Ankunft im Landkreis:Der Wolf - ein Problem

Vertreter von Bauern und Jägern würden das Raubtier, das durch den Landkreis streift, am liebsten erschießen lassen. Naturschützer setzen sich dafür ein, dass der Beutegreifer im Landkreis leben kann. Der Landrat verlangt eine klare Position der Staatsregierung.

Von Konstantin Kaip

Der Wolf ist im Landkreis angekommen, und mit ihm sind Konflikte da. Das hat die Pressekonferenz am Freitag im Landratsamt gezeigt, bei der Vertreter der Behörden und der betroffenen Verbände über den Beutegreifer diskutierten, der Anfang April in Sankt Heinrich nachweislich vier Schafe gerissen hat. Bauern, Almbauern und Jäger forderten eine wolfsfreie Zone. Anders seien die Weidewirtschaft und der Schutz der Wälder nicht zu erhalten. Für die Vertreter der Naturschutzverbände ist ein Abschuss hingegen keine Option. Sie sehen den Staat in der Pflicht, Präventionsmaßnahmen zu treffen und die Nutztierhalter finanziell zu unterstützen.

Wie Franz Steger von der Unteren Naturschutzbehörde bestätigte, konnten die Speichelproben der in St. Heinrich gerissenen Schafe per DNA-Analyse einwandfrei einem Wolf aus der Alpenregion zugeordnet werden. Die Untersuchungen dauerten noch an und könnten möglicherweise noch Aufschluss über Geschlecht und Rudelzugehörigkeit des Tieres geben. "Wir gehen davon aus, dass es sich um ein Einzeltier auf Durchwanderung handelt", sagte der Leiter der Stabsstelle im bayerischen Landesamt für Umwelt, Wolfgang Berger. Neue Hinweise, dass sich das Tier noch in der Region aufhalte, gebe es nicht.

Wolf im Tierpark Hellabrunn in München, 2016

Ein Wolf streift durch den Landkreis. Hier ein Exemplar aus dem Tierpark.

(Foto: Catherina Hess)

Der Halter der Schafe habe bereits eine Entschädigung aus dem staatlichen Ausgleichsfonds Große Beutegreifer erhalten - je nach Alter und Geschlecht zwischen 120 und 250 Euro pro Tier. Auch habe er von dem Angebot, Schutzzäune zu leihen, Gebrauch gemacht. "Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich alles getan", sagte Berger.

Man müsse jedoch mehr tun, forderte der Lenggrieser Georg Mair, Vorsitzender des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern. "Wir fordern wolfsfreie Gebiete, um die Weidewirtschaft zu erhalten." Mair erinnerte an einen Einzelwolf, der 2010 im Mangfallgebirge mehr als 40 Schafe gerissen habe. Er habe den Weidebetrieb "massiv beunruhigt" die Viehabstürze hätten sich verfünffacht. Experimente mit Schweizer Experten und Herdenschutzhunden im Rotwandgebiet seien "ernüchternd" verlaufen, weil die Touristen die Sperrzonen "völlig ignoriert" hätten. Ein Schutzzaun müsse nach derzeitigem Standard 1,50 Meter hoch, elektrisch und im Boden verankert sein, das sei weder finanziell noch technisch machbar. Ein praxistaugliches Patentrezept sei nicht zu erkennen, sagte Mair. "Der Wolf fördert die Stallhaltung, und das wollen wir nicht."

Zum selben Schluss kam der Kreisobmann des Bauernverbands, Peter Fichtner: 2015 seien der Bundesregierung 700 Wolfsrisse an Nutztieren gemeldet worden, darunter 16 Rinder. Komme es erst einmal zur Bildung von Wolfsrudeln in Bayern, sei "das Ende der Weidewirtschaft vorprogrammiert", sagte er. Tierschutz dürfe "keine Einbahnstraße sein", erklärte Fichtner. "Zur Bestandsregulierung bleibt nur der Abschuss, ohne Wenn und Aber." Das forderte auch Anton Krinner vom Kreisjagdverband. In Bad Heilbrunn spüre er die Anwesenheit des Wolfs vor allem am Verhalten des Wildes: Das Rotwild etwa meide die Wiesen und ziehe sich in großen Rudeln in den Wald zurück, wo es großen Schaden anrichte. Der Wolf gefährde so eine gesunde Verjüngung, das waldbauliche Ziel - auch in den Schutzwäldern. "Wenn die Rudelbildung anfängt, ist es vorbei."

Wolf im Landkreis

Informationen über den Wolf: Wolfgang Berger, Georg Mair, Friedl Krönauer, Anton Krinner, Peter Fichtner und Walter Wintersberger (v.l.).

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Schutzwürdigkeit des Wolfes herabzusetzen sei eine "Scheinforderung, die keinem nutzt", fand hingegen Friedl Krönauer, Vorsitzender der Kreisgruppe des Bund Naturschutz (BN). Stattdessen müsse der Staat "Geld in die Hand nehmen für die Nutztierhalter". Es gehe darum, "eine vernünftige Lösung zu finden, wie der Wolf bei uns leben kann und Viehhaltung als wichtiger Teil unserer Kulturlandschaft weiter möglich ist". Dem stimmte auch Walter Wintersberger vom Landesbund für Vogelschutz zu. "Wir müssen jetzt mit der Situation zurechtkommen", sagte er - auch wenn er einräumte, "keine Patentlösung" zu haben.

Trotz des Konfliktpotenzials müsse man im sachlichen Dialog gemeinsam zu einer guten Lösung kommen, erklärte Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) - und kündigte einen Runden Tisch unter Einbeziehung des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an. Vor allem aber müsse sich die Staatsregierung nun "klar positionieren", forderte er. "Die unteren staatlichen Stellen und kleinen Verbände dürfen nicht alleine gelassen werden."

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