Reichersbeuern:Schuften für das Gaudium

Seit Monaten wird in Reichersbeuern an den Faschingswagen getüftelt. Die Organisatoren haben alle Hände voll zu tun, erwarten sie doch 20 000 Zuschauer am 15. Februar, wenn der Zug nach Bad Tölz aufbricht

Von Klaus Schieder, Reichersbeuern

Es ist saukalt im Schuppen. Aber solche Temperaturen sind Florian Melf und Luca Prisel aus Reichersbeuern schon gewohnt. Die Hände in den Jackentaschen ihrer Arbeitskluft vergraben, stehen die beiden jungen Männer vor einem Traktor, den ein riesiges Gebilde aus Putz und Eisenträgern umgibt. Das Werk stellt den Kopf einer bekannten Comicfigur dar, es handelt es sich um . . . Das dürfe man bitte nicht verraten, sagen die zwei Handwerker. Zusammen mit zehn Freunden basteln sie schon seit Anfang November an dem Motivwagen für den Reichersbeurer Faschingszug am Sonntag, 15. Februar. Da fänden sie es schade, wenn die Überraschung dahin wäre. "Wir hoffen, dass wir von den Leuten ein gutes Feedback bekommen", sagt Prisel.

Für den 20-Jährigen und den zwei Jahre älteren Melf ist die Teilnahme an dem närrischen Umzug eine Premiere. Zusammen mit zehn Freunden trafen sie sich im Juli 2014 und überlegten, wie sie ihren Wagen gestalten sollten. "Das hat lange gedauert", erzählt Melf. Am Ende einigten sie sich auf die Comicfigur, weil jeder von ihnen die Zeichentrickfilme mit ihr gesehen hat. Seit mehr als drei Monaten werkeln sie nun bereits an dem Wagen, jeden Samstag von 8 bis 18 Uhr, seit Januar auch an Freitagen. Um das Material zu bezahlen, haben sie ihr Geld zusammengeworfen.

Ihr Motiv für all die Arbeit beschreibt Prisel ganz einfach: "Mit Spezl'n zusammen sein und der Spaß am Bauen." Er selbst ist Automechaniker, Melf arbeitet als Fliesenleger und Maler, auch die anderen sind Handwerker. Allerdings wird keiner von ihnen das Faschingsgefährt steuern, dafür haben sie einen Landwirt aus dem Dorf engagiert. Der Grund: Auf der zehn Kilometer langen Reise im Schritttempo nach Tölz kann der Fahrer die Straße nicht mit eigenen Augen sehen. Auf einem Monitor verfolgt er stattdessen die Bilder von der Fahrbahn, die ihm drei Kameras liefern, die auf dem Kopf der Comicfigur installiert sind. Zudem ist er per Funk mit zwei Leuten verbunden, die dem Wagen vorausgehen.

Prisel, Melf und ihre Freunde fahren auf einem Anhänger mit, der in einer Garage unterhalb des Schuppens in Reichersbeuern steht. Darauf haben sie eine Toilette gebaut, deren Dach sich automatisch heben und senken soll. "Da sieht man jemanden auf der Schüssel sitzen", erklärt Melf.

37 Motivwagen bilden dieses Mal den Faschingszug, der nur alle zehn Jahre stattfindet. Hinzu kommen noch etliche Gruppen zu Fuß. Insgesamt seien es etwa 420 Teilnehmer, sagt Organisator Klaus Hochwind, Vorsitzender des Vereins "Reichersbeurer Faschingszug". Auch er hat arbeitsreiche Monate hinter sich. Wenn sich Wagen mit bis zu 18 Meter Länge und vier Metern Höhe in Bewegung setzen und die stark befahrene Bundesstraße 472 für einige Stunden halbseitig gesperrt werden muss, wenn sich bis zu 20 000 Faschingsfans am Ziel in der Tölzer Marktstraße drängen, dann sind eine Menge Sicherheitsaspekte zu beachten. "Da hat es viele Runde Tische gegeben", sagt Hochwind. "Das ist nicht so ganz ohne."

Kunterbuntes Programm

Seit 1878 gibt es den Reichersbeurer Faschingszug. In den ersten Jahrzehnten fand er unregelmäßig statt, seit 1955 fallen die Maschkera aus Reichersbeuern und Greiling alle zehn Jahre in der Tölzer Marktstraße ein.

Am Sonntag, 15. Februar, ist es wieder soweit: Der Faschingszug formiert sich in Reichersbeuern von 8 Uhr an auf dem Dorfplatz, Start ist gegen 9 Uhr. Die Route führt über die Bundesstraße 472, die halbseitig gesperrt wird. Gegen 12 Uhr wird die närrische Prozession in der Fußgängerzone der Kurstadt erwartet, wo es die Tradition gebietet, dass sich die Tölzer den kostümierten "Invasoren" in den Weg stellen. Danach fährt der Gaudiwurm weiter über die Isarbrücke, wendet auf dem Amortplatz und kehrt in die Marktstraße zurück. Dort ist dann bis 15.30 Uhr ein buntes Faschingstreiben geplant.

Um den Zuschauern die Wartezeit zu verkürzen, spielen die Tölzer Stadtkapelle und der Spielmannszug von 10.30 Uhr an in der Fußgängerzone. Zudem legt DJ Dan dort Musik auf. Auch Gastronomiebetriebe haben sich für den Faschingssonntag einiges überlegt: Weißwurstessen im "Starnbräu" (9.30 Uhr), Schneebar im "Crepes' Home" (10 Uhr), italienische Livemusik in der "Trattoria al Ponte" (11 bis 23 Uhr), "Exzess Express" im Bistro Heimat (12 Uhr), After-Showparty im "Part III" (14 Uhr), "Ein Käfig voller Narren" im Turmkeller (14 bis 22 Uhr), Muafaz-Fasching im "Kult" (18 Uhr), "Die Beura kemma" im "Kesselhaus" (14 Uhr) und "Tölzer Narrenfreiheit" im "Pistolero Club" (15 Uhr).

Informationsflyer zum Faschingstreiben gibt es in der Tölzer Tourist-Information, weitere Auskünfte auch im Internet (www.bad-toelz.de). sci

Das weiß auch Susanne Frey-Allgaier, stellvertretende Kurdirektorin von Bad Tölz. Die Stadt saß mit am Tisch bei all den Besprechungen mit Landratsamt, Polizei, Straßenbauamt, Rettungsdiensten und den Verantwortlichen aus Reichersbeuern. Man setze in Bad Tölz auf das Sicherheitskonzept der Leonhardifahrt, sagt sie. Die Nockhergasse wird während des Faschingstreibens für den Verkehr gesperrt, um parallel zur Fußgängerzone einen Rettungsweg zu haben. In der Post an der Hindenburgstraße wird eine Einsatzzentrale eingerichtet. Die Tölzer Polizei bekommt Unterstützung von 25 bis 30 Kollegen von der Bereitschaftspolizei, das Rote Kreuz rückt mit einem großen Team an, die Stadt bezahlt überdies 50 professionelle Sicherheitskräfte, die rund um die Marktstraße nach dem Rechten sehen sollen. Der Gaudiwurm sei "logistisch eine große Herausforderung", sagt Frey-Allgaier.

Der Faschingszug geht auf das Jahr 1878 zurück, als sich die Reichersbeurer mächtig über eine Entscheidung des Tölzer Gerichts ärgerten und aus Protest in einem Haberfeldtreiben in die Nachbarstadt marschierten. Worum es bei dem Streit ging, weiß niemand mehr. "Wir haben nachgeschaut, aber nirgendwo in den Archiven etwas gefunden", sagt Hochwind. Geblieben ist von damals jedoch ein Haberer-Wagen, der am Faschingssonntag etwa 20 Minuten vor dem Gaudiwurm in der Marktstraße erwartet wird. Zur Tradition gehört es längst auch, dass sich die Tölzer den Reichersbeurern in der Marktstraße in den Weg stellen und ihnen den Einzug erschweren. Vor zehn Jahren inszenierten sie am Khanturm einen Indianerüberfall auf den Konvoi. Dieses Mal soll es nachgerade teuflisch zugehen. Aus Reichersbeuern und Greiling habe man wegen der Staus auf der B472 immer wieder mal gehört, es sei die Hölle, nach Tölz zu fahren, sagt Frey-Allgaier. Da hätten sich das Organisationsteams der Stadt und einige Stadträte bei den Vorberatungen gedacht, "nun ja, das passt gleich", erzählt die stellvertretende Kurdirektorin und verspricht: "Wir werden sehr teuflisch auftreten." Hochwind schreckt das nicht. Und ums Wetter sorgt er sich ebenso wenig. "Ich hab mit dem Chef oben geredet, das passt", scherzt er.

Auch Florian Melf hat keine Bedenken. Sein Motivwagen ist robust konstruiert. Da müsste es schon den ganzen Tag lang stark regnen, um ihn zu beschädigen, meint der 22-Jährige. Allerdings dürfte es saukalt bleiben. Deshalb haben er und seine Freunde hinter dem WC auf dem Anhänger noch einen kleinen Aufenthaltsraum gezimmert. "So richtig warm wird es darin allerdings nicht", weiß er.

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