Reichersbeuern:Was heißt schon normal?

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Schüler des Max-Rill-Gymnasiums bringen die Komödie "Mein Freund Harvey" auf die Bühne - mit Tempo, Witz und viel Sympathie für 1,80 Meter große unsichtbare Hasen

Von Lea Utz, Reichersbeuern

Krank oder nicht krank. Das ist hier die Frage. Kurz vor Probenbeginn wird in der Aula des Max-Rill-Gymnasiums gehustet und geschnieft. Nikolaus Frei, der Leiter des Oberstufenkurses Theater, gesteht, dass er diese Grippewelle nicht in seine Terminplanung einbezogen hat. Schon in drei Tagen steht die Premiere an. Doch nach wenigen Minuten ist klar: Dass die ein oder andere Stimme etwas leiser und rauer klingt als sonst, tut der Spielfreude der Schüler keinen Abbruch.

Schauspielerisch überzeugend, temporeich und mit einem glänzenden Gefühl für die Komik im Detail inszeniert die Truppe den Komödienklassiker "Mein Freund Harvey" von Mary Chase. Im Zentrum der Handlung steht Elwood P. Dowd (Nicolas Kaffler), ein sanftmütiger, überaus höflicher Mann, der mit seiner Schwester Veta (Melissa Zowislo) und ihrer Tochter Myrtle (Luisa von Festen) zusammenlebt. Es könnte alles so harmonisch sein - wäre da nicht sein bester Freund Harvey. Denn Harvey ist ein 1,80 Meter großer, unsichtbarer Hase, der ihn auf Schritt und Tritt begleitet. Seine Verwandten befördert Elwood damit ins gesellschaftliche Aus.

Veta sieht nur einen Ausweg: Sie will Elwood in die Psychiatrie einweisen. Doch in ihrer Hysterie wird sie prompt selbst zur Patientin erklärt. Als der Irrtum ans Licht kommt, beginnt eine schräge Jagd auf Elwood und seinen Hasen. Schnell stellt sich die Frage, wer hier verrückter ist - die völlig entnervten Verfolger oder der unerschütterlich liebenswerte Elwood.

Die vordergründig einfach gestrickte Handlung entwickelt einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann - auch, weil viele Szenen einfach irrsinnig komisch sind. Es geht um den Stellenwert der Fantasie in einer grauen Realität und um die Frage, wer oder was eigentlich normal ist. Krank oder nicht krank.

"Es ist ein menschenfreundliches Stück", findet Regisseur Frei. Für die Zwölftklässlerin Melissa Zowislo, die auf der Bühne eine sehr erwachsene Veta abgibt, macht das den Reiz der Komödie aus: "Die Geschichte zeigt, dass Verrücktsein nicht unbedingt etwas Schlechtes ist." Herrlich in Szene gesetzt ist zum Beispiel das Zusammentreffen zweier klassischer Alphamännchen, der eine Anwalt (Philipp Meschik) und der andere Chefarzt (Marcel Killat), die ihre aufgeblasenen Egos im Treppenhaus nicht nur im übertragenen Sinn immer eine Stufe über den anderen stellen.

Dass es am Theater keine unwichtigen Rollen gibt, zeigen Dayuan Wang und Yihun Pu: Sie verkörpern als kongeniales Duo mit Slapstick-Qualitäten den Krankenpfleger Wilson und könnten bei der Premiere an diesem Donnerstag zum Publikumsliebling avancieren.

Mit Smartphone, Pokémon Go und Jugendsprache haben die Schüler dem Stück an vielen Stellen ihren eigenen Stempel verpasst. Seit Februar proben sie die Komödie. "Durch die Sommerferien gab es dann eine lange Unterbrechung", erzählt Frei. "Den zweiten Teil mussten wir uns in einem Monat draufschaffen, das war schon harte Arbeit."

Mit welcher Ernsthaftigkeit und Professionalität die Schüler auch nach diesem Probenmarathon noch ans Werk gehen, ist erstaunlich. "Es macht uns einfach Spaß", sagt der Zwölftklässler Nico Rinner, der nach der Probe eingemummelt in einen Wollschal in der Aula sitzt. Im Stück spielt er den Assistenzarzt. "Herr Frei ist ein Naturtalent darin zu erkennen, wer für welche Rolle geeignet ist."

Das Organisatorische - von der Technik bis hin zur Sponsorensuche - haben die Schüler des P-Seminars "Theater" gestemmt. Wenn es bei der Premiere schließlich ernst wird, darf sich das Publikum auf eine rundum gelungene Produktion freuen. Jetzt gilt es nur noch, die Grippewelle abzuschütteln.

Premiere am Donnerstag, 20. Oktober, 20 Uhr, Max-Rill-Schule, Reichersbeuern; weitere Vorstellungen am 22. und 27. Oktober (20 Uhr) sowie am 28. Oktober (10.30 Uhr), Eintritt frei

© SZ vom 20.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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