Rezension:Debüt mit zwei Stars

Rezension: Die jungen Künstler von "Munich Baroque" sind allesamt Experten für alte Musik.

Die jungen Künstler von "Munich Baroque" sind allesamt Experten für alte Musik.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Andrea Fessmann stellt ihr neues Ensemble "Munich Baroque" vor

Von Reinhard Szyszka, Benediktbeuern

Schon wieder ein Barockorchester? Auf Originalinstrumenten? Dabei gibt es doch gerade genug davon, auch im Münchner Raum: L'arpa festante, La Banda, die Barocksolisten München, um nur die bekanntesten zu nennen. Dennoch hat Andrea Fessmann, musikalischer Tausendsassa aus Iffeldorf, sich an die Gründung eines neuen Barockorchesters gewagt. Die genannten Orchester kommen allmählich in die Jahre, und so hat Fessmann die nächste Generation um sich versammelt. Am Sonntagnachmittag gab Munich Baroque, so der Name des Ensembles, sein Debüt in der Klosterkirche Benediktbeuern. Und obwohl keine "Hits" auf dem Programm standen, war das Konzert erfreulich gut besucht. Fessmanns Sorge ob des schleppenden Vorverkaufs hatte sich als unbegründet erwiesen.

Das Programm bestand aus einer Mischung verschiedenster Barockwerke: je eine Kantate von Telemann und von Graupner, je ein Concerto von Händel und von Telemann, dazu einzelne Arien aus Bach-Kantaten und Sätze aus Instrumentalwerken. Man könnte fragen, ob ein solcher Mischmasch mit aus dem Zusammenhang gerissenen Einzelteilen denn wirklich sein muss, und ob ein gestrafftes Programm mit drei, vier kompletten Werken nicht besser gewesen wäre. Doch wenn man bedenkt, welch krude, wirre Programmgestaltung bis weit ins 19. Jahrhundert hinein bei Konzerten üblich war, dann ist eben auch eine solche Werkauswahl echt "barock" und passt zur Grundidee des Ganzen.

Zweifellos ist Andrea Fessmann die Seele von Munich Baroque, und ohne ihren Einsatz und ihre Begeisterungsfähigkeit hätte es weder das Orchester noch den Auftritt in Benediktbeuern gegeben. Dennoch: Beim Konzert selbst wirkte Fessmann gar nicht mit! Zu Bachs Zeiten war es noch nicht üblich, dass sich ein Dirigent taktstockschwingend vors Orchester stellte; vielmehr lag die musikalische Leitung beim ersten Geiger oder beim Cembalisten. Getreu dieser Gepflogenheit zog sich Fessmann zurück - abgesehen von zwei Kurzeinsätzen als Sängerin - und überließ es ihrer Konzertmeisterin Saschka Haberl und ihrem Cembalisten Manuel Dahme, das Ganze zu leiten. Natürlich darf man sich bei dem Orchester keine Philharmoniker-Dimensionen vorstellen. Gerade mal elf Musikerinnen und Musiker waren es, überwiegend Streicher, dazu eine Oboistin, ein Cembalist und ein Theorbist. Größere Ensembles hatte Bach auch nicht zur Verfügung.

Munich Baroque erzeugte einen weichen, überaus flexiblen Barockklang ganz im Sinne der alten Musik. Die jungen Künstler waren mit Feuereifer bei der Sache und folgten aufmerksam den Zeichen ihrer musikalischen Doppelspitze. Natürlich waren alles hochprofessionelle Musiker, die Dinge wie barocke Phrasierung und Artikulation aus dem Effeff beherrschen. Welche Qualitäten in ihnen schlummern, wurde deutlich, als die Geigerin Emily Deans zwei Sätze einer Violin-Solopartita von Bach vortrug. Bei der "Gavotte en Rondeau" schaffte sie es, jede Wiederkehr des Rondothemas neu auszuzieren. Immer das Gleiche, aber jedes Mal anders. Und dabei ist Deans nicht einmal die Konzertmeisterin, sondern eine Streicherin von den hinteren Pulten. Im zweiten Konzertteil hatte dann Cembalist Manuel Dahme seinen Soloauftritt mit zwei kurzen, virtuosen Nummern.

Es war Fessmann gelungen, zwei ausgesprochene Gesangsstars der Barock-Szene nach Benediktbeuern zu holen: Tenor Martin Petzold und Bariton Klaus Mertens. Die Mitwirkung dieser beiden etablierten Künstler verlieh dem Auftritt von Munich Baroque das Siegel des Seriösen, des Glaubwürdigen. Mertens sang zwei komplette Kantaten: eine von Telemann direkt vor der Pause, eine von Graupner zu Beginn des zweiten Teils. Er gefiel mit tragender Stimme und textgetreuer Gestaltung. Petzold ließ in drei Arien von Bach seinen Tenor aufstrahlen, wobei "Deposuit potentes" aus dem Magnificat die Zuhörer zu Bravo-Rufen hinriss. Erst in der Zugabe fanden beide Stimmen zusammen, und sie harmonierten hervorragend.

Fazit: ein rundum gelungenes, vielversprechendes Debüt eines jungen Orchesters, von dem man sich noch einige musikalische Erlebnisse versprechen kann.

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