Rieder Kindertheater:Explosive Mischung

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Gans und Schafe, Affe, Hund und roter Fuchs: Im neuen Stück des Ensembles zeigen die Tiere, was Menschlichkeit bedeutet.

Von Marlene Krusemark, Benediktbeuern

Unter den Giebeln der Tenne im Zentrum für Umwelt und Kultur staut sich die Hitze. Die Atmosphäre ähnelt einem Dachboden im Sommer, in den man hinaufgestiegen ist um nach Schätzen aus einer anderen Welt zu stöbern. In der Premiere von "Füchse lügen nicht", aufgeführt vom Rieder Kindertheater, taucht das Publikum an diesem Freitagabend auch in eine andere Welt ein.

Das Stück, für das Aja von Lerchenhorst eine Geschichte von Ulrich Hub dramatisiert hat, spielt in der "Animal Lounge" eines Flughafens und wurde von den acht talentierten Jungschauspielerinnen unter der Leitung von Aja von Lerchenhorst schillernd aufgeführt. Dass "Warten" ein künstlerisch ergiebiges Thema ist, weiß man spätestens seit Samuel Becketts "Warten auf Godot". Dass sich auch unter Tieren interessante und lustige Dinge abspielen, wenn sie auf etwas warten müssen, zeigen die Kinder in ihren Rollen als Fuchs, Affe, Tiger, Gans, Hund, Panda und Schafe.

Allesamt sind sie eigensinnige und lebendige Persönlichkeiten, die schon seit drei Tagen auf ihre Flüge warten. Da ist die Gans (Frieda Gahn), die ständig ihren Reisepass sucht und immer in ihrer Handtasche wiederfindet, da sind die neunmalklugen Schafe (Andrea Wiesmann und Arnika Reiss), die alles unisono aufsagen. Der Tiger (Sophie Mayr) ist ein Fernsehstar, der Werbung für Cornflakes macht und über sein Alter schwindelt, der Pandabär (Eva Sindlhauser) behauptet, er sei der letzte seiner Art und schläft ständig. Ein tablettenabhängiger Affe (Mirjam Mair) und ein Spürhund (Scarlett Bennett), dessen Spürsinn verloren gegangen ist, runden die explosive Mischung schon fast ab - fehlt nur noch der Fuchs (Veronika Mair), der sie letztendlich zündet.

"In dem Stück ist eine Menge Bewegung, was viele Proben und ein hohes Maß an Leistung von den Kindern erfordert hat", sagt Tassilo-Preisträgerin Aja von Lerchenhorst, die seit bald 40 Jahren mit Kindern Theaterarbeit macht. Dass intensiv geprobt wurde und die Kinder eine außerordentliche Schauspielbegeisterung an den Tag legen, erkennt man an dem Tempo und der Selbstverständlichkeit, mit der die Zehn- bis Vierzehnjährigen in ihre Rollen schlüpfen. Über die Kleinkriege zwischen den Tieren wird viel gelacht, auch die Schauspielerinnen können sich verständlicherweise manchmal nicht zurückhalten - sie sind schon komisch, diese eigenwilligen Tiere und ihre Auseinandersetzung mit Lüge und Wahrheit.

"An dem Stück gefällt mir besonders, dass die Themen, die es bearbeitet, hochaktuell sind - beispielsweise das mit den Pässen. Dadurch wird es sehr facettenreich", sagt Aja von Lerchenhorst. So beschwert sich der Fuchs, er werde aufgrund seiner Fellfarbe ständig vorschnell als kriminell eingestuft. Mit den Worten "niemand kann sich seine Fellfarbe aussuchen", trifft er eine wichtige, politisch aktuelle Aussage. Die Themen, die das Ensemble mit der Fabel aufwirft, betreffen nichts Geringeres als die Menschlichkeit. Streitigkeiten und ernste Themen werden unterbrochen von freudigen Partys mit Getränken aus dem Duty-Free Shop und souverän vorgetragenen Gesangssolos, untermalt von Aja von Lerchenhorts zartem Klavierspiel. "Ich bin während des Stücks immer nicht ganz da, wie in einer anderen Welt", sagt sie lächelnd. Seit Januar proben Aja von Lerchenhorst und ihr Ensemble, die Gemeinschaft um das Rieder Kindertheater herum ist aber noch viel größer.

Das Bühnenbild errichtete Anna Demmel, ein ehemaliges Theaterkind, das Drehkreuz baute ein Vater. Die Väter kümmerten sich auch um die Technik. Von Lerchenhorsts Tochter Lilli entwarf die Kostüme, die dann die Mütter nähten - und ohne ihren Mann ginge sowieso gar nichts, sagt von Lerchenhorst. Am Ende treten sogar die, natürlich ebenfalls hochintelligenten, Väter der neunmalklugen Schafe auf die Bühne und bedanken sich, ebenfalls unisono, bei allen Beteiligten. Eine sehr familiäre Welt ist es, in der das neue Stück des Rieder Kindertheaters Begeisterung auslöst.

Weitere Aufführungen: Sonntag, 16. Juli, 18 Uhr, Haus des Gastes, Bad Heilbrunn; Sonntag, 23. Juli, 11 Uhr und 16 Uhr, Rieder Kinderfest.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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