Prozess:Griff in die AWO-Kassen

AWO Mittagsbetreuung

Das Geld für angebliche Mitarbeiter der Mittagsbetreuung überwies die frühere AWO-Kreisvorsitzende auf eigene Konten.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die frühere Kreisvorsitzende überwies an die 30 000 Euro auf eigene Konten. Sie offenbarte sich schließlich selbst. Das Amtsgericht hat sie nun zu einer Bewährungsstrafe verurteilt

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen

"Es tut mir wahnsinnig leid. Ich weiß nicht, was mich da geritten hat", murmelte Ingrid P. am Mittwoch sichtlich mitgenommen im Gerichtssaal des Amtsgerichts Wolfratshausen. Zuvor hatte die frühere Kreisvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO) durch ihren Verteidiger ein vollumfängliches Geständnis ablegen lassen: Sie hatte über Jahre hinweg in 91 Fällen Geld veruntreut. Der Schaden beträgt 19 405,60 Euro. Insgesamt waren es sogar 28 724,10 Euro, wovon letztlich aber nur die 91 Fälle zur Anklage kamen.

Weil die Angeklagte geständig und reuig war, setzte Richter Helmut Berger die Strafe am unteren Ende an: Er verurteilte Ingrid P. zu einem Jahr und sechs Monaten Haft, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Sie muss auch den angerichteten Schaden wieder gutmachen.

Von 2008 bis 2014 war die heute 53-Jährige als Vorsitzende des AWO-Kreisverbandes tätig gewesen. In dieser Zeit war sie über das Konto der Mittagsbetreuung an der Tölzer Grundschule am Lettenholz alleine verfügungsberechtigt. Zwischen Januar 2009 und Dezember 2012 überwies P. von diesem Konto immer wieder Beträge zwischen 175 und 400 Euro an vermeintliche Mitarbeiter. In Wahrheit aber übertrug sie das Geld auf eigene Konten, die angeblichen Mitarbeiter existierten gar nicht.

P.s Verteidiger nannte als Grund finanzielle Schwierigkeiten. Sie habe damals 1200 Euro verdient, doch alleine die Miete ihrer Wohnung habe 900 Euro ausgemacht. Darüber hinaus habe sie zum damaligen Zeitpunkt zwei ihrer drei Kinder unterhalten, "da waren keine Sprünge möglich", sagte ihr Anwalt. P. habe inzwischen Konsequenzen gezogen, die Wohnung gewechselt und zahle der AWO seit Mai 2014 den Schaden in Raten zurück. "Das ist das Schlimmste, was passieren konnte. Wir sind aus allen Wolken gefallen, als wir von der Veruntreuung erfuhren", sagte Erika Halba, Vorsitzende des AWO-Ortsverbandes Geretsried und derzeit kommissarische Leiterin des Kreisverbandes. Sie war als Zeugin geladen. Als der Verein, der die Mittagbetreuung der Schule am Lettenholz geführt hatte, vor der Auflösung stand, habe P. vorgeschlagen, für die AWO die Mittagsbetreuung zu übernehmen. "Sie mache das alles, sagte uns P.", erinnerte sich Halba. "Das Verhängnis war, dass wir so blauäugig waren." Gerade im Ehrenamt vertraue jeder jedem. Zwar hätten, wie vereinsüblich, einmal im Jahr Revisoren die Kasse überprüft, doch die hätten der Veruntreuung nicht auf die Spur kommen können, ist Halba überzeugt.

Die Personalausgaben seien zu dem Zeitpunkt als ein einziger großer Posten aufgeführt gewesen, "da kontrolliert man nicht jede einzelne Buchung". P. galt zudem als "integer und vertrauenswürdig", wie auch die Zeugin Ingrid Antoch bestätigte. "P. war für die Mittagsbetreuung alleine verantwortlich. Es gab keinen Grund, hinzufahren und zu schauen, wie viele da wirklich arbeiten", erklärte sie in der Verhandlung.

Möglich also, dass die Veruntreuung noch größere Ausmaße hätte annehmen können, wie Halba sagte - wenn nicht das schlechte Gewissen an P. genagt hätte. Sie offenbarte sich letztlich dem Kreisverband. "Wir haben es dann zur Anzeige gebracht", sagte Halba. Inzwischen habe die AWO Konsequenzen gezogen und gliedere die Personalkosten transparenter auf, zudem gebe es einen vierteljährlichen Abschluss.

Die Staatsanwaltschaft sah eine besondere Schwere des Falls. Die Verteidigung hingegen machte auch die offenbar mangelhaften Kontrollmechanismen im Ehrenamt für die Tat verantwortlich: "Das kann die Taten nicht entschuldigen, aber erklären, denn es ging eben so leicht." Das Urteil nahm P. noch im Gerichtssaal an.

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