Projekt "Soziale Stadt":Willkommen in Stein

Geretsried geht mit dem nächsten Projekt "Soziale Stadt" gezielt auf die Menschen in seinem südlichen Stadtteil zu. Dort hapere es noch an der Integration, sagt Bürgermeister Michael Müller

Von Felicitas Amler, Geretsried

Rudi Mühlhans versteht es, die Vorzüge von Stein herauszustellen: Es sei der südlichste Stadtteil Geretsrieds in Richtung Italien und ganz wunderbar, sagte der Geschäftsführer des Trägervereins Jugend- und Sozialarbeit Geretsried am Samstag. Es gebe dort praktisch keinen Durchgangsverkehr und kein Industrie- oder Gewerbegebiet. Bei strahlendem Sonnenschein präsentierte sich vor allem das Jugendzentrum "Ein-Stein" an diesem Tag sehr einladend. Die Stadt stellte dort ihr nächstes Vorhaben der Städtebauförderung unter dem Titel "Soziale Stadt" vor. Mit Unterstützung aus diesem Bund-Länder-Programm hat Geretsried bereits den Johannisplatz und den Neuen Platz städtebaulich verändert. In Stein, dem beinahe abgetrennt vom Rest Geretsrieds liegenden Stadtteil, soll "der Fokus stärker auf der sozialen Arbeit" liegen, sagte Bürgermeister Michael Müller (CSU).

Um ein Gebäude geht es in Stein aber schon: Auf dem städtischen Grundstück, auf dem das Ein-Stein steht - Ecke Steiner Ring/Kochelseeweg - soll zusätzlich ein Treffpunkt für alle Altersgruppen entstehen. Müller spricht von einem Bürgerhaus, betont aber, die Konzeption soll wie bei allen anderen Vorhaben im Dialog mit den Anwohnern entwickelt werden.

Stein hat mit 2400 Einwohnern einen Anteil von etwa zehn Prozent an der Geretsrieder Stadtgesellschaft. Es ist städtebaulich sehr unterschiedlich gestaltet: Im Kern ist es von Mietwohnblöcken geprägt, darum legen sich u-förmig frei stehende Einfamilienhäuser mit teils großzügigen Gärten. "Hier sind optimale Voraussetzungen, hier sind aber auch Herausforderungen", sagte der Bürgermeister. Ein Problem sei, dass es keine Mitte im Sinne eines Dorfplatzes gebe. Die Stadt wolle daher "eine Anlaufstelle für die Menschen im Quartier" schaffen.

Für Kinder und Jugendliche gibt es eine solche schon: Das Jugendzentrum Ein-Stein, vor 13 Jahren unaufwendig als Holzständerbau geschaffen, hat sich erkennbar gut etabliert. Kein Wunder, sagt der Bürgermeister, es liege so inmitten des Stadtteils, dass die Kinder praktisch in Hausschuhen herüberkommen könnten. Am Samstagnachmittag spielten Kinder und Jugendliche im Freien rund ums Ein-Stein. Und sie hatten für die Besucher ein kleines internationales Büffet vorbereitet: mit Häppchen von Bayern bis Syrien. Mühlhans sagte, das Haus habe "absoluten Entwicklungsbedarf". Aber auch diese Entwicklung soll unter Bürgerbeteiligung erarbeitet werden.

In Stein leben relativ viele russischstämmige Menschen; insgesamt aber mischen sich dort etwa 40 Nationalitäten. Die Stadt und der Trägerverein für Sozialarbeit sind jetzt erst einmal damit beschäftigt, gezielt auf die Menschen zuzugehen, um Stimmen zu sammeln. Sie tun dies mit Unterstützung des Programms "Actors of Urban Change" der Robert-Bosch-Stiftung, an dem Geretsried neben Bologna, Istanbul oder dem russischen Krasnoyarsk als einzige deutsche Stadt beteiligt ist. Die Gespräche mit den Steinern, die in deren Muttersprachen geführt werden, sollen unter dem Titel "Geschichte(n) in Stein geschrieben" in eine Ausstellung münden, zu Forschungszwecken genutzt oder in Kunstprojekten präsentiert werden. Ansprechpartnerinnen sind Dagmara Sosnowska, Leiterin von "Integration aktiv in Geretsried", die Ukrainerin Liliia Sherchuk und die Geografin Sandra Mader, die ein dreimonatiges Praktikum in Geretsried absolviert und daraus ein Thema für ihre Masterarbeit entwickeln wird.

Bürgermeister Müller räumte ein, in der Integration in Stein, wo einst ein Übergangswohnheim für Aussiedler angesiedelt war, gebe es deutliche Defizite. Er habe dies auch erfahren, als er vor einiger Zeit die Rektorinnen der Schulen zu einem Gespräch eingeladen hatte. Er habe eigentlich über die Integration Asylsuchender sprechen wollen, sei aber von den Schulleiterinnen darauf aufmerksam gemacht worden, dass dies nicht ihr Problem sei. Vielmehr fehle der Bezug zu den Menschen aus Osteuropa, die lange vor den Asylsuchenden angekommen waren. Die Stadt wolle diese Menschen "abholen", sagt Müller.

Über Integration hatte der Bürgermeister auch auf dem Neuen Platz gesprochen, wo zum Tag der Städtebauförderung eine Bilanz des dortigen Projekts Soziale Stadt gezogen wurde. Die Bürgerstimmen zur Umgestaltung des Platzes mit Brunnen und Spielplätzen sind geteilt. Die einen loben die Aufenthaltsqualität - nicht zuletzt wegen des Cafés, das auch draußen bewirtschaftet ist; die anderen klagen über herumlungernde Trinker oder die graue Fläche des Platzes. Integration bedeute aber nicht nur städtebauliche Verbesserungen, sagte Müller, es gehe um eine erlebbare Gemeinschaft, ehrenamtliches Engagement, Mitbestimmung und Bürgerbeteiligung. Er sagte dies auch mit Blick auf die Migranten: Die Diskussion, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist, sei durch die gesellschaftliche Wirklichkeit beantwortet. Es gehe längst nicht mehr um das Ob, sondern das Wie der Integration.

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