Prozess:Bürgermeister in Angst

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Ein 51-Jähriger verfolgt den Benediktbeurer Rathaus-Chef Hans Kiefersauer - und soll ihm den Mittelfinger gezeigt haben.

Von Benjamin Engel, Benediktbeuern

Bürgermeister Hans Kiefersauer fühlte sich beschattet und bedroht: Seit seinem Amtsantritt 2014 habe ihm ein 51-Jähriger, der früher in Benediktbeuern wohnte, regelrecht aufgelauert und sei ihm wiederholt mit dem Auto nachgefahren. Der Grund: Er glaubte, dass Kiefersauer als Bürgermeister angeblich widerrechtlich gewerblich arbeitete und wollte das beweisen. Als der Mann im August des Vorjahres Kiefersauer den ausgestreckten Mittelfinger gezeigt haben soll, reichte es diesem: Der 55-Jährige zeigte den Mann wegen Beleidigung an. Dafür wurde der Angeklagte am Amtsgericht Wolfratshausen wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Er stritt die Geste jedoch ab und empfand die Verurteilung als skandalös. Schimpfend verließ er den Gerichtssaal.

Kiefersauer erklärte, dass ihn der Mann bereits viermal mit dem Auto verfolgt habe. Losgegangen sei es mit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren. Davon fühlte er sich bedroht. "Es ist keine Gaudi, wenn einer dauernd in der Einfahrt wartet und einem nachfährt."Im August des Vorjahres verfolgte ihn der Angeklagte wieder und parkte mit seinem Auto beim Haus des Bürgermeisters. Der wollte ihn zur Rede stellen und bedeutete ihm, die Seitenscheibe herunterzulassen. Wie der Bürgermeister aussagte, habe der Mann ihm den ausgestreckten Mittelfinger der rechten Hand gezeigt. Mit dem Zeigefinger der linken Hand habe er sein unteres Augenlid heruntergezogen.

Der Bürgermeister fuhr erst noch mit seinem Auto ins Rathaus, um mit Mitarbeitern das weitere Vorgehen zu besprechen. "Ich wollte nicht eskalieren", erklärte er sein Verhalten. Dann fuhr er doch zur Polizeistation nach Kochel am See und zeigte den Mann an. Dorthin war ihm der Angeklagte sogar nachgefahren.

Der Mann reagierte ungehalten. Er warf dem Bürgermeister vor zu lügen. Er erklärte, niemandem jemals den Mittelfinger gezeigt zu haben. Und das werde er auch niemals tun. Der Vorwurf stimme nicht. Gleichzeitig gab er zu, dem Bürgermeister zweimal mit dem Auto hinterhergefahren zu sein. Im August 2015 sah er, wie der Bürgermeister im Arbeitsgewand Gerätschaften in sein Fahrzeug verlud. Er wollte herausfinden, wo dieser gewerblich arbeite. Er räumte ein, das Augenlid mit dem Finger heruntergezogen haben, mehr aber auch nicht. "Es ist ein Skandal, falls ich verurteilt werde."

Für die Staatsanwältin war der Fall klar: Alles hat sich ihrer Ansicht nach so zugetragen, wie der Bürgermeister schilderte. Sie hielt die Aussage für glaubhaft. "Er konnte sich genau erinnern", sagte sie. Er sei direkt neben dem Auto des Angeklagten gestanden und habe alles gut sehen können. Was die Geste mit dem Zeigefinger am Auge betreffe, stimmten die Beschreibungen beider Männer überein. Einem anderen den Mittelfinger zu zeigen, sei als Beleidigung zu bestrafen. Dafür könne eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe ausgesprochen werden. Der Angeklagte sei zwar nicht vorbestraft. Er sei aber vollkommen uneinsichtig. Deshalb forderte die Staatsanwältin, eine Geldstrafe von 3300 Euro zu verhängen.

Richter Helmut Berger reagierte auf das Verhalten des Angeklagten brüsk. Er erklärte, dass es im jetzigen Strafverfahren nur darum gehe, über den Vorwurf der Beleidigung wegen des Mittelfingers zu verhandeln. Alle sonstigen Vorwürfe spielten keine Rolle. Für ihn stand unzweifelhaft fest, dass der Angeklagte den Bürgermeister mit seiner Geste beleidigt hat. Er frage sich auch, welchen Grund Kiefersauer wohl hätte haben sollen, um dem Angeklagten eine solche Sache ans Bein zu binden, nur damit der verurteilt würde. Richter Berger verurteilte den Mann wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 1600 Euro.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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