Reinhold Krämmel:Der Großbaumeister

Firmen - Portrait

Sanfte Übergabe: Reinhold Krämmel zeiht sich langsam von seiner Tätigkeit als Bauunternehmer zurück, bleibt aber Honorarkonsul.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Wolfratshauser hat einige der größten Projekte zwischen München und Garmisch entwickelt. Nun übergibt der 67-Jährige das Imperium an seinen Sohn - er selbst will weiter bezahlbaren Wohnraum schaffen.

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen

Mitten im Wolfratshauser Gewerbegebiet werden die umfangreichsten Bauprojekte von Garmisch bis München und darüber hinaus entwickelt. Mit mehr als 200 Mitarbeitern ist die Wolfratshauser Krämmel-Unternehmensgruppe der größte Bauunternehmer der Region. Urkunden zeugen dort von einflussreichem Wirken: Das Verdienstkreuz am Bande, die Ehrenmedaille der IHK oder die Medaille für Verdienste um das bayerische Finanzwesen. Doch es ist ein kleines Wort, auf das Reinhold Krämmel in diesen Tagen besonderen Wert legt, weil es einen großen Unterschied macht: "Ich habe übergeben, nein, quasi übergeben trifft es."

600 bezahlbare Wohnungen

sollen demnächst auf dem Geretsrieder Lorenzareal entstehen. Ob Rohbauten, Gewerbe oder Wohnungen: Rund 500 Objekte in München, dem bayerischen Oberland und Thüringen hat die Krämmel-Unternehmensgruppe entwickelt oder umgesetzt. Darunter die Erweiterung des Park-Hotels Egerner Höfe in Rottach-Egern, Parkhäuser am Hasenbergl oder ein Fachkrankenhaus in Hildburghausen. In Penzberg baut das Unternehmen derzeit unter dem Projekttiel "ecoleben" eine Wohnanlage mit energieeffizienten Mehrfamilienhäusern und Reihenhäusern. Ein ähnliches Projekt ist am Geretsrieder Isardamm geplant.

Zum Jahreswechsel hat Korbinian Krämmel (31) die alleinige Geschäftsführung der Unternehmensgruppe von seinem Vater Reinhold und Peter Hacker (62) übernommen. Die Doppelspitze zieht sich nach mehr als 36 Jahren aus dem operativen Geschäft zurück und wechselt in den Aufsichtsrat. Das Unternehmen geht in die dritte Generation über. So weit, so klar, wenn das Wörtchen quasi nicht wäre, das Reinhold Krämmel gerne dazwischen schiebt: "Quasi übergeben deswegen, weil es bei uns ähnlich wie bei einem landwirtschaftlichen Familienbetrieb läuft", erläutert der 67-Jährige. "Es braucht eben einen Stichtag."

Doch eigentlich zieht sich der Prozess über Jahre: Begonnen 2012, wird die Übergabe erst Ende 2018 abgeschlossen sein. Eben wie in der Landwirtschaft, sagt Krämmel: "Die Alten helfen dort auch mit auf dem Hof, solange sie gesund sind." In einigen Bereichen bleibt er zudem Mit-Geschäftsführer, etwa bei den großen Entwicklungsprojekten in Geretsried. "Mit dem Lorenzareal bin ich seit 19 Jahren beschäftigt. Da ist sicher auch eine emotionale Bindung entstanden", sagt er. "Das ist ja fast wie eine längere Ehe."

Trotzdem will er klare Verhältnisse schaffen: "Ich bin einfach Realist. Man kann sich nicht einbilden, dass man alle Fäden in der Hand hält, bis man 80 ist." Sicher gehe die Abgabe der Leitung mit Emotionen und Erwartungen einher. Nicht alles, was man plant, werde auch eintreten. "Doch die Richtung muss passen", sagt er. Drei Söhne und zwei Töchter hat Krämmel. Mehrere Kinder zeigten Interesse am Unternehmen. "Korbinian ist eben der Älteste", erklärt er. Krämmel will aber auch, dass es künftig wenig Streitpotenzial gibt, und dass und jeder, der will, seinen Platz in der Firma findet. "Weltkonzerne mögen das als Wachstumsbegrenzung sehen und es anders handhaben, aber für mich kommt als erstes der Mensch, ob das jetzt die Kinder sind oder die Mitarbeiter oder die Kunden."

Anders lief es, als Krämmel selbst zum 1. Januar 1980 die Firma von seinem Vater übernahm. Zum einen, weil die Übernahme mit einer Realteilung der Firma einherging. Sein Vater Josef Krämmel hatte das Unternehmen 1947 mit einem Partner, Gustav Alfred Sachers, gegründet und geleitet, bis Reinhold Krämmel nur den Firmenteil des Vaters übernahm. Nicht der einzige Unterschied: Während Reinhold Krämmels Söhne schon früh Interesse an der Firma signalisierten und entsprechende Ausbildungen wählten, war er selbst nach seinem Abitur 1968 erst einmal "drei Jahre lang auf der Suche", wie er es nennt. "Ich gehöre der Generation der 68er an, es waren turbulente Zeiten." Krämmel studierte erst einmal vier Semester an der Akademie der Bildenden Künste in München, "bis bei mir der endgültige Wille, Unternehmer zu werden, reifte". Dabei mochte er die Gold- und Silberschmiede-Klasse. "Dengeln, schmieden und löten, alles, was handwerklich-künstlerisch bedienbar war, lief gut bei mir." Trotzdem der Bruch nach vier Semestern: "Ich habe in diese sozialistische Denke dort nicht ganz reingepasst", sagt Krämmel. An der Akademie sei ihm "zu viel politisiert" worden. "Man kann seine Herkunft nicht abstreifen. Ich stamme nun mal aus einer Unternehmerfamilie. Nur leninistisch-sozialisitische Diskussionen waren mir zu wenig."

Doch Krämmel blieb ein politischer Mensch, war von 1996 bis 2008 Mitglied des Kreistages und engagiert sich bis heute sozial in zahlreichen Ehrenämtern. Eine Frage begleite ihn bei jeder seiner Tätigkeiten, sagt er: "Welchen Sinn hat das eigene Tun? Das kann man verdrängen, aber man wird sie nicht los, sie gehört zum menschlichen Dasein, unabdingbar." Bei Unternehmerschaft, sagt Krämmel, gehe es eben nicht nur um Gewinnmaximierung. "Ertrag ist notwendig für die Nachhaltigkeit des Unternehmens, aber nicht Selbstzweck." Jeder, der viel Geld verdient, müsse sich fragen, wozu: "Es entsteht kein Glück, wenn ich den dritten Ferrari in der Garage habe. Das ist nur Ersatz für etwas, das eigentlich fehlt."

In seinen 36 Jahren als Unternehmer habe er durchaus am Sinn im Tun gezweifelt, und auch schon erwogen, die Firma zu verkaufen. "Finanzkrisen, Führungskrisen, Auslastungskrisen, in meiner Zeit war alles geboten", sagt Krämmel. Mal gingen wichtige Mitarbeiter, mal schrieb die Firma ein verlustreiches Jahr oder gab es Forderungsausfälle. Entmutigen ließ er sich dennoch nie: "Unsere Branche zeichnet sich auch dadurch aus, dass man kreativ und gestalterisch tätig ist und man die Ergebnisse sieht. Da rührt sich was, wir schaffen Menschen ein Dach überm Kopf, das ist etwas Greifbares: Werte materieller, aber auch ideeller Art. Das treibt an und motiviert."

Der Rückblick auf das Errichte genügt Krämmel nicht. "Vergangenheit ist ja ganz nett, aber was für Leute, die nicht mehr gebraucht werden", sagt er. "Entscheidend ist jeden Tag, jede Stunde in der Gegenwart zu sein. Wenn man es so versteht, ist wenig Raum, sich daran zu berauschen, was man alles schon geschaffen hat." Stattdessen sieht er neue Herausforderungen. "Es gibt ein Thema, das mich intensiv beschäftigt: bezahlbaren Wohnraum für Menschen zu schaffen, die sich in dieser Hochpreisregion wahnsinnig schwer tun."

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