Premiere in Icking:Ausdrucksstarke Klänge

Premiere in Icking: Musiker des Gärtnerplatztheaters in München unterstützen den Komponisten Peter Francesco Marino bei seiner Premiere von "Romeo und Julia".

Musiker des Gärtnerplatztheaters in München unterstützen den Komponisten Peter Francesco Marino bei seiner Premiere von "Romeo und Julia".

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die Uraufführung von Peter Francesco Marinos "Romeo und Julia" begeistert in der Aula des Gymnasiums etwa 200 Konzertbesucher - auch wenn ein kleiner Patzer das Finale stört

Von Ulrich Möller-Arnsberg, Icking

"Eigentlich wollte ich an meinem Holzschwert" weiterbasteln, erzählt Gregor. Seine Mutter habe ihm aber gesagt, dass es bei der Veranstaltung in der Grund-schule Icking zum 400. Todestag von William Shakespeare um ein Kulturgut gehe. Und so sitzt der Zwölfjährige, der das Ludwigsgymnasium in München besucht, mit rund zweihundert zuschauenden Kindern, Eltern und Jugendlichen im Halbrund der Schulaula in Icking und wartet auf den Beginn der Premiere von "Romeo und Julia". Auf der Leinwand wird er keine Schwerter zu sehen bekommen, aber Dolche. Es sind scharf gezeichnete Illustrationen aus einem Band der Kinder- und Jugendbuch-Autorin Barbara Kindermann, die "Romeo und Julia" für die Reihe "Weltliteratur für Kinder" verfasst hat.

Den Text hat der Pianist und Komponist Peter Francesco Marino zu einer musik-theatralischen Fassung verarbeitet, die in der Grundschule Icking ihre Uraufführung erlebte. Marino, Chorleiter des Ickinger Vokalensembles, übernahm dabei selbst den Sprecherpart. Seine Musik erinnert ein wenig an Igor Strawinskys Wanderbühnen-stück "Die Geschichte vom Soldaten". Das Quartett für Violine, Violoncello, Klarinette und Klavier ist sehr plastisch, farben- und kontrastreich; es ist großartig auf den Punkt geschrieben.

Das zeigt schon der Beginn des einstündigen Werks. In wenigen Worten beschreibt Sprecher Marino die Szenerie der hoffnungslos verfeindeten Familien von Romeo und Julia, der Montagues und Capulets, bevor die Pianistin Kazue Weber-Tsuzuki in heftigem Staccato dunkle Töne aus ihrem Instrument donnern lässt. Die anderen stimmen mit ein: Kumiko Yamauchi (Violine), Rolf Weber (Klarinette) und Clemens Weigel (Cello). Spannungsvoll reizen die Musiker des Münchner Gärtnerplatztheaters ihre Partien aus. Nach kurzer Zeit verwandelt sich der Klang in ein himmlisch feines Singen. Es ist die andere Seite der "Romeo und Julia"-Geschichte, die bedingungslose Liebe, die das Shakespeare-Stück zum klassischen Drama scheinbar unversöhnlicher emotionaler Gegensätze macht.

Leider müssen bei der Uraufführung die Tageslichtstrahler in der Aula der Ickinger Grundschule angeschaltet bleiben, weil die Musiker keine Pultbeleuchtung haben. Die war in der Aufregung um Marinos Uraufführung vergessen worden. Und so findet der Kontrast, den die Musik liefert, leider keine Entsprechung in den Bildern. Jene, die der Beamer an die Leinwand wirft, verblassen im hellen Raum zu sehr. Umso mehr gilt die Aufmerksamkeit den Tönen. Etwa, wenn es um die erste Begegnung von Romeo und Julia auf einem Ball der Capulets geht, die Komponist Marino mit pointierter Walzerseligkeit vertont hat. In der späteren Balkonszene im Garten der Capulets begleiten die Streicher in zarten Pizzicati eine zauberhafte Liebesmelodie der Klarinette. Auch für die fatale Seite des Dramas hat Marino ausdrucksstarke Klänge gefunden. Gläsern kalte, stumpfe Töne leiten zu den Konflikten über, etwa zu der tödlichen Auseinandersetzung zwischen Romeo und Julias Cousin Tybalt. Den Text, der von der Verbannung Romeos aus der Stadt Verona erzählt, begleiten die Streicher mit metallischem Ponticello.

Der weitere Fortgang der Geschichte bis zum bitteren Ende der Liebenden erfährt in Marinos Musik immer verklärtere melancholische Farben. Im Finale winkt der Komponist die Uraufführung kurz ab. Ein falscher Einsatz hatte sich eingeschlichen und entwickelte ein Eigenleben. "Das kann passieren", kommentiert Marino scherzhaft die Unterbrechung. Damit liefert er einen schönen Schlussmoment, in dem man Shakespeares-Drama auch mit einem Augenzwinkern sehen kann. Ganz im Sinne des Humors, für den der englische Dichter bis heute berühmt ist.

Die Uraufführung einer neuen Version zu "Romeo und Julia" erntete begeisterten Applaus. Und der zwölfjährige Gregor meint auf die Frage, wie es ihm und seiner Klassenkameradin damit ginge, wenn die Eltern etwas gegen ihre Freundschaft hätten: "Ach, wir sind Rebellen, wir kämen damit zurecht."

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