Besuch:Unterstützung und vielfältige Erfahrungen

Gäste aus der Ukraine bedanken sich für finanziellen und moralischen Beistand und die Einblicke in Verwaltung und Vereinswesen. Bürgermeister Tschumak konnte nicht kommen: Er kandidiert fürs Parlament

Von Ingrid Hügenell, Schäftlarn

Eine "Riesenfreude" sei es, wieder in Schäftlarn zu sein. Mehrmals hat Bogdan Ukrainez das im Verlauf seines Besuchs gesagt. Der Zweite Bürgermeister von Pidkamin und Leiter der dortigen Internatsschule für hörbehinderte Kinder und Jugendliche führte die neunköpfige Delegation an, die von Mittwoch bis Sonntag zu Besuch war. Ukrainez hob die große Bedeutung der moralischen und finanziellen Unterstützung hervor, die die Osteuropahilfe und die Gemeinde Schäftlarn in Pidkamin und dem benachbarten Brody leisten. Pidkamins Erster Bürgermeister Michailo Tschumak konnte nicht mit nach Deutschland kommen. Er kandidiert für die Werchowna Rada, das Parlament der Ukraine, und ist deshalb derzeit in Kiew.

Mit einem als "Freundschaftsfest" bezeichneten Abendessen der Ukrainer und der Schäftlarner, die sie beherbergten und sich um sie kümmerten, ging der Besuch am Samstag offiziell zu Ende. Die Tische waren mit blauen Läufern und gelben Servietten eingedeckt, und die Ukrainer trugen wieder ihre bestickten Hemden und Blusen und die gelb-blauen Schleifen. Auch Bürgermeister Matthias Ruhdorfer und Zweite Bürgermeisterin Maria Reitinger hatten ihre neuen Vyshyvankas angezogen, Gastgeschenke der Ukrainer. Am Sonntag traten die Gäste die Heimreise an - per Kleinbus. Zuvor hatten die Ukrainer unter anderem die Wiesn besucht, waren auf den Herzogstand gefahren und hatten einen Nachmittag in München beim Einkaufen verbracht.

In erster Linie aber lernten sie die Arbeit der Gemeinde kennen, sagten Ukrainez und der Abgeordnete Ihor Kriskiw der SZ übereinstimmend. "Wir sind beeindruckt von den vielen Vereinen und davon, welche Funktionen sie hier haben." Die Ukrainer hatten eine Probe der Trachtenjugend sowie den Neufahrner Schützenverein besucht. Kriskiw stammt aus Pidkamin und ist Abgeordneter im Parlament des Oblast Lwiw, das entspricht etwa einem Landtagsabgeordneten. Einen bayerischen Landtagsabgeordneten würde er bei einem weiteren Besuch in Schäftlarn gerne kennenlernen und auch sehr gerne einmal den Landtag besuchen, sagte Kriskiw; denn in der Ukraine stünden administrative und territoriale Reformen an, und es sei interessant zu sehen, wie die Verwaltung in Deutschland und auch in Polen funktioniere. Die Oblast Lwiw (früher Lemberg), zu der Pidkamin gehört, liegt ganz im Westen der Ukraine und grenzt an Polen.

Besuch: Bürgermeister Matthias Ruhdorfer (links) und Maria Reitinger (Mitte) überreichen Bogdan Ukrainez die Schäftlarner Geschenke.

Bürgermeister Matthias Ruhdorfer (links) und Maria Reitinger (Mitte) überreichen Bogdan Ukrainez die Schäftlarner Geschenke.

(Foto: Hartmut Pöstges)

"Schwer beeindruckt" zeigte sich Ukrainez auch von der neuen Schäftlarner Kinderkrippe, die Anfang September bezogen wurde - vor allem davon, dass in so kurzer Zeit ein so schönes Haus errichtet worden sei. Bei Ukrainez' letztem Besuch in Schäftlarn im Januar 2013 war die Krippe noch im Planungsstadium. In der Ukraine gehe derzeit alles eher stockend voran, wegen des Kriegs im Ostteil des Landes, bei dem viele junge Ukrainer aus allen Landesteilen gefallen seien, wie Ukrainez am Donnerstag bei der offiziellen Begrüßung im Rathaus sagte. Dennoch habe man in der Schule von Pidkamin Fenster und Türen erneuern können, die Straße zur Kirche sei teilweise asphaltiert worden, das Krankenhaus arbeite weiter. Dessen Leiterin, die Ärztin Irina Mikitjuk, gehörte ebenfalls zur Delegation. Denn es stehe auch eine Reform des Medizinwesens an, sagte Kriskiw, weshalb man auf Hilfe in technischer Hinsicht hoffe. Darüber hinaus wolle man Erfahrungen in medizinischer Betreuung und Rehabilitation sammeln. Nach der Rückkehr nach Pidkamin werde man ausführlich über die vielen Erfahrungen und Eindrücke sprechen und darüber, was bei einem erneuten Besuch in Schäftlarn möglich und machbar wäre. Das wolle man dann mit Ruhdorfer und Reitinger abklären. Vor allem hoffe man, dass die Freundschaft Bestand haben werde und es bald gegenseitige Besuche auf Vereinsebene, auch von Kindern und Jugendlichen geben werde.

Von Schäftlarner Seite ist momentan ein erneuter Besuch in Pidkamin im kommenden Jahr angedacht. Ruhdorfer sagte, man wolle den Kontakt halten und auch intensivieren. Wegen des weiten Wegs sei es aber "schwierig, dass man mit einer Gruppe rüberfährt", auch wenn die Bereitschaft sehr groß gewesen sei, die Teilnehmer der Delegation aufzunehmen. Frank Dopfer aus Hohenschäftlarn war 2013 beim ersten Besuch einer Abordnung in Pidkamin dabei und engagierte sich diesmal auch beim Gegenbesuch. Er begrüßte die Gäste im Rathaus sogar auf Ukrainisch; bei der Übersetzung des Texts hatte ihm die in Schäftlarn lebende Kiewerin Viktoria Sidorova geholfen, die während des gesamten Besuchs als Übersetzerin fungierte.

"Es ist abzuwarten, wie sich das weiter entwickelt", sagte Dopfer am Samstag. "Fortgeführt werden muss es von der Jugend. Das ist ein Prozess, der dauern wird." Die besten Ansatzpunkte sieht er in Musik, Tanz und Gesang. "Finanziert werden muss das von uns, denn die Ukrainer haben nicht die Mittel." Vor allem nicht, seit die Währung, die Griwna, so katastrophal abgewertet worden sei.

Durch das Engagement vieler Privatleute konnten die Kosten des Besuchs diesmal eingegrenzt werden: Die Gäste waren bei Familien untergebracht, viele der Fahrten wurden privat organisiert. Die Gemeinde bezahlte unter anderem den Wiesnbesuch. Die Ukrainer brauchen aber nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern immer auch eine offizielle Einladung, um überhaupt Visa für Deutschland zu bekommen.

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