Pläne zur S7-Verlängerung werden ausgelegt:Letzte Station eines Planungsmarathons

Nach drei Jahrzehnten nähert sich die Diskussionen über eine Anbindung Geretsrieds ans MVV-Netz der Entscheidung: Vom 14. Januar an sind die Unterlagen öffentlich ausgelegt. Zumindest eine Zeitlang.

Von Wolfgang Schäl

Pläne zur S7-Verlängerung werden ausgelegt: Endstation Wolfratshausen - das heißt es bisher. Nun beginnt die öffentliche Anhörung zum Planfeststellungsverfahren, an dessen Ende eine Verlängerung der S7 nach Geretsried stehen könnte.

Endstation Wolfratshausen - das heißt es bisher. Nun beginnt die öffentliche Anhörung zum Planfeststellungsverfahren, an dessen Ende eine Verlängerung der S7 nach Geretsried stehen könnte.

(Foto: Manfred Neubauer)

Seit mehr als drei Jahrzehnten ist das Projekt S 7-Verlängerung nach Geretsried im Schwange, kein Thema hat in dieser Zeit die Gemüter im Norden des Landkreises heftiger und anhaltender erregt, wenn man einmal vom Streit um den vierspurigen Ausbau der B 11 absieht. Jetzt haben die Protagonisten der langjährigen Kontroverse Gelegenheit, im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens offiziell Stellung zu beziehen. Ab Montag, 14. Januar, liegen die Planungsunterlagen vier Wochen lang öffentlich in den Rathäusern der betroffenen drei Kommunen aus. Zwei weitere Wochen, spätestens bis zum 27. Februar, bleibt den Betroffenen nach Ablauf der Auslegungsfrist Zeit, sich schriftlich zu äußern. Einwendungen, die später bei der federführenden Regierung von Oberbayern eintreffen, sind dann obsolet.

Man darf davon ausgehen, dass die Kombattanten gut gerüstet ins Finale ziehen, denn die Kompromissbereitschaft unter den Gegnern und Befürwortern des Projekts hat sich schon in den vergangenen Jahren in engsten Grenzen gehalten, und an Polemik herrschte zu keiner Zeit Mangel. Die Fahrgastvereinigung Pro Bahn beispielsweise sah die renitente Stadt Wolfratshausen auf dem Rückweg ins Dampflok-Zeitalter, während der Wolfratshauser Bürgermeister Helmut Forster zurückkeilte, gerade die umstrittene Bahnschranke an der Sauerlacher Straße sei doch wohl der Ausdruck jener angeprangerten Verkehrs-Nostalgie.

Ständiger Streitpunkt zwischen Wolfratshausen und Geretsried

Auch der Atmosphäre zwischen den beiden Städten im Mittelzentrum war der mit immer härteren Bandagen geführte Kampf wenig zuträglich. Mit größtem Unverständnis wurde in Geretsried der Ausgang eines Bürgerentscheids zur Schrankenlösung zur Kenntnis genommen: Mehr als 6000 Wolfratshauser, das waren über 80 Prozent derer, die zur Abstimmung gegangen waren, votierten am 4. Juli 2010 gegen die Schranke.

Nach wie vor herrscht an der Loisach die Meinung, diese Lösung, die als einzige den vorgeschriebenen Nutzen-Kosten-Faktor oberhalb der Zahl eins möglich macht, werde in der Stadt ein Verkehrschaos auslösen. Im März vergangenen Jahres überreichte eine Wolfratshauser Delegation aus Bürgern und Lokalpolitikern eine Petition an Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) in der Hoffnung, mit einem raffinierten Kunstgriff die S 7-Verlängerung mit Schranke verhindern zu können. Die Idee: Das Geretsrieder Industriegleis sei für Gefahrguttransporte nicht hinreichend gesichert, deshalb müssten die zur Firma Tyczka verkehrenden Gastank-Waggons über die neue S 7-Trasse geführt werden.

Ohne das alte Industriegleis wäre der Bahnübergang an der Sauerlacher Straße dann aber ein Neubau und unterläge anderen planungsrechtlichen Vorgaben. Eine höhengleiche Lösung, so die vergebliche Hoffnung der Schrankengegner und ihres Vordenkers Heinz Wensauer, wäre unter diesen Voraussetzungen juristisch nicht mehr möglich gewesen. Der Petitionsausschuss ließ sich auf den durchschaubaren Vorstoß allerdings nicht ein, in Geretsried wurde die Initiative mit Kopfschütteln registriert.

Widerstand gegen die Pläne auch in Gelting

Widerstände formierten sich aber auch auf Geretsrieder Seite: Geltinger Bauern, über deren Grund und Boden die Trasse geführt werden soll, schlossen sich mit weiteren privaten Grundeigentümern zusammen und beauftragten einen Anwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen. Er soll im Auftrag der Landwirte plausibel machen, dass beim Bau der Trasse Fluren und Weiden so durchschnitten würden, dass viele nicht mehr rentabel nutzbare Restflächen verblieben und wegen der vielen unterbrochenen Wegverbindungen bäuerliche Existenzen in Frage gestellt würden. Weil der Anwalt die Argumente seiner Auftraggeber allein allerdings für zu schwach hält, um die Planung ernsthaft zu gefährden, setzt er zusätzlich auf den Naturschutz: auf die europäischen FFH-Regularien (Fauna-Flora-Habitat), die man im Zusammenhang mit den wertvollen Buckelwiesen im Bereich des Endbahnhofs Geretsried-Süd in die Waagschale legen will.

Die Buckelwiesen waren aber auch der Grund für eine planerische Verzögerung, die das Bonner Eisenbahn-Bundesamt als Aufsichtsbehörde verursachte. Das Amt forderte Korrekturen an den Planungsunterlagen; die eiszeitlichen, durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützten Wiesen mussten neu bewertet werden mit der Folge, dass die Bahntochter DB-Projektbau zusätzliche Ausgleichsflächen ausweisen musste.

Diverse Ansätze waren darauf gerichtet, die S 7-Planung über den Nutzen-Kosten-Faktor ins Wanken zu bringen. So kritisierte das auf Verkehrsfragen spezialisierte und von den bayerischen Grünen beauftragte Münchner Beratungsbüro Vieregg-Rössler heftig die Berechnung aus dem Jahr 2009. Aus Sicht der Berater wurden bei den jüngsten Planungen zwar verringerte Kosten aufgenommen, nicht aber der aus den Kürzungen resultierende geringere Nutzen. Über die absoluten Baukosten für die neun Kilometer lange Strecke hat es in den vergangenen Jahren immer wieder unterschiedliche Angaben gegeben, sie bewegten sich, je nachdem, ob Verwaltungskosten mit eingerechnet werden, zwischen 107 und 120 Millionen Euro.

Eine Sonderseite mit einer Analyse der Hintergründe und der Streitpunkte sowie einem Für und Wider zur S7-Verlängerung nach Geretsried finden Sie im Bad Tölz-Wolfratshauser Lokalteil Ihrer Süddeutschen Zeitung von Freitag, 11. Januar.

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