, dass die lebensgroße Gestalt mit dem Kopf auf einem steinernen Kissen ruht. Wer das Relief ursprünglich geschaffen hat, ist nicht bekannt. Es gibt auch romanische Bauten in der Nähe. Würde man allein die Architektur betrachten, wären nicht die vier Nägel und die Bedeutungsperspektive, sondern Rundbögen und massive Mauern ihr Erkennungsmerkmal.

Rundbögen und Blattwerk

Die Romanik gilt als erste große europäische Kunstepoche seit dem Ende der Antike. Sie wird datiert von 950 bis 1250. Eines ihrer wesentlichen Kennzeichen ist der Rundbogen. Bereits die Baumeister im antiken Rom verwendeten gemauerte Rundbögen und Gewölbe, der Begriff "Romanik" zeigt die Verwandtschaft zur römischen Architektur.

Ein romanisches Bauwerk wird aus einfachen stereometrischen Formen wie Würfel, Zylinder oder Quader komponiert, man nennt das auch "additives System". Romanische Bauten wirken oft wuchtig. Wichtigster Bautyp bei Kirchen ist die "Basilika", also eine mehrschiffige Kirche, deren Hauptschiff höher ist als die Seitenschiffe. Das Licht fällt über die oberhalb der Seitenschiffe befindlichen so genannten "Obergadenfenster" in das Mittelschiff. Ein bekanntes Beispiel ist der Dom zu Speyer. Auch Sankt Michael in Altenstadt, Landkreis Weilheim-Schongau, ist eine romanische Basilika.

Als dekorativer Schmuck am Bauwerk dienen Rundbogenfriese, stilisiertes Blattwerk oder Palmettenfriese, den oberen Abschluss von Säulen bilden Würfelkapitelle. K. Voss

Im Nachbarlandkreis, in Berg am Starnberger See, steht das denkmalgeschützte Kirchlein Sankt Johann Baptist, das wohl aus dem 12. Jahrhundert stammt. Romanische Merkmale sind hier deutlich erkennbar, dicke Mauern und kleine Rundbogenfenster. Das einschiffige Gebäude wird von einer halbrunden Apsis mit mächtigem Bruchsteinmauerwerk abgeschlossen. In der Spätgotik wurden Dachstuhl und Giebel erhöht, der Bau wurde 1658/59 zum Teil mit barocken Formen versehen. Wer perfekte romanische Architektur sehen will, sollte zur Basilika Sankt Michael von Altenstadt im Landkreis Weilheim-Schongau reisen. Hier steht ein Vorzeigebeispiel. Rundbogenfenster und Rundbogenfriese gliedern die Fassade und die beiden rechteckigen Türme. Die dreischiffige Basilika von Altenstadt folgt im Grundriss einem einfachen alpenländischen Schema. Auch mathematische Systeme sind ein wichtiges Merkmal der Romanik: Die Länge des Mittelschiffs entspricht der Höhe der Türme ohne Dach. Außerdem ist es doppelt so hoch und doppelt so breit wie die Seitenschiffe. Wann die Kirche genau erbaut wurde, ist nicht urkundlich belegt, Datierungen von Holzbalken verweisen auf eine Erbauungszeit zwischen 1165 und 1177. Eine monumentale Kreuzigungsgruppe gibt es im Inneren, den "Großen Gott von Altenstadt", vom Anfang des 13. Jahrhunderts mit einer stattlichen Höhe von 3,20 Metern.

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