Rechtsextremismus:"Tödliche Rache"

An der "Straße des 28. April 1945" erinnert ein Denkmal an die Penzberger Mordnacht, 2005

An der Straße des 28.April 1945 erinnert ein Denkmal an die Penzberger Mordnacht.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Penzberger Mordnacht ist mehr als 70 Jahre her. Doch braunes Gedankengut breitet sich in erschreckendem Tempo aus. Eine Veranstaltung zum Thema rechte Gewalt schlägt den Bogen von damals bis heute.

Von Wolfgang Schäl

Hass, Zynismus, ideologische Verblendung und Grausamkeit: Für all das steht die "Penzberger Mordnacht", die in der Bergarbeiterstadt bis heute präsent ist. Mitglieder der Gruppe "Werwolf Oberbayern" exekutierten damals, am 28. April 1945, unmittelbar vor dem Eintreffen der Amerikaner, 16 Bürger, die im Sinne der NS-Fanatiker als Kollaborateure galten, darunter den ehemaligen Bürgermeister Hans Rummer. Es sollte eine "tödliche Rache" sein "für Verräter und Liebediener des Feindes", die den Aliierten die Stadt übergeben und eine sinnlose Sprengung des Bergwerks durch braune Fanatiker verhindern wollten. Das ist mehr als sieben Jahrzehnte her, doch braunes Gedankengut beginnt sich längst wieder auszubreiten - in erschreckendem Tempo.

Das ist die ernüchternde Bilanz eines Vortrags, den der Journalist und Soziologe Robert Andreasch im Penzberger "Kino P" gehalten hat. Das Thema: "Vom Penzberger Rathaus bis zum Münchner Einkaufszentrum. Rechte Attentate in Bayern". Andreasch hat viele Jahre vor allem in Süddeutschland akribisch recherchiert, ist im Bundestag als Sachverständiger für Rechtsterror aufgetreten, arbeitet unter anderem für den Bayerischen Rundfunk und hat sein Wissen auch im NSU-Untersuchungsausschuss in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt.

Gefährlich sei "die intellektuelle Rechte"

Derzeit ist er als Referent in Bayern unterwegs, Freunde hat er sich in der rechten Szene nicht gemacht. Er sei dort mittlerweile "der Lieblingsfeind", bemerkte Andreasch am Rande der Veranstaltung. Hassvideos auf Youtube, Häme, Drohungen, Rufschädigung, die sich mitunter bis in seriöse Medien hinein fortpflanze - das alles erlebe er "täglich und zehntausendfach". Verstecken werde er sich gleichwohl nicht und vermittle seine Erkenntnisse "als Person erkennbar und öffentlich".

Was Andreasch im Kinosaal ausbreitete, war eine ebenso nüchterne wie detaillierte Chronologie, die von 1945 bis in die Gegenwart reichte und eine bedrückend lange Liste rechter Gewaltakte beinhaltete, darunter Anschläge der "Wehrsportgruppe Hoffmann" und ein Blutbad mit drei Toten und drei Schwerverletzten in Nürnberg im Jahr 1982 - eine der vielen Gewalttaten, die Andreasch akribisch in seiner etwa einstündigen Bestandsaufnahme referierte.

Rechtsextremismus: Die Bilanz über den rechten Terror ist ernüchternd, die der Journalist und Soziologe Robert Andreasch (stehend) im Penzberger "Kino P" zieht.

Die Bilanz über den rechten Terror ist ernüchternd, die der Journalist und Soziologe Robert Andreasch (stehend) im Penzberger "Kino P" zieht.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Gemeinsam sind nach seinen Erfahrungen in vielen Fällen die Bemühungen von staatlichen Stellen und Ermittlungsbehörden, solche Gewaltakte als Aktionen von Einzeltätern abzutun, statt die Hintergründe auszuleuchten, so etwa den verheerenden Bombenanschlag 1980 auf dem Münchner Oktoberfest, das mit 13 Toten und mehr als 200 zum Teil schwer Verletzten als schlimmstes Attentat in der deutschen Nachkriegsgeschichte gilt. Hier wurden immer wieder Zweifel laut, dass der Täter Gundolf Köhler, ein erklärter Bewunderer der "Wehrsportgruppe Hoffmann", den Terrorakt allein geplant haben kann. Das Interesse von Behörden, Hintergründe aufzudecken, sei leider nicht immer erkennbar, sagt Andreasch. Gefährlich sind nach seiner Einschätzung besonders "die intellektuelle Rechte", und die zunehmend gewaltbereiten "Reichsbürger", die sich konsequent außerhalb jeglichen staatlichen Rechtsrahmens stellten und ihre Anhängern mit militärischen Handbüchern und Anleitungen unterstützten.

Ebenso breit gefächert wie die Themenpalette des Referenten waren die Fragen, mit denen sich die Gäste an Andreasch wandten. Unter anderem wurde die Rolle der Bundeswehr bei rechten Umtrieben angesprochen, ebenso des bayerischen Verfassungsschutzes mit seinen V-Leuten in der rechten Szene. Der gebe Informationen an die Polizei "einer eigenen Geheimdienstlogik folgend" oft erst verspätet weiter, so Andreasch.

Eingehend erkundigten sich die Gäste nach den finanziellen Quellen der rechten Szene. Die habe sich in den vergangenen Jahren aus Kleinspenden gespeist, im Falle von Terroranschlägen auch aus Banküberfällen und räuberischer Erpressung, erläuterte der Referent. Dies sei auch bei der Mordserie der NSU so gewesen. Mittlerweile trage auch der Staat selbst zur Finanzierung der Rechten bei, etwa mit den Mitteln aus dem Gesetz zur Parteienfinanzierung, von dem die im Bundestag vertretene AfD mit hohen Millionenbeträgen profitiere.

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