Sachsenkam:Zug um Zug zum Sieg

Echte Handarbeit: Der Isargau der Fingerhakler kürt auf dem Reutberg die Meister des Sports, der nicht nur gestandenen Männern vorbehalten ist. Die jüngsten Teilnehmer sind gerade mal fünf Jahre alt

Von Claudia Koestler, Sachsenkam

Wer am Ende des langen Wettkampftages keine dicken Bandagen oder wenigstens Pflaster um die blutverschmierten Finger in die Höhe reckte, war nur dabei statt mittendrin. Denn am Sonntag trug der Isargau im Rahmen des Josefifests am Reutberg seine Meisterschaft im Fingerhakeln aus, vor einer beeindruckenden Kulisse mit Hunderten von Besuchern, lautstarken Anfeuerungsrufen, zünftiger Stimmung und Musik. Wer am Ende alle Gegner um den Finger gewickelt hatte und wer den Kürzeren zog, war bei Redaktionsschluss noch nicht für alle Klassen ermittelt. Fest stand allerdings eines: Dass der der Traditionssport in Bayern nicht an Interesse verloren hat, ganz im Gegenteil: Rund 60 Teilnehmer juckte es insgesamt in den Fingern, sich in ihren jeweiligen Klassen der Konkurrenz zu stellen, und das vor Hunderten von Zuschauern. Frauen waren nicht vertreten: Eine Damenklasse zeichnete sich zumindest bis zum Nachmittag nicht ab. Und das, obwohl Isargau-Vorstand Josef Hartl zuvor noch explizit eine Anwesende zu ihrem 80. Geburtstag auf eine Hakel-Runde am Tisch eingeladen hatte. Sie aber wollte ganz buchstäblich die Finger davon lassen. Wer daraus den Rückschluss zieht, dass es bei eim Fingerhakler-Wettkampf nur um die Größe und Robustheit der Pranken geht, der irrt. Das zeigte am Sonntag der Auftakt, der den Kleinsten oblag mit gerade einmal vier beziehungsweise fünf Jahren, oder, wie Hartl sagte, den "Größten unter den Fingerhaklern". Schon hier herrschte ordentlich Zug, bis zuletzt der fünfjährige Benedikt Rest aus Gaißach alle anderen auf die Plätze verwies.

Drei Dinge sind es, die einen erfolgreichen Fingerhakler auszeichnen: körperliche Kraft, Überwindung des Schmerzes und eine gute Technik. Für die Zuschauer manifestiert sich das in Tischmanieren der anderen Art, wenn nämlich die Teilnehmer ihren Kontrahenten sprichwörtlich über denselbigen zu ziehen. Doch wie es sich für einen Traditionssport gehört, war das Schaulaufen der Teilnehmer davor mindestens genauso wichtig: In Kraft und Herrlichkeit wurde das Festzelt breitbeinig und keck abgeschritten und sondiert, wer da nun das nur Bayern geläufige Irxnschmalz in seinen Händen hat oder doch nur Wurstfinger. Kampferprobte Mittelfinger wurden wie Enterhaken begutachtet und später am Lederring geschmeidig geknetet. In manchen Reihen ließen sich gar interessante Eigenbauten erspähen: Expander-ähnliche Zugmaschinen, an denen der Mittelfinger extra trainiert wurde, bis Moderator Balthasar Bauer auf´s Podium bat. Dann kamen zunächst die Träger der Lederhosen runter und Magnesium in die Hände. Schließlich gilt es, sich zu konzentrieren und so gut wie möglich einzuspreizen. Nachdem der Wettkampfleiter das Kommando "Hakler fertig? Ziagt's" schrie, stemmten sich die Gegner mit dem Knie gegen den festgeschraubten Holzbock. Bei den entschlosseneren Kämpfern konnte es da schon mal fast eine Minute dauern, bis jemand vom Hocker in die weichen Arme der Helfer flog und dabei den Kontrahenten zu sich gezogen hatte. Doch auch die Jüngeren nahmen die Veranstaltung ernst: Georg Müller etwa, späterer Sieger der Schülerklasse 7 und 8 Jahre, Hansi Sanktjohanser, Sieger der Schülerklasse 10 und 11 Jahre oder Ferdinand Maxl, Sieger der Schülerklasse 12 bis 14 Jahre.

Während sie noch wie die Jugend und Junioren echte Handarbeit leisteten, konnten sich die Erwachsenen der Klassen "Leicht- und Schwergewicht" besonders vorbereiten: Ein paar Maß zur Stärkung und zur kurzfristigen Korrektur des Kampfgewichts. Doch auch sie zeigten am Ende viel Kampfgeist - und viel Haut samt ein paar Blutstropfen, aber noch mehr Stolz über die eigene Kraft. Auch wenn sie nun wahrscheinlich bis zum nächsten Wettkampf den Finger nicht mehr krumm machen werden. Zumindest nicht den Mittelfinger.

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