Reichersbeuern:A-Klasse mit 69 000 Zuschauern

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Der Bezahlsender Sky überträgt die Begegnung zwischen Reichersbeuern und Wackersberg wie eine Bundesliga-Partie - und Zehntausende schalten live ein. Beim "Spiel des Lebens" schaffen 1700 Fans Stadion-Atmosphäre.

Von Lisa Fey, Reichersbeuern

Der Himmel reißt auf, die Sonne brennt. Auf dem dorfeigenen Fußballfeld tritt der SC Reichersbeuern in rot-blauen Trikots mit der Aufschrift "Mia san der SCR" zum vierten Spiel der Saison in der A-Klasse im Kreis Zugspitze an - im Lokalderby gegen den starken SV Wackersberg-Arzbach. Doch wo sonst 50 bis 100 treue Fans ihren Verein unterstützen, sind am Samstag 1700 Zuschauer in das 2200-Seelen-Dorf gekommen. Denn der Bezahlsender Sky über trägt das Spiel wie eine Bundesliga-Partie live, aber unverschlüsselt - mit 19 Kameras und 70 Mitarbeitern, Halbzeit- und Schlussanalysen, Interviews. Laut Sky fiebern 69 000 Menschen vor dem Fernseher, am Computer oder Tablet mit. "Spiel des Lebens" heißt die Aktion, um die sich der SC Reichersbeuern beworben hat - und die er für sich entschieden hat. Das Ergebnis ist nicht zweitrangig, schließlich gibt es Punkte.

Das Fußballspiel wird professionell aufgezogen. Auf einer Wiese ist ein Parkplatz abgesteckt, Einweiser dirigieren die Fans im Auto. Von dort aus sind es nur ein paar Minuten zu Fuß zum Fußballplatz. "Immer der Karawane nach", rät einer der Einweiser. Und noch etwas ist anders: Eintritt wird fällig. Ein Stehplatz kostet neun Euro, für fünfzehn kann man das Spiel von der Tribüne aus verfolgen.

Während die 22 Männer auf dem Fußballfeld um den Ball kämpfen, sind die Zuschauer mindestens genauso bei der Sache. "Auf geht's SCR! Kämpfen und siegen!", rufen die Fans des Reichersbeurer Fußballvereins. Gekommen sind Jung und Alt, in Tracht und Trikot. Ein Mädchen kombiniert beides - drunter Dirndl, drüber Trikot. Die Stimmung ist ausgelassen. Als in der 44. Minute der Ball außen am Netz des Tores vom SV Wackersberg landet, stellt eine Dame mit Fanschal fest: "Des war aber scho a Chance."

Chancen gibt es viele beim "Spiel des Lebens". Eine davon hatte der Rechtsaußen der Reichersbeurer, Valentin Willibald. Auf die Frage, ob die ganzen Kameras nervös machen, antwortet der Spieler mit der Zehn: "Am Anfang ja, aber vor so einer Kulisse zu spielen, ist richtig stark." Der Sender hatte sogar den Schiedsrichter Florian Böhm verkabelt, die Fernsehzuschauer konnte alles hören, was auf dem Platz gesprochen wird.

Sky ist mit seiner ersten Riege angetreten: Wolff-Christoph Fuss kommentiert vom Traktor aus. Die früheren Nationalspieler Didi Hamann und Christoph Metzelder liefern schon in der Halbzeitpause erste Analysen der beiden Gegner. Und das Reichersbeurer Maskottchen "Reischbeili", ein roter Drache mit goldenen Zacken, tanzt über den Platz.

Nach 90 spannenden Minuten geht die Partie unentschieden zu Ende. Wie in der Bundesliga folgt anmoderiert das obligatorische Humba-Tätärä: "Gebt mir ein H!" Beide Mannschaften feiern sich und ihre Fans. Die Spieler gratulieren sich gegenseitig, sie stoßen mit Bier auf das gelungene Event an. Einige Spieler werden vor der Kamera interviewt. So auch der Reichersbeurer Rechtsaußen Willibald und Gäste-Keeper Klaus Ertl - beide wohnen zusammen in einer WG. "Hätte der SV gewonnen, hätte er sich schon einen Spruch anhören müssen", sagt Ertl über seinen Mitbewohner und grinst.

Das "Spiel des Lebens" klingt bei der "After Match Party" mit Livemusik der Isarwinkler Spitzbuam aus. Willibald wolle es trotz der ausgelassenen Stimmung eher ruhig angehen, nächste Woche stehen für ihn wichtige Prüfungen an.

Die Punkteteilung bedeutet für den SC Reichersbeuern der zehnte Plan in der A-Liga, der SV Wackersberg belegt Platz neun. Doch eigentlich interessiert das zunächst niemanden. "Gewonnen haben für mich die Vereine", sagt Ernst Dieckmann, Bürgermeister von Reichersbeuern, der neben Lederhose und grüner Weste auch einen Fanschal trägt. Es sei ein tolles Spiel gewesen, sagt er. "Ich bin zufrieden und glücklich über das, was das Dorf geleistet hat."

Den Amateurfußball müsse man fördern, meint Rainer Koch, der Vorstand des Bayerischen Fußballverbands. "In der Breite findet man Talente, da sind auch die Nationalspieler von 2030 dabei." Es mag ein Unentschieden für die beiden Mannschaft sein, doch es ist ein Sieg für den Amateurfußball, da sind sich alle einig.

© SZ vom 05.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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